Das Wandern ist des Müllers Lust

Und nicht nur des Müllers, nein, auch des Parfumeurs oder besser: des Duchaufours. Selbiger, mit Vornamen Bertrand, reist nämlich unglaublich gerne und viel. Ob er auf seinen weltweiten Entdeckungstouren tatsächlich wandernd unterwegs ist, möchte ich zwar bezweifeln, aber so wie die Arbeit des Müllers heute maschinell und vollautomatisch vonstatten geht, legt man in Alltag und Urlaub die meisten Wegstrecken mittlerweile ja auch auf vier Rädern zurück und nicht mehr ausschließlich auf zwei Beinen. Der unaufhaltsame (und von mir immer gern erwähnte) Fortschritt macht auch vor dem guten alten Volkslied nicht halt, sondern regt viel mehr zu einer modernen Interpretation desselbigen an. 😉

Der (wandernde oder fahrende) Globetrotter Duchaufour dürfte den geneigten Lesern jedenfalls hinlänglich bekannt sein: Seit 2008 ist er die kreative Chefnase bei der französischen Parfumschmiede L’Artisan Parfumeur. Auf sein Konto gehen diverse L’Artisan-Kreationen wie zum Beispiel Nuit de Tubéreuse, Al Oudh und Mechant Loup, einige Comme des Garçons-Düfte sowie Penhaligon’s Amaranthine, Eau d’Italies Baume du Doge, Amouages Jubiläumskracher Jubilation XXV, Acqua di Parmas toskanische Zypresse und viele, viele mehr. Ein emsig-kreativer Mann! Tja, wer viel arbeitet, und dann noch kreativ, braucht natürlich Phasen der Erholung. Gerne auch an fremden Orten, die inspirieren, die Phantasie anregen und den schöpferischen Tank reich mit neuen Eindrücken und Ideen füllen. Aus eben solchen kreativen Regenerationsphasen entstand die Travel-Series von L’Artisan Parfumeur: Düfte, die Herrn Duchaufours Erlebnisse und Impressionen einer Reise einfangen und nach seinem subjektiven Empfinden authentisch wiedergeben. Eine dieser Urlaubsschöpfungen haben Constantin und Uli bereits vorgestellt, Havana Vanille. Eine Ode an Kuba, angereichert mit Rum, Vanille, Gewürzen und natürlich Tabak. Karibik-Feeling pur also.

Unser heutiges Reiseziel entführt uns an einen Ort, der nicht allzu weit von Castros Insel entfernt ist: Panama. Der mittelamerikanische Tropenstaat, eingeklemmt zwischen Costa Rica und Kolumbien, ist berühmt für seinen gleichnamigen Kanal, der die Karibik mit dem Pazifik verbindet. Panama ist ein schmaler Landstreifen mit ziemlich viel Küste an zwei verschiedenen Ozeanen und: mit einigen vorgelagerten Inseln. Auf einer solchen, nämlich Bahia Honda, die ich leider trotz intensiver Suche auf diversen Landkarten nicht lokalisieren konnte, machte Herr Duchaufour zur Regenzeit Urlaub. Die Insel dominiert ein dichter Regenwald, der sich dem olfaktorisch-geneigten Besucher üppig-grün und saftig-dampfend präsentierte. Der exotisch-fremde, ja beinahe irreale Duft der wilden urspünglichen Natur beeindruckte Herrn Duchaufour derart, dass er beschloss, ihn in einem Parfum einzufangen. So entstand nach seiner Reise der Duft Fleur de Liane. Seine Eindrücke konservierte er, zumindest optisch, noch während seines Aufenthalts durch Fotographien und zahlreiche Aquarelle, die ihn in der so gegensätzlichen, da vollzivilisierten und zubetonierten Pariser Heimat an die mittelamerikanische Dschungelatmosphäre erinnern sollten.

Die Duftnoten: Grüne Noten, Fruchtige Noten, Guave, Magnolie, Tuberose, Vetiver, Patchouli, Zedernholz, Guajakholz.

Fleur de Liane beginnt grün, grüner, am grünsten. Selbst der Superlativ vermag die Üppigkeit des Auftakts nur rudimentär zu erfassen. Saftig-grüne Noten schillern mit fruchtig-feuchten Nuancen um die Wette. Ganz subtil vermag ich eine herbe Säuerlichkeit wahrzunehmen, die ich ganz frech der Guave in die Schuhe schieben möchte. Außerdem rieche ich eindeutig Banane heraus oder vielmehr: den Duft einer knackigen, da noch deutlich grünen Bananenschale, der sich im Moment des manuellen Aufbrechens eben jener mit den transparent-süßlichen Noten des jungen Bananenfruchtfleisches vereint. Als Liebhaber grünlicher Bananen, frohlocke ich an dieser Stelle. Lecker! Im Auftakt ein echter Kracher, wenn auch ein recht monochromer, beruhigt sich der Duft im weiteren Verlauf. Im Herzen dominieren florale Noten: Magnolie und Tuberose bringen deutlich aquatische Tendenzen und eine süßliche Cremigkeit mit ins Spiel. Allerdings präsentiert sich das Herz, im Gegensatz zum opulenten Auftakt, insgesamt eher dezent und zart. Die sonst häufig wuchtbrummig umgesetzten Weißblüher zeigen sich hier von einer transparent-ruhigen, ja beinahe kontemplativen Seite. Und so können sie sich auch ganz entspannt auf das leichte und helle Lager niederlassen, in welchem sich Vetiver, Zedernholz und Patchouli ein erdig-holziges Stelldichein geben, während Guajakholz im Hintergrund rauchig-florale Akzente setzt. Bravissimo!

Meines Erachtens ein wirklich sehr schöner Duft, erfrischend und gelassen zugleich. Ein idealer Alltagsbegleiter für das momentane sommerliche Wetter.

Tja, wenn das die mittelamerikanischen Dschungelimpressionen von Herrn Duchaufour sind, kann ich nur sagen: „Oh, wie schön ist Panama!“

Einen schönen Tag wünscht Euch,

Eure Stephanie.

Bildquelle: Costa Rica Santa Elena Skywalk von Dirk van der Made – some rights reserved. Vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

3 Kommentare

  1. fredi
    22. Juli 2010
    Antworten

    Bravissimo und vielen Dank für diese wunderschöne Rezension, liebe Steffi! Da ich ein grosser Fan von Duchaufour und seinen Reiseimpressionen bin (Timbuktu und vor allem Dzhonghka), erstaunt es mich, dass mir dieser Duft nicht im Gedächtnis geblieben ist. Sind doch „kontemplativ“ und „gelassen“ echte Reizworte für mich (und Adjektive, die imho durchweg für die Handschrift Duchaufours zutreffen)!! Habe ich Fleur de Liane vielleicht noch gar nicht getestet? Ich muss sofort nach meinem Pröbchen suchen!!
    LG, fredi

  2. Steffi
    22. Juli 2010
    Antworten

    Liebe Fredi,
    vielen Dank für die Blumen! Schön, dass Dir mein Artikel gefallen hat.
    Oh ja, Du musst den Duft unbedingt Probeschnuppern. Ich bin jedenfalls hin und weg vom Dschungelblümchen. Bin sehr gespannt, wie er Dir gefällt. 🙂
    Ach ja, da Du ein Fan von Duchaufours Reisedüfte bist: Morgen ist die Rezension von Timbuktu dran und am Montag Dzongkha. Eine wirklich tolle Duftreihe, so viel sei schon einmal vorweg genommen.
    Einen schönen Abend noch,
    Steffi

  3. fredi
    22. Juli 2010
    Antworten

    Toll, da freue ich mich schon! Beides sind imho echte Duft-Kunstwerke. Wie so vieles von Duchaufour – habe gerade gelesen, dass er auch für viele meiner Comme des Garcons – Lieblinge verantwortlich zeichnet – Calamus, Kyoto oder Sequoia beispielsweise. Bei Calamus hat er ja bereits gezeigt, wie schön er „grün“ interpretieren kann. Insofern bin ich auf den Auftakt von Fleur de Liane echt gespannt. Grüne Banane!! Wirklich einfallsreich, darauf muss man erstmal kommen 😉

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