One Night in Paris …

Sehnsüchtig erwartet wird er, der Neue aus dem Hause L’Artisan Parfumeur: Natürlich wieder von Bertrand Duchaufour, der mittlerweile Hausparfumeur bei L’Artisan ist und sich diesmal der Tuberose angenommen hat.

Nuit de Tuberéuse, die Nacht der Tuberose, ein „Parfum für aufregende Sommernächte in Paris“, wie das Pressematerial verspricht, denn, so daß Pressematerial:

„Pariser Sommernächte sind zu romantisch, als dass man ihnen widerstehen könnte. Die hellen Lichter und das pulsierende Nachtleben der Stadt sind berauschend, fast schon hypnotisch. Sie sind von einer durchscheinenden Anmut, besitzen eine geheime Sinnlichkeit voller verstörender Magie, die die Sinne elektrifiziert.“

So unwiderstehlich wie die Nächte der französischen Hauptstadt, die gerne als „romantischste (Haupt)Stadt der Welt“ gehandelt wird und wie Venedig als (Welt)Stadt der Liebe gilt, soll also auch die Nacht der Tuberose sein… Daß Paris anbetungswürdig ist daran besteht kein Zweifel – was für viele Künstler galt und gilt, trifft auch auf etliche Normalsterbliche zu: Der Lutetia verfallen, Paris, der Schönen und Mutter der Kunst, wie Georg Heym in seinem schwärmerischen Gedicht Sehnsucht nach Paris schreibt. Ein Blick in Googles Streetview – umstritten, aber nicht reizlos – wird auch jeden Kenntnislosen überzeugen…

Überzeugt hat auch Herr Duchaufour bereits in seiner Laufbahn – der „innovative Alchimist“, wie ihn L’Artisan Parfumeur beschreibt, kreierte vor seiner festen Tätigkeit dort bereits unter anderem deren Düfte Timbuktu, Piment Brûlant, Poivre Piquant, Dzongkha und Fleur de Liane geschaffen sowie etliche Düfte für Comme des Garçons (Calamus, Mint, Avignon, Kyoto, Rhubarb etc.), Baume du Doge für Eau d’Italie und natürlich den von mir heißgeliebten Jubilation XXV for Men zum 25jährigen Bestehen des Hauses Amouage aus dem Oman.

Ein Meister des Würzigen und der Gewürzige, aber auch der transparenten Töne – und ein Händchen für Weihrauch und Konsorten… Insofern war von vorneherein klar, daß Nuit de Tubéreuse keine Tuberose von der Stange werden konnte – zumindest für mich. Und mich hat sie nicht enttäuscht, die Nachtblüherin des Herrn Duchaufour…

Aufregend, sinnliche und zeitgenössisch soll sie sein – das ist sie, und wie… Diese Tuberose unterscheidet sich von allem, was ich bisher kenne an Tuberosendüften – von Malle bis Lutens über Delrae Roth

Bereits im Auftakt strömt einem die hypnotisierende Hauptfigur entgegen: Luzide und betörende Tuberose, allerdings ganz anders gebettet als sonst der Fall. Diese Tuberose sieht sich sofort flankiert von Pfeffer, dessen scharfe Würzigkeit von krautigem Engelwurz und Ginster unterstützt wird. Dazu gesellt sich überraschend deutlich wahrnehmbar fruchtig-herbe Mango, deren exotische Facette von Orangenblüte und Ylang im Herzen aufgegriffen werden. Im Laufe der Zeit gewinnt die Tuberose an Cremigkeit, dank dem akzentuierenden Pfeffer wahrt der Duft allerdings gelungen (s)eine Balance, ohne ins allzu Semifloral-Süße abzudriften. Die Basis läßt den Duft holzig-erwärmt ausklingen und untermalt nochmals dessen Würzigkeit.

Ein sinnlicher Duft und eine ungewöhnliche, weil herb-fruchtige (Mango-)Tuberose, modern, aber doch zeitlos umgesetzt. Und – sportlich zwar, weil frisch, aber eben doch – Femme Fatale. Von dieser Assoziation kann ich mich im Zusammenhang mit Tuberosen nie (ganz) verabschieden – und mußte spontan an ein weiteres femme-fatalistisches Pariser Nachtschattengewächs denken, dem ich diese Tuberose sofort „andichten“ würde: An die Stylistin Catherine Baba, die mit ihrem mondänen divaesk-dekadenten Old-Hollywood-Glamour-Modemix seitenweise Modeblogs zu füllen vermag…

Ganz ehrlich? Ich als Nicht-Blümchen, das heißt als Besitzer von verschwindend wenigen Blütendüften (ok, nehmen wir Iris und Rose mal aus, da gibt es ja viele dunkle Gesellen für mich…) war head-over-heels verliebt und trage seit Wochen bei den gestiegenen Temperaturen nichts anderes. Ich brauche eine Flasche. Und, wohlgemerkt: Ich spreche von ganz existentiellem Brauchen, nicht von zierenden Bedürfnissen…

Bin mal gespannt wie es Euch damit geht…

Einen schönen Tag wünscht Euch

Eure Ulrike.

P.S.: (Fast) vergessen, die Ingredienzen: Kopfnote: rosa Pfeffer, Angelika/Engelwurz, Kaskarillabaum, Mandarine, ; Herznote: Ylang-Ylang, Orangenblüte, Mango, Tuberose, Rose, Ginster; Basisnote: Nelke, Hölzer, Sandelholz, Labdanum, Moschus.

Bildquelle: Catherine Baba, zweiteres fotografiert von Ali Mahdavi, some rights reserved. Für weitere Inspiration und Information: www.catherinebaba.com

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

8 Kommentare

  1. Christiane
    14. Mai 2010
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    ab wann kann man denn die Pariser Nachtpflanze mal schnuppern? Ich grabe schon mal die Startlöcher…

    • Ulrike
      20. Mai 2010
      Antworten

      Die Tuberose sollte im Juni auf jeden Fall bei uns eintrudeln, soweit ich informiert bin 🙂
      In der Tat finde ich die Tuberose auch – melancholisch. Wahrscheinlich gefällt sie mir gerade deswegen so gut.
      Und doch Margot, ich war die letzte Zeit leider nur hier in BW – ein paaar schöne Tage gab es ja, aber Du hast recht: Man kann sie getrost an einer Hand abzählen.

      Liebe Grüße, die Uli.

  2. fredi
    14. Mai 2010
    Antworten

    Jawohl, eine ganz und gar ungewöhnliche Tuberose! Beim zweiten Anlauf hat es auch bei mir „klick“ gemacht. Die Tuberosennote ist filigraner als in anderen Tuberosendüften, kommt fast transparent daher, was wohl der Handschrift Duchaufours zuzuschreiben ist. Die Stimmung des Duftes kann ich nur als nachdenklich beschreiben, ganz untypisch für einen Tuberosenduft, und hier erinnert er mich ganz stark an einen anderen Duchaufour-Duft, nämlich den meditativ-stillen Dzhongka. Nicht dass die beiden Düfte übermässig viele Duftnoten gemeinsam hätten, einfach nur von der Stimmung her. Bin gespannt wie Du das siehst, liebe Uli 😉 In jedem Fall ist der Duft ein kleines Kunstwerk!

    LG, fredi

  3. Margot
    14. Mai 2010
    Antworten

    Liebe Uli,
    würde mich interessieren, wo Du Dich gerade aufhältst. Zitat: „trage seit Wochen bei den gestiegenen Temperaturen nichts anderes“ Hier in BW kann das nicht sein!!! 🙂
    LG,
    Margot

  4. Ulrike
    1. Juni 2010
    Antworten

    Jetzt ist sie da, die Schöne *herzchenmal*

    Liebe Grüße, die Uli.

  5. Christiane
    2. Juni 2010
    Antworten

    @Ulrike: und sie ist traumhaft schön. Und muss neben der lebenslustigen „unschuldigen“ Virginale von Histoires de Parfums unbedingt einziehen. Als Gegenspieler oder besser als Ergänzung, Schwester.
    Liebe Grüße Christiane

  6. Evelyn
    18. Mai 2011
    Antworten

    Nun, liebe Uli,

    ziemlich genau ein Jahr später, wandle ich nun ein wenig auf Deinen Spuren bzgl. der Tuberosen-Entdeckung. :-)))

    Und – wow! Das hier, das ist ja mal eine gepfefferte Tuberose, unglaublich! Ja, sehr sehr anziehend, anders auch, weniger „fleischig“, als andere Tuberosen, nicht minder sexy deswegen, denn genau das macht hier ihren (etwas verborgenen) Reiz aus. Großartig!!

    Ich befürchte, hier wird der Bestellfinger nicht stillhalten können. Die Frage ist nur: Jetzt gleich oder warte ich noch bis heute abend. :-))))

    Herzlichst
    Evelyn

  7. Avatar photo
    Ulrike
    18. Mai 2011
    Antworten

    Hallo liebe Evelyn,

    das freut mich aber, dass Du dank mir die Tuberosen für Dich entdeckt hast 🙂 Und vor allem jene wunderprächtige Schöne von Herrn Duchaufour, die natürlich auch schon längst bei mir eingezogen ist 😉 So viele Komplimente habe ich schon dafür bekommen – und gerade von Männern, die doch gar nicht im Ruf stehen Weißblüher zu mögen…
    Zuckt er noch, der Finger oder lebt er wieder? 😉 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert