Ein Rock-Chic(k)-Patschuli von Francesca Bianchi – Sticky Fingers …

…heißt der Neuling, dem wir uns heute widmen werden – ich scharre schon länger mit den Hufen, insofern freue ich mich ganz besonders, dass er nun endlich in unserem Sortiment gelandet ist!

Über Francesca Bianchis Düfte bin ich verhältnismäßig spät gestolpert, und zwar im Jahr 2019. Ich hatte vorher bereits über sie gelesen, über ihre Düfte, die bereits kurz nach ihrer Lancierung auf regen „Widerhall“ im Netz gesorgt hatten: sie waren (und sind bis heute) Thema in diversen Blogs und auf den vielen Foren von und für Parfumistas weltweit. Als sie dann (schluss)endlich bei uns im Shop eintrudelten, war mein Interesse geweckt, erneut – ich erinnerte mich an den Wirbel in der virtuellen Welt, den sie mit ihren Kreationen ausgelöst hatte, was mich umgehend dazu ermutigte, mir diese Pröbchen als erstes aus meinem umfangreichen Paket herauszufischen und sie mir näher anzusehen, zu testen.

Was soll ich sagen? Francescas Düfte haben mich sofort und unmittelbar in ihren Bann gezogen, für sich eingenommen und begeistert. Head over heels habe ich mich verliebt in gleich zwei ihrer Kreationen, die es von Null auf Hundert in meine All-Time-Favoriten-Liste, meine imaginäre, geschafft haben – The Dark Side und Under My Skin. Letzterer ist für mich ein ganz besonderer Schatz, ein solch rares Kleinod – er hat sich auf leisen Sohlen in mein Herz geschlichen, wo er für immer einen ganz besonderen Platz haben wird. Auch, wenn es mir immer sehr schwer fällt, Top5- oder Top10-Listen zu erstellen, für alles, was ich liebe, ob es nun Düfte sind oder Romane, Filme, Musik, Kunst und so weiter und so fort … Under My Skin hat in jedem Fall einen Platz in einer solchen persönlichen Best-Of-Liste von mir.

Francesca Bianchi – geklaut bei Instagram

Ich weiß noch sehr genau, wie ich ihn das erste Mal getestet habe: ich saß mit dem Notebok auf dem Schoß im Wohnzimmer, hatte vorab einige wenige Rezensionen im Internet überflogen, wie so oft – ich möchte mir meine eigenen individuellen Eindrücke nicht vorab, vor einem Test, beeinflussen lassen von denjenigen anderer, das erleichtert mir das Verfassen von Rezensionen ungemein. Nichtsdestoweniger … hatte ich es dennoch getan, in Ansätzen. Und die Latte lag erwartungsgemäß hoch, zudem Under My Skin nicht der erste Duft von Francesca war, den ich testen durfte. Nun, was soll ich sagen – der Abend wurde lang, die Nacht auch und irgendwann graute der Morgen. Ich war … abgedriftet. Hatte mich von Under My Skin davontragen lassen. Umgeben von Bild- und Lyrikbänden war ich über Stunden abgetaucht in eine andere Welt, meine Welt, was auch immer, wie auch immer. Hatte einmal mehr und einmal wieder Else Lasker-Schüler gelesen, Gottfried Benn und Georg Trakl, Lord Byron, Charles Baudelaire, Pablo Neruda und Sylvia Plath. Hatte Franz Marcs Gemälde betrachtet, der ein enger Freund von Lasker-Schüler war, Fotografien von Anders Petersen, Gregory Crewdson, Christophe Jacrot sowie von Tomohide Ikeya – und dazu meine halbe Plattensammlung kreuz und quer gehört.

Georg Simmel war mir in den Sinn gekommen, wobei ich selbstredend das genaue Zitat nicht auf die Schnelle finden konnte – es ging um Ästhetik, um Kunst und jenen denkwürdigen Augenblick, wenn diese auf eine Art lebendig wird (und bleibt, vielmehr auf eine Weise ewig existiert), weil sie ihren Betrachter – allgemein gemeint, nicht nur auf das Visuelle bezogen – anspricht, Emotionen auslöst. Das wiederum ließ mich an Kafka denken, genauer gesagt ein Zitat von ihm: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ Für mich ist das Wörtchen Buch hier lediglich ein Platzhalter oder vielmehr auf eine Weise universell zu sehen. Ich würde „Buch“, „Bücher“ erweitern, und zwar auf Kunst an und für sich. Für mich ist es das, was Kunst ausmacht – unabhängig, von welcher Kunst wir sprechen – die Gefühle, die sie weckt oder überhaupt: dass sie dazu in der Lage ist, Gefühle egal welcher Art zu wecken. Kunst evoziert Ergriffenheit, sollte Ergriffenheit bewirken – so würde ich das sehen.

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Dazu wiederum fallen mir zwei Begriffe ein, ein spanischer und ein japanischer, „duende“ und „mono no aware“. Als ich nach der genauen Definition von „duende“ googelte, stieß ich auf einen Artikel in der Wiener Zeitung, der „duende“ als jenen „Dämon der Ergriffenheit [bezeichnete], der Zuschauer von den Sesseln reißt und ein Gefühl verursacht, das nicht in Worte zu fassen ist.“ Das kommt dem ziemlch nahe. Eigentlich stammt der Terminus (auch tener duende, Duende haben) aus dem Flamenco und bezeichnet einen extrem gefühlvollen Moment, der durch das Vorherrschen eines, ja, vielleicht Übermaßes von Emotionen authentisch ist und ausdrucksstark. Mit „mono no aware“, einem Begriff aus der japanischen Ästhetik, wird das Pathos der Dinge oder auch das Herzzerreißende der Dinge bezeichnet. Gemeint ist damit jene Gefühlsanwandlung bestehend aus Empathie (Zuwendung und Zuneigung, Mitgefühl im eigentlichen Wortsinne, manchmal auch Liebe) als auch einer Art bittersüßer Melancholie, die einen beschleicht, wenn man sich „Gegenständen“ zuwendet, Kunst, Natur, was auch immer, ihre Schönheit genießt, sich von dieser berühren und ergreifen lässt, gleichwohl immer über das Bewußtsein verfügt, dass diese endlich sind, dass sie nicht ewig währen, sondern entstehen und/oder geschaffen werden und vergehen, der Lauf der Dinge und des Lebens an und für sich.

… jetzt bin ich einmal mehr ein bisschen ausschweifend abgedriftet 😉 In jedem Fall wollte ich damit sagen – langer Rede, kurzer Sinn – dass für mich, was viele regelmäßige Leser*innen ohnehin bereits wissen dürften, Düfte Kunst sind. Besonders dann, wenn sie Gefühle wecken, was ohnehin eine ihrer Besonderheiten darstellt. Nichtsdestoweniger gibt es einzelne Parfums genauso wie „ganze“ Marken beziehungsweise Kollektionen, Parfumeure, die diese Fähigkeit „besser“ beherrschen als andere – zu diesen zählt für mich unbenommen das komplette duftende Werk von Francesca Bianchi.

Hier die bisherigen Rezensionen zu ihren Kreationen, falls Ihr etwas verpasst haben solltet:

Einer fehlt, wie mir gerade auffällt – The Black Knight, der als Vorgänger von Sticky Fingers lanciert wurde. Das geht natürlich gar nicht – eine Rezension dieses Schönlings werde ich alsbald nachholen!

Rock ’n‘ Roll-Chic – Sticky Fingers

„Sticky Fingers – A rock-chic Patchouli, in a decadent and sumptuous interpretation. Wild and carefree, dangerously dressed in leather but playful. Don’t get fooled by iris, no romance is going on here: tobacco leaves are rolled, the leather jacket is eventually thrown somewhere, and the delightful and tempting smell of skin finally emerges.“

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Und weiter …

„Sticky Fingers sticks not just to your fingers, but perversely sticks to your mind.

The perfume revolves around Patchouli, in a decadent and sumptuous interpretation. The opening immediately puts on the table the powerful weapons: an intense, almost boozy patchouli and leather. It is somehow wild and carefree, dangerously dressed in leather but playful. The dry-down gets softer and more complex, thanks to a dirty iris butter which makes the whole atmosphere smoother and more intriguing. Don’t get fooled by iris, no romance is going on here: tobacco leaves are rolled, the leather jacket is eventually thrown somewhere, and the delightful and tempting smell of skin finally emerges.
Many intertwined reasons and personal mental associations led me to this creation and its title.

This perfume is conceived to be as tempting as chocolate stuck all over your fingers and you cannot help but licking them. Mind you: this is not a gourmand fragrance, and licking your fingers is a metaphor referring to other kind of irresistible temptations.
One major reference is surely the iconic album from 1971. I love rock, and the 70s for what they brought in music, but especially, I love that album cover.

It accompanied me for a long while, as a vinyl record shop just around the corner was displaying it on its window, and I was exposed to it every day.
That cover literally stuck to my mind, and when I started thinking about the mood of this perfume, I couldn’t help but thinking about that.“

Die Ingredienzen:
Koriander, Zimt, Iris, Patchouli, Sandelholz, Heliotrop, Moschus, Castoreum, Leder, Tabak, Tonkabohne

Sticky Fingers stellt demgemäß nach eigener Aussage von Francesca Bianchi eine Rock ’n‘ Roll-Variante eines Patschuliduftes dar. Geneigte Parfumistas wissen es, Patschuli ist eine überaus beliebte Parfumingredienz, obschon diese Zutat ein gewisses Spalterpotential hat: die einen lieben ihn, andere wiederum können sich so gar nicht mit ihm anfreunden. Letzteres zumeist aufgrund einschlägiger Erfahrungen, sei es nun zu Zeiten der Flowerpower-Generation, denn Patschuli war der Hippies liebstes Kraut, oder auch, wie bei mir und vermutlich auch Harmen, wenn man sich in Teenagerjahren in zu vielen Gothic-Clubs herumgetrieben hat und dort gefühlt knietief in Patschulinebel watete.

Bei mir hat es lange gedauert, bis ich meine persönliche Patschuli-Aversion ablegen konnte – soweit ich mich richtig erinnere, dürfte Serge Lutens‘ Borneo 1834 den Ausschlag dazu gegeben haben oder auch Mazzolaris Lui, wie ich bereits hier im Blog berichtete vor Jahren. Mittlerweile geht Patschuli wieder, obschon ich diesbezüglich ein bisschen wählerisch bin, das muss ich ehrlicherweise zugeben. Allerdings bin ich mir fast sicher, dass Francescas Interpretation mich für sich einnehmen wird, wie sollte es auch anders sein …

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Wild, unzähmbar und sorglos sind die Attribute, die sie ihm zuschreibt, genauso wie sie ihm Dekadenz und Üppigkeit bescheinigt und uns gleich vorweg warnt: wir sollen uns nicht von der Iris täuschen lassen, die in den Ingredienzen gelistet ist – es erwartet uns keine Romanze, was ich in diesem Zusammenhang als „Schmonzette“ deute 😉 Verspielt, aber gefährlich und in Leder gewandet, von Tabak ist die Rede, von der (Biker?)Lederjacke, die irgendwo in der Ecke landet, während sich Sticky Fingers gleich einer mysteriös-verlockenden Aura von der Haut seiner Trägerin aus seinen Weg bahnt auf duftende Weise.

Sticky Fingers, so Francesca, bleibt nicht nur an den Fingern, sondern (ver)haftet auch auf „perverse“ Weise im Kopf … will sagen: er lässt einen nicht mehr los, so das Versprechen, dass ich bei anderen vollmundig nennen würde, im Falle von Francesca … nun ja, Ihr habt es oben selbst gelesen, ich nehme es ihr ohne ein Zucken von Kopf oder Schultern ab 😉

Francesca beschreibt Sticky Fingers wie alle ihre Düfte relativ ausführlich(er): Schon zu Beginn zeigt er wohl seine „Krallen“, packt seine Waffen auf den Tisch, die ehrfurchtgebietenden: intensive, fast schon likörig anmutende Noten von Patschuli und Leder, im Dry-Down begleitet von „dreckiger“ Irisbutter, die den einzigartigen und verführerischen Charakter des Duftes unterstreicht.

https://www.pexels.com/photo/woman-sitting-while-leaning-on-red-chair-1917770/

„Many intertwined reasons and personal mental associations led me to this creation and its title“ – man mag nur mutmaßen, welche persönlichen Gründe, Erfahrungen, Erlebnisse, Erinnerungen und Assoziationen Francesca zu der Kreation von Sticky Fingers inspirierten. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere: ich hatte letztes Jahr das Vergnügen, sie persönlich kennenlernen zu dürfen und habe mich über Stunden annähernd durchgehend mit ihr unterhalten. Francesca lediglich „sympathisch“ zu nennen, ist eine maßlose Untertreibung: sie ist ein scharfsinniger, intelligenter, gebildeter und vielseitig interessierter als auch „brennender“, leidenschaftlich-emotionaler Mensch, ein Charakterkopf und Schöngeist, wie man ihn selten trifft. Hat mich aber ehrlicherweise auch nicht weiter gewundert, weil ich ihre Düfte vorher schon kannte – solche Parfums kann niemand machen, der sich lediglich auf der Oberfläche bewegt …

Für Francesca ist Sticky Fingers, wie sie weiter (be)schreibt, so unwiderstehlich wie Schokolade, die überall an den Fingern, ja, klebt, und der man annähernd wehrlos ausgeliefert ist. Man MUSS sich ihr einfach ergeben, muss sie abschlecken – eine Metapher für den Duft, der, wie Francesca betont, kein Vertreter der Gourmandfraktion ist und auch nicht werden sollte, aber dennoch eine (von vielen) Versuchung(en des Lebens) darstellt.

Rolling Stones 1971
Photo of the Rolling Stones from a trade ad to promote their „Sticky Fingers“ album – Rolling Stones Records, Public domain, via Wikimedia Commons

Eine Inspirationsquelle verrät sie uns dann aber doch noch: ein legendäres Rock-Album von 1971. Sie liebt nach eigenem Bekunden Rockmusik, darüber hinaus die Siebzigerjahre, vor allem für das, was sie uns musikalisch hinterlassen haben. Und – sie liebt das Cover dieses ganz speziellen Albums, das sie lange Jahre ihres Lebens begleitete, weil sie es um die Ecke ihrer Wohnung in dem Schaufenster eines Plattenladens immer und immer wieder im Vorübergehen wahrnahm. Es hat sich offensichtlich in ihr Gehirn gebrannt, in ihre Erinnerung. Vielen wird allerspätestens an dieser Stelle klar sein, von welchem Album die Rede ist, diejenigen von Euch, die es kennen, werden es ohnehin vielleicht schon geahnt haben – et voilà, exakt richtig geraten, das gleichnamige Album Sticky Fingers von den Rolling Stones, das von Kritikern in schöner Regelmäßigkeit in den Top500, oft auch Top100 der besten Alben aller Zeit gelistet wird. Auch, wenn mein persönlicher Lieblingssong der Stones nicht auf dieser Platte zu finden ist (ich gebe es zu: Angie, kam erst zwei Jahre später), sind einige echte Knaller auf diesem Albumklassiker, so zum Beispiel Wild Horses, Brown Sugar und Sister Morphine, die ich Euch zur Einstimmung herausgesucht habe:

Wie sieht es aus, Stones-Fans unter Euch? Ich war ja vor etlichen Jahren einmal auf einem Konzert der Band, mit meiner Mutter – obschon ich ebenfalls absolut für Gitarren zu gewinnen bin, gehörten die Stones nie zu meinen Auserwählten, sprich – den absoluten Favoriten. Dennoch, keine Frage, eine ikonische Band, ganz klar. Was die Siebzigerjahre angeht …. puh, ich müsste mal nachdenken, welche Musiker und/oder Bands es mir da vor allem angetan haben … Wishbone Ash, streng genommen Sechzigerjahre, gleichwohl sie erst in den Siebzigern wirklich Erfolg hatten. Led Zeppelin selbstredend, mit Pink Floyd konnte ich mich nie anfreunden, obwohl ich deren Größe und Können sehe. Ok, einmal gegoogelt, muss ich doch feststellen, dass ich tiefer in den Siebzigern stecke, als ich gerade eben noch dachte 😉 … David Bowie, Black Sabbath, The Clash (London Calling, mmmhh), Janis Joplin (Pearl), Iggy Pop, damals noch mit den Stooges, Lou Reed und Bob Dylan, ferner wenn auch nicht typisch Rock, aber für mich legendär: Patty Smith, Kraftwerk mit der Mensch-Maschine und last but not least eine (weitere) Ikone, Joy Division.

… ich sehe es schon kommen: ich sitze vermutlich heute wieder den Alben Tag und verliere mich in Abwegen, musikalischen dieses Mal, dank der lieben Francesca 😉

Zuerst allerdings widmen wir uns dem Duft, um den es hier geht – Sticky Fingers, der schlussendlich auf meiner Haut gelandet ist …

… hach, was für ein Feuerwerk! Sticky Fingers wird seinem Namen mehr als gerecht, jener opulenten Leidenschaftlichkeit olfaktorischer Natur genauso wie dem duftenden Fingerzeig gen Siebzigerjahre. Sein Charakter ist Rock ’n‘ Roll, keine Frage, und er löst sein Versprechen ein, verströmt jene süchtig machende Aura, die mich wahrscheinlich den Resttag mit meiner Nase milimeternah am Handgelenk kleben lässt …

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Patschuli, erfreulicherweise und erwartungsgemäß alles andere als eindimensional – tief, dunkel, ein Quentchen Erdigkeit muss natürlich sein genauso wie ein Hauch jener Feuchtes-Laub-Anmutung, die ihm eigen ist. Iris mischt hier kräftig mit, erdet erdig und verstärkt jene Pudrigkeit, die dem Patschuli so oft innewohnt. Ein klitzekleines Quentchen Boudoir-Anmutung ist vorhanden, Körperpuder auf warmer Haut, Ihr wisst schon, so wie in jenen sündhaft guten Vertretern wie beispielsweise Histoires de Parfums‘ 1889 Moulin Rouge, der für mich immer noch der schönste dieser Gattung ist neben dem leider recht unbekannten (alten – ich meine, man hat ihn irgendwann reformuliert) Fifi Chachnil. Findet sich in letzterem ordentlich Tabakrauch, brilliert Sticky Fingers zwar auch mit Rauch, allerdings tendiert dieser eher in Richtung Räucherwerk, Räucherstäbchen, gute selbstredend. An dieser Stelle erinnert er an die Siebzigerjahre, deren Wollust, ausgelassene Lebensfreude und Sinnlichkeit sich in dieser wundervollen Duftschöpfung vielerlei Hinsicht Bann bricht – Zimt, scharf und süß gleichermaßen, Koriander, grün-aromatisch und subtil verwoben im Hintergrund, sowie, ebenfalls eher als schmückendes Beiwerk, cremig-würzige Vanille nebst Tonkabohne, die Süße aufgreifend.

Gedanklich bin ich an dieser Stelle bei Nasomatto China White gelandet zwecks des Räucherwerks, bei L’Incendiaire von Serge Lutens, Salome von Papillon Artisan Perfumes, The Infidels von Agonist (discontinued), Holy Champa von Antoine et Lili als auch ferner oder besser entfernt bei Bond No. 9 Chinatown. Während ich noch so sinniere, wandelt sich Sticky Fingers: weg vom Räucherstäbchen, hin zum Tabakrauch, zu rauchige Schwaden, eher kühl, auf geniale Weise kontrastiert von … dem Tier. Denn es geht animalisch weiter, ledrig und animalisch, was mich wiederum an oben genannten Mazzolari erinnert, an den Spalter Lui, den ich so heiß und innig liebe und einmal liebevoll als „Pantherkäfig“ gelabelt habe. Die (Tabak)Rauchnoten sind ordentlich und präsent, das könnte den einen oder die andere an einem Punkt eventuell schrecken (überflüssig zu erwähnen: mich nicht, ganz im Gegenteil), allerdings lohnt es sich auch in diesem Fall, dran zu bleiben – mit der Nase, dem Herz, der Geduld.

Denn nicht viel später wandelt sich Sticky Fingers erneut – und entwickelt noch mehr Suchtpotential als er vorher ohnehin schon besaß … Jetzt ist es um mich geschehen, meine Lieben. Sticky Fingers wabert über die Haut, er gleich insofern Under My Skin als dass er weniger von außen auf die Haut zu kommen scheint als vielmehr von innen aus jener „herauskriecht“, da er auf dieselbe unnachahmliche Art mit ihr verschmilzt. Unbeschreiblich auf eine Weise – zart, iris-patschuli-kakaopudrig-buttrig und zugleich rauchig, tabakrauchig-kokelig als auch raucherstäbchen-würzig-rauchig und von balsamischem, matt-würzig-warmem Sandelholz geküsst. Rockig und genauso „chic“ dank seines charakteristischen als auch charakterstarken Naturells: der Kontrast ist es, der Sticky Fingers ausmacht, der dennoch überaus harmonisch ist als facettenreiches Ganzes. Das ist große (Parfumeurs)Kunst.

Ihr seht oder besser: lest schon – ich bin begeistert, einmal mehr. Daumen nach oben, liebe Francesca, Chapeau! Ich hoffe, Du lässt dieser und den anderen Deiner Düfte noch viele weitere folgen – ich freue mich darauf!

Verzückte Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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