Francesca Bianchis Sex and the Sea …

… beschließt als fünfter Duft (vorerst) unsere Rezensionsreihe im Blog – fünf Tage mit der in Amsterdam lebenden Italienerin, deren Duftkollektion vor einiger Zeit bei uns im Blog gelandet ist. Die ersten vier Rezensionen könnt Ihr hier nachlesen, falls sie Euch entgangen sind – Hintergründe zur Marke sowie Rezension von The Lover’s Tale, Dark Side, Angel’s Dust und Under My Skin. Letzterer hat mich vollkommen umgehauen, ich musste ihn umgehend bei uns im Shop ordern. Die Latte der Erwartungen liegt demnach ziemlich hoch – mal sehen, wie sich der Strandsex heute so macht 🙂

Geklaut auf Francesca Bianchis Instagram-Account

Ananas, Ambra und Salz auf unserer Haut – Sex and the Sea

„This scent is designed to evoke a complex, intimate atmosphere. It’s a combination of coconut sun lotion, a fresh memory of pineapple, a delicate yet troubling note of sunburnt, salty and sweaty skin, slightly suggesting the wild intimacy of an erotic encounter at the seaside.“ – Francesca Bianchi

Kopfnote: Mimose, Ananas, Kokosnuss
Herznote: Immortelle (Italienische Strohblume), Rose, Iris
Basisnote: Sandelholz, Myrrhe, Labdanum (Zistrose), Benzoeharz, Ambra, Zibet, Vanille

Sex and the Sea, nicht Sex in the City, nicht Der alte Mann und das Meer und auch nicht Sex on the Beach, aber fast … Sex and the Sea wurde demnach erschaffen, um eine „intime Atmosphäre heraufzubeschwören: eine erotische Begegnung am Meer.“ Von einer Kombination aus Kokosnuss-Sonnenlotion ist die Rede und einer noch taufrischen Erinnerung an Ananas, darüber hinaus von einer zarten, aber dennoch (oder gerade deswegen?) aufwühlenden Erinnerung an sacht sonnenverbrannte, salzige und verschwitzte Haut … Madame Bianchi zieht erotiktechnisch wieder alle Register, das war ja gestern schon so 😉

Sex and the Sea – Francesca Bianchi

Vom Sex in den Dünen hat sie es, den sie als erotischen Erwachsenentraum bezeichnet, kommt aber umgehend davon ab und erklärt, dass der Duft einen anderen Ursprung hat, eigentlich: Während ihrer Kinder- und Jugendzeit hätte sie viel Zeit am Meer verbracht und eine ihrer intensivsten Erinnerungen an jene Zeit sei der Duft ihrer eigenen, salzig-nassen Haut gewesen, nachdem sie regelrecht süchtig war. Die Zeit an der See fand allerdings irgendwann ihr Ende, da Bianchis Eltern ihr Haus am Meer verkauften, Bianchis weiterer Lebensweg seinen Tribut forderte – Uni, Arbeit, Freunde sowie ihr Umzug in die Niederlande und so weiter und so fort entfernten sie von dieser fast schon heiligen Erinnerung, bis sie vor einiger Zeit wohl eine Creme entdeckte von einer Firma, die wir alle kennen – von L’Occitane, und zwar aus deren Immortelle-Serie. Diese duftet, das räumt auch Bianchi ein, zwar nur sehr dezent nach Strohblume, dennoch rief sie bei Bianchi wohl eben jene verschütteten Kindheitserinnerungen wieder wach.

„Ich muss gestehen, ich hatte das ätherische Öl der Strohblumen in meinem Regal völlig vernachlässigt, nie benutzt und ignoriert. Jetzt roch ich es wie mit neuer Nase.“

Erneut erscheint ihre Herangehensweise hinsichtlich der Schöpfung von Sex and the Sea unkonventioell: Im Zentrum steht ein „besonderer Ambraakkord“, der, wie gestern schon Under My Skin, eher menschlich duften sollte als vielmehr wie für Ambradüfte typisch orientalisch. Dafür bemühte sie Zibet und ein spezielles Ambramolekül, welches mineralisch-salzig duftet. Was es damit auf sich hat und was danach kam, überlasse ich Bianchis eigenen, von Harmen übersetzten Worten:

„Dies war der Ausgangspunkt: ein sonnerverbrannte, schwitzige, salzige Haut – eines der angenehmsten und vielleicht merkwürdigsten Souvenirs in meinem Herzen. Während ich an dieser Idee arbeitete, kamen unvermeidbar auch andere schmutzige Gedanken auf und ich fügte dieser verrückten und doch unschuldigen Idee eine schwüle, sündige, dekadente Fantasie von einer fernen, tropischen, cremigen, klebrigen Haut nach dem Sex hinzu. Dies wird für diejenigen von Ihnen nicht viel Sinn ergeben, die den Duft nicht getestet haben. Glauben Sie mir, Sie können ihn tragen, ohne zu einem Hardcorefilm eingeladen zu werden.

PS: Eine gute Freundin von mir, deren Identität geheim bleibt, bat mich um dieses Parfum, besonders da sie, ich zitiere: „einen Freund finden muss“. Ich mache mir ein bisschen Sorgen, da sie in letzter Zeit mehr Männer trifft, seit sie dieses Parfum trägt, als ich in meinem ganzen Leben.“

Midlife-Crisis, anyone? 😉 Dafür wäre es wohl der richtige Duft – und nicht nur dafür … Liest sich ein bisschen, mit Verlaub, nach einer olfaktorischen Ferkelei, so schmunzele ich gerade in mich hinein. Und denke an eine andere ebensolche, die genauso auf Sonnencreme abzielt (allerdings Ylang im Fokus hat) und ein wenig „dreckig“ rüberkommen soll, was sie auch tut – die Duft-Kooperation von Sven Pritzkoleit und Miguel Matos namens Suntanglam.

https://www.pexels.com/photo/beach-bikini-couple-fun-351127/

Wie sich wohl Bianchis Kindheitserinnerung macht, die der salzigen Haut, in Verbindung mit erotischen Träumereien? Gestern schon erwähnt bei Under My Skin, heute wieder aktuell – Salz auf der Haut ist schon sexy, ich liebe es in einem meiner Liebings-Vetiverdüfte Sel de Vétiver von The Different Company, in dem es allerdings überhaupt nicht sexuell oder erotisch gemeint ist, obschon der Duft für mich eine gewisse Erotik ausstrahlt. Das Panorama, das er zeichnet: See, Strandspaziergang, Alleinsein, allenfalls mit einem Hund. Einsamer Strand mit Dünen, in jedem Fall inklusive Flora, Büschen und Sträuchern, Gräsern, Treibholz im nassen Sand, Schäfchenwolken am Himmel und weit und breit kein Mensch. Salzreste auf der Haut. Caspar David Friedrich in modern, kein Porno.

Ist Sex and the Sea ein Porno im Flakon? Oder zumindest ein Erotikstreifen, ein olfaktorischer?

https://www.pexels.com/photo/sea-nature-sky-beach-136050/

Für mich nicht. Und er vermag es auch nicht, in mir dieselbe Begeisterung zu wecken, wie es gestern Under My Skin tat, was sicherlich damit zusammenhängen mag, dass er auf meiner Haut weit weniger adrett erscheint als auf dem Teststreifen. Ananas, überreife Ananas ist mir auf meinem Arm zu präsent, an einen Cocktail erinnernd, den man vor lauter Dösigkeit oder Abgelenktsein am Strand zu lange in der Hand gehalten oder auf der Bar stehen gelassen hat und der mittlerweile sonnengewärmt und kohlensäurefrei daherkommt. Ananas satt in Kombination mit Kokos, würzig und süß – für jemanden wie mich, der Kokos lediglich im Essen spannend findet und in Flakons diesbezüglich sehr zögerlich agiert, ist das nicht die beste Ausgangsposition, leider. Unsere beiden Früchtchen zeigen sich schon sehr bald sonnenwarm und würzig, was den aus der Basis aufsteigenden Harzen geschuldet ist sowie der cremigen Melange aus Vanille, würziger Myrrhe und balsamisch-warmem Sandelholz. Hier zeigt sich eine gewisse Trockenheit, die für mich sandig duftet, wozu Immortelle – da haben wir sie endlich! – ihr ordentliches Quentchen beiträgt. Das eigenwillige Strohblümchen trägt seinen Teil bei zur Würze und vor allem auch der salzigen Anmutung, die man umso mehr auf der (eigenen) Haut verortet, als dezent animalisch-schwitzig-menschliche Anklänge, die den Duft greifbarer, (haut)naher machen, intim, intimer.

https://www.pexels.com/photo/beach-blur-clouds-dawn-462030/

Im weiteren Verlauf wird auf meiner Haut nun auch die Ananas zahmer, weniger überreif als vielmehr sonnig strahlend eingebettet in die Wärme der Harze, die balsamische Ausstrahlung des Sandelholzes als auch die tatkräftig dessen Würze verstärkende Immortelle. Und – ich vernehme chyprierte Anklänge, allerdings wiederum nur auf meiner Haut, nicht auf dem Teststreifen, der sich insgesamt gefälliger präsentiert, aber auch weniger ausladend.

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Der Duftverlauf hat mich mit Sex and the Sea quasi versöhnt, er erinnert mich etwas an eine modernere Variante von Histoires de Parfums 1804 George Sand – zumindest so, wie ich diesen in Erinnerung habe. Trotz „Kruschteln“ in meinen Parfumschränken und -schubladen habe ich meinen Rest davon nicht gefunden, ergo konnte ich nicht parallel testen. Dennoch denke ich, wer diesen Klassiker mag, ist hier sicherlich nicht komplett verkehrt 🙂

Resümee gefällig? Francesca Bianchis Duftkollektion lohnt sich, sehr sogar. Ich hatte anfänglich schon erwähnt, dass sie, ohne hier bezüglich ihres Stils, ihrer Handschrift einen direkten Vergleich anbringen zu wollen, in der Tradition der zum großen Teil exzellenten Autodidakten-Parfumeure steht – Andy Tauer, Vero Kern, Anatole Lebreton und weitere sind gemeint. Wessen Parfumista-Herz in diese Richtung offen ist, der sollte in jedem Fall testen. Meine „Anspiel-Tipps“ sind mein Favorit Under My Skin sowie Dark Side, die es mir besonders angetan haben, wobei alle fünf Düfte der ohnehin überschaubaren Kollektion einen Blick oder Schnupperer wert sind, definitiv.

In diesem Sinne – ein schönes Wochenende meine Lieben und viele herzliche Grüße

Eure Ulrike, Under My Skin auf der Haut 😉

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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