Atelier Des Ors lässt es krachen …

… und lanciert gleich fünf neue Düfte? Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich die Beschriftungen auf den Pröbchen las. Meistens bekomme ich die Samples gesammelt, wenn genügend Neues im Shop gelandet ist oder demnächst dort eintrudelt, kommt bei mir ein „Sack Buntes“ an. Viele kleine Phiolen, meist abgefüllt und mit kleiner Schrift sorgfältig kenntlich gemacht. Am liebsten „wühle“ ich mich dann erst einmal hindurch und überlege mir, was ich Euch in der nächsten Zeit in welcher Form präsentiere hier im Blog.

Jean-Philippe Clermont – bei FB geklaut 😉

Um Atelier Des Ors war es in letzter Zeit etwas still, ich erinnere mich an Iris Fauve, den ich vor längerer Zeit auf einer der italienischen Messen sah und damals auch ein nettes Gespräch mit dem sehr sympathischen Eigentümer Jean-Philippe Clermont führte. So war es nicht verwunderlich, dass nicht nur ein Pröbchen von Atelier des Ors in meinem neuen Probenpaket war. Ein zweites war schnell gefunden, ein drittes auch … da musste ich nachsehen: Fünf Düfte sind seit Iris Fauve lanciert worden, die nun mehr oder weniger gleichzeitig bei uns und, wie ich meine, generell in Deutschland gelandet sind: Musc Immortel aus 2017 sowie vier Düfte aus 2018, Bois Sikar sowie ein Trio, das eine neue (Unter)Kollektion begründet: The White Collection, bestehend aus Chœur Des Anges, Crépuscule Des Âmes und Nuda Veritas.

Auf den ersten Blick liest sich das … religiös. Der Chor der Engel, die „Seelendämmerung“, wobei „crépuscule“ auch Niedergang, Zwielicht heißen kann … ok, die nackte Wahrheit passt jetzt nicht ganz … oder doch? 😉 Ich bin gespannt …

Alle fünf Düfte schuf im übrigen erneut Marie Salamagne, die auch für die bisherigen Parfums verantwortlich ist.

Iris in Disguise – Musc Immortel

Musc Immortel, der unsterbliche Moschus, verspricht eigentlich, ein Moschusduft zu sein, eigentlich … Genau genommen ist es ein Irisduft, und was für einer. Als solcher ist es nicht die erste Iris in der Kollektion von Atelier des Ors: Aube Rubis war der erste, eine herrliche fruchtige Iris mit Gourmandanklängen, danach kam der nicht minder schöne Iris Fauve, der zwischen Kühle und Wärme oszilliert dank Nagarmotha, Vetiver, Zimt und Myrrhe. Musc Immortel ist also nun die dritte Iris, und zwar eine getarnte. „An extrapolation of Iris Fauve … a deeper and more animalic take“ soll sie sein, wie Ça Fleure Bon Clermont zitiert. Auch ein paar Gedanken der Parfümeurin Salamagne finden sich dort:  “In Musc Immortel, I enhanced the power of Musk with the Immortelle Flower, full of light and almost liquorish. This interpretation of Musk is timeless, as if time had stopped so that we can fully enjoy this disturbingly pleasant state of inebriation.”

Die Ingredienzen: Grapefruit, Muskatellersalbei, Iris, Nagarmotha, Patschuli, Vetiver, Ambrettesamen, Immortelle, Moschus.

Die Ähnlichkeiten mit Iris Fauve in der Wahl der Ingredienzen fallen auf – ich habe allerdings leider gerade keine Möglichkeit, die beiden parallel zu testen, muss mich deshalb auf mein Gedächtnis verlassen.

Musc Immortels Auftakt ist hell erleuchtet – und zwar von der säuerlich-bitteren Grapefruit, die, vor allem im Zusammenspiel mit Vetiver, salzig wirkt (denkt an Sel de Vétiver von TDC). Iris übernimmt alsbald das Ruder, und zwar eine, die vor allem pudrig, würzig und warm ist. Eine kraftstrotzende Iris mit leisen animalischen Anklängen, da hat Clermont nicht zuviel versprochen. Patschuli und Immortelle, jene bisweilen gefürchtete Strohblume, tragen dazu ihr (ordentliches) Quentchen bei. Wer Strohblumen nichts abgewinnen kann, sollte sich nicht von einem Test abhalten lassen – sie ist würzig und gestaltet den Duft mit, zeigt sich aber nicht so alleinig präsent wie häufig. Moschus bereits ein kuschelweiches, samten-skinniges Bett – die Ambrettesamen hat er sich zur Verstärkung mitgebracht, untermalen und bekräftigen sie seine olfaktorische Aussage doch vortrefflich.

Fernand Cormon (1845-1924): „In Erwartung“

Musc Immortel ist – eine Iris. Aber dennoch eben auch ein Moschusduft. Ich sehe ihn an Frauen, aber durchaus auch am männlichen Geschlecht. Und er erinnert mich in seiner animalischen Ausprägung entfernt an … ganz genau: Muscs Koublaï Khan von Serge Lutens.

Männerfreuden – Bois Sikar

Wie viele „Protagonisten“ in der Parfumbranche war auch Clermont vorher in einem anderen Bereich tätig – und zwar hatte er mit Zigarren zu tun, bevor er in der Welt der Düfte landete und seine Marke gründete. So wundert es nicht weiter, dass früher oder später ein Duft auftauchen sollte, der sich dieser Thematik verpflichtet sieht, oder nicht?

Das Motiv: Zigarren, natürlich aus Kuba, ein handgefertigter Zedernholzhumidor aus und Whisky, selbstredend ohne „e“. Kenner (oder besser: Trinker ;)) werden es wissen – mit „e“ kommt er vornehmlich aus Amerika oder aus Irland, der ohne „e“ in jedem Fall aus Schottland. Single Malt … alleine das Wörtchen zergeht schon auf der Zunge, nicht? Herr Clermont scheint ein Fan zu sein und übersandte seiner Parfümeurin Salamagne wohl eigenes ein paar seiner Lieblingszigarren als auch eine Flasche seines Lieblingswhiskys – Lagavulin. Harmen wird jetzt ein „Hach“ entfahren, denn auch er liebt jenen Malzwhisky, der von der kleinen Hebrideninsel Islay stammt. Diese ist ohnehin unter Freunden der edlen Spirituose ein Pilgerziel, den von dort kommen jene torfigen, rauchigen, „rotzigen“ und rauen Whiskysorten, deren einzigartiger Charakter weltweit bekannt und beliebt ist. Es wohnen nur etwas mehr als 3200 Einwohner auf dem kleinen Fleckchen Erde – und es gibt acht Whiskybrennereien, die sich allesamt mehr oder weniger Weltruhm erfreuen können. Auf die Schnelle habe ich keine Angaben gefunden, aber es dürfte anzunehmen sein, dass Islay annähernd Vollbeschäftigung hat – die Brennereien und der Tourismus dürften es richten 😉

Ich persönlich würde ein paar Meter weiter fahren auf Islay und mich für einen Laphroaig oder auch einen Ardbeg entscheiden anstatt für einen Lagavulin – aber man muss mich nun auch nicht gewalttätig zwingen, dass ich einen solchen trinke 😉 Zweifelsohne ein schöner Tropfen, doch, doch … Whiskytrinker unter Euch? Im übrigen habe ich die Geschichte, wie ich zum Whiskytrinker wurde, natürlich auch im Blog festgehalten, lest hier. Und ich muss postwendend an einen anderen Duft denken, der einen ähnlichen Hintergrund hat – an Spirit of the Glen von D.S. & Durga – lest hier.

Zurück zum Duft: Bois Sikar ist also ein tragbares Herrenzimmer, so der erste Eindruck hinsichtlich seiner Inspirationen – fein, das macht mich selbstredend neugierig. Whisky und Tabakschwaden in Düften sind toll und meist viel zu schade, um sie alleine der Männerwelt zu überlassen 😉

Die Ingredienzen: Muskat, Guajak- und Zedernholz sowie andere Hölzer, Styraxharz, Tabak, Vetiver.

Uuuuh … derlei Lautäußerungen meinerseits sind bekanntermaßen ein Qualitätskriterium, sofern sie sich auf Düfte beziehen … WOW! Leder, knackiges Leder. Und zwar Glattleder, strenges, dunkles, genauso wie ein Hauch samtiges Wildleder, beide von allerfeinster Qualität. Rauch, birkenteeriger, eine gewagte und durchaus ordentliche Portion. Da haben wir ihn ja, unseren Whisky, genauer – den Islay-Single Malt! Im Rauch findet sich kein Honig und keine Süße (wie beispielsweise bei Lutens, siehe Chergui oder Fumerie Turque) … oder doch? Immer wieder schillert ein Quentchen hindurch, eine pudrige, balsamisch anmutende, die ich auf das Guajakholz schiebe. Vetiver salzt und Styrax trägt nicht nur zur Rauchigkeit bei, sondern sorgt für einen vollen Körper. Das Herrenzimmer ist somit temperiert, will sagen: Bois Sikar ist kein warmer, „schwüler“ Duft von orientalischer Opulenz, er oszilliert aber im weiteren Verlauf zwischen Kühle und Wärme und hat erstaunlich viele Facetten, wenn man seine Nase weit genug in den gar entzückenden, torfigen Holzrauch hineinhält.

Volltreffer. Bois Sikar wird seinem Anspruch, seiner Inspiration über die Maßen gerecht und ist ein Statement-Duft. Liebe Männer – testen. Ein Charakterduft, der kernig, kantig und dennoch zivilisiert ist, klassisch auf eine Weise und dennoch modern. Wem Naomi Goodsirs Bois d’Ascèse (das herrliche Lagerfeuer! Rezension hier) zu heftig ist, der möge sein Glück mit Bois Sikar versuchen. Der Mann, der sich damit perfekt identifizieren kann, ist bei mir gerne zum Single Malt trinken willkommen 😉

Morgen geht es weiter mit der White Collection – bis dahin alles Liebe und viele Grüße

Eure Ulrike

P.S.: Harmen, Aufgabe für Dich – Bois Sikar testen!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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