… ist neben Hudson River NY eine von zwei Neulancierungen des Hauses, das vor nicht allzu langer Zeit eine Renaissance feiern durfte. Und zwar dank Georg und Christian Blessing, Vater und Sohn, beide erklärte Liebhaber der Marke und deren Signature, welcher denselben Namen trägt.
Nachdem Michael Knudsen, der ursprüngliche Eigentümer der Marke, welcher seinen Duft bis an sein Lebensende selbst produzierte, 2009 im stolzen Alter von 98 Jahren verstarb, verschwand Gravel zuerst vom Markt, sehr zum Bedauern vieler Parfumistas weltweit. Den Blessings gelang es, die Erben davon zu überzeugen, ihnen die Markenrechte zu überlassen, was den Relaunch von Gravel möglich machte.
Gravel war immer wieder Thema im Blog – wer neugierig ist und die bisherigen Artikel noch nicht kennt, seht hier:
- Gravel – eine amerikanische Duftgeschichte findet ihre Fortsetzung: Markenvorstellung und Rezension zu Across the Ocean
- American Dream von Gravel: Rezension zu, exakt, American Dream 😉
- Und, ein Oldie but Goldie – eine Gastrezension von Dr. John King zum gleichnamigen Signature von Gravel aus 2009
Lest Euch, falls Ihr die Geschichte von Gravel noch nicht kennt, bevorzugt den ersten Artikel durch – die Hintergründe zu Gravel sind wirklich sehr spannend 🙂
„Gravel-Düfte sind die Essenz eines ereignisreichen und langen Lebens. Unverwechselbar und charismatisch wie der Gründer Michael B. Knudsen (geb. 1911), der aus Europa über den Ozean reiste (Across the Ocean), um dort seinen amerikanischen Traum (American Dream) zu verfolgen und schließlich das erste Herren-Parfum der USA kreierte (A Man’s Cologne). Sein außergewöhnliches Leben in den Metropolen der USA und seine europäischen Wurzeln haben Knudsen über Jahrzehnte hinweg zu unvergleichlichen Parfum-Konzepten inspiriert.
Das besondere Etwas erlangt jeder Gravel-Cologne-Duft durch die Zugabe von Steinen (engl. Gravel) die über den Reifungsprozess eine warme Farbnote abgeben und den Geruch abrunden.“
Nebenbei erwähnt: ich bin ein großer Fan des Packagings – gefällt es Euch auch so gut? Auf welche Art Flakons „steht“ Ihr beziehungsweise welche treffen Euren Geschmack? Und ist Euch das wichtig, vielleicht auch sehr wichtig, oder, wie in meinem Fall, eher angenehmer Nebeneffekt, weil vorrangig der „Juice“ zählt?
Der Ort, an dem alles begann – 46th Street
„Gravel 46th Street ist eine Reminiszenz an die erste je verkaufte Flasche Gravel. Diese wurde in New York 1957 in der 46ten Straße Ecke Madison Avenue verkauft. Dieses luxuriöse Parfum ist ein intensives, langanhaltendes Dufterlebnis. Es ist geprägt durch betörende dunkle, holzige Noten, die durch Weihrauch, Amber und Moschus jeden sofort in ihren Bann ziehen.“
Kopfnote: Waldbeeren, Birke
Herznote: Hölzer, Jasmin, Nagarmotha
Basisnote: Weihrauch, Ambra, Moschus, Adlerholz (Oud)
46th Street – gemeint sein kann hier nur F. R. Tripler & Co.: in diesem englischsprachigen Artikel finden sich einige lesenswerte Informationen zu dem legendären Herrenausstatter, darüber hinaus hat wohl auch das New Yorker Met Museum einige Exponante in seiner Sammlung, seht hier.
Ich muss mich jetzt doch kurz selbst zitieren, und zwar aus meinem eingangs erwähnten Artikel zu American Dream, in dem ich die Historie von Gravel dargelegt hatte:
„1957 war Knudsens Gravel endlich fertig und verkaufsbereit und er wollte die ersten hergestellten Flakons an einen NBC-Redakteur verschenken – einen Marketing-Grundkurs hätte er wohl mit Bravour bestanden 😉 Allerdings kam er auf dem Weg zum Redakteur an F. R. Tripler vorbei, einem der exklusivsten Herrenausstatter Manhattans und betrat das Geschäft, um seinen Duft anzubieten. Es muss wohl gegen Jahresende gewesen sein, denn man belächelte ihn nur, wie er so kurz vor Weihnachten mit einem derartigen Anliegen kommen könne, man würde jetzt nichts mehr neu ins Sortiment übernehmen war die Aussage – bis sich der Einkäufer für die Drogerieartikel einschaltete, neugierig geworden. Nachdem er Gravel getestet hatte, zog dieser umgehend ein – der Beginn einer langen Erfolgsgeschichte.“
Glück gehabt, würde ich sagen, wobei alleine Glück sicherlich nicht geholfen hätte, wäre Gravel nicht derart gut gewesen. In jedem Fall scheint F. R. Tripler & Co. eine der angesagtesten und „hippsten“ Adressen der damaligen Zeit gewesen zu sein, die Anlaufadresse für shoppingwillige und (gut) betuchte Herren.
Da ich noch nie in New York war, musste ich mir das auf der Karte einmal ansehen, wo genau die 46. Straße liegt und was drumherum so „gebacken“ ist, ob sich heute dort noch angesagte Shops befinden. (Midtown) Manhattan, und zwar ziemlich zentral: dort erstreckt sich die 46. Straße vom Ufer des Hudson River bis zum East River, soweit ich das richtig sehe zu Hell’s Kitchen gehörend sowie weiter südöstlich zu Turtle Bay. Hell’s Kitchen kenne ich zumindest dem Namen nach – Leseratten werden es ahnen, aus der dementsprechenden gängigen Kriminalliteratur.
Der Times Square ist um die Ecke genauso wie das Rockefeller Center, es findet sich allerdings auch einiges Bekanntes direkt in der 46. Straße, so unter anderem das Helmsley Buildiung, ein 1928/29 erbauter Wolkenkratzer. Auf eine weitere Website bin ich noch gestoßen, ob sie noch aktuell ist, kann ich nicht sagen – dort findet sich eine ganze Liste an Lokalitäten, die sich einmal in der 46th Street befunden haben und/oder noch befinden, seht hier. Auf dieser Webste namens Forgotten New York macht sich deren Autor(en) auf historisch-architektonische Spurensuche in New York – sehr spannend, es gibt auch einen reich bebilderten Artikel zu der 46th Street. Etliche schöne Art-déco-Gebäude finden sich unter anderem dort, wie man sehen kann. Auch in der New York Times gibt es einen Artikel zu der 46. Straße, die augenscheinlich trotz ihrer zentralen Lage vom Immobilienboom bis zu einem gewissen Grad verschont geblieben ist. Sie wirkt in der Tat etwas aus der Zeit gefallen mit ihren vielen älteren (für amerikanische Verhältnisse ;)) Häusern, siehe zum Beispiel auch hier in diesem Blog.
So, wie es sich für mich darstellt, hatte die Straße ihre besen Jahre in den Goldenen Zwanzigern bis vielleicht in die Vierziger-, Fünfzigerjahre hinein – weiß da jemand mehr? Diverse Theater und Restauratns gab es dort, Pelzgeschäfte und, siehe oben, F. R. Tripler & Co.. Ein kleiner, vielleicht auf den ersten Blick nicht unbedingt notwendiger Exkurs, macht allerdings den Geist der Straße und der Zeit etwas greifbarer, oder nicht?
46th Street stelle ich mir demgemäß als Hommage an den (modischen Vorzeige)Mann der (damaligen) Zeit vor und gleichzeitig, wie die Beschreibung besagt, als Tribut an jenen Herrenausstatter. Gibt es dergleichen bereits als Duft, in Düften? Abgesehen von der italienischen Marke UÈRMÌ, die sich thematisch der olfaktorischen Umsetzung von Textilien gewidmet hat, fällt mir spontan eigentlich nur Savile Row von Penhaligon’s ein, der der Londoner Straße Tribut zollt, die für ihre Maßschneider für Herrenanzüge bekannt ist. Und natürlich ODIN NY, stimmt – die Duftkollektion gehört zu einem Geschäft für Herrenmode (ich mag die Linie sehr, by the way).
46th Street ist … toll, meine Lieben! An was, an wen erinnert er mich? Cremiges, butterweiches, sattes, kraftvolles und charakterstarkes Glattleder, matt-glänzend und dunkel, vielleicht eine jener genarbten Ledersorten nehme ich wahr, das wärmt, gewärmt wirkt wie von unten glühend auf eine balsamische Weise. Florale Noten, die kunstvoll auf subtil-frische Weise verzieren. Birke und Oud kreieren prägnante Anklänge von Rauch, Zigaretten- oder Zigarrenrauch, kühl, kühn, bitter-holzig kontrastiert, ernsthaft, erhaben. Beerennoten kann ich im übrigen nicht entdecken auf meiner Haut, allensfalls in Ansätzen auf dem Teststreifen – macht aber nichts, mir fehlt keinesfalls etwas.
Meine Herren, in doppeltem Sinne – das ist ein Kaliber! Und alles andere als ein typischer Oudduft, überhaupt ist 46th seinem Charakter nach eigentlich kein Charakter dieser Gattung. Birke(nteer) in der Konzentration findet sich fast nur bei Andy Tauer (Lonestar Memories vor allem), bezüglich der Zigaretten- oder auch Zigarren-Assoziationen kenne ich Derartiges nur von wenigen Düften, eventuell von État Libre d’Orange (Jasmin et Cigarette). Ein Brainstorming fällt mir hier nicht schwer, ich denke, ohne es genauer en detail erklären zu können in Richtung von Düften wie … klar, Tuscan Leather von Tom Ford, Charles Street von Mark Birley, ferner an Etros Gomma und auch an Knize Ten (das Leder, vielmehr dessen besondere Interpretation).
An Frauen kann ich mir den Schöngeist 46th Street nur sehr schwer vorstellen, dafür ist er zu kühl-ledern, genauso wie die beiden letztgenannten. Der Männerwelt allerdings müsste er fast ausnahmslos stehen, ok, nehmen wir vielleicht Teenager aus 😉
Chapeau, äußerst gelungen, was für ein toller Duft!
Bin sehr gespannt, wie es morgen weiter geht mit dem New Yorker Fluss – bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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