Into The Blue – fluo_ral von Nomenclature …

… ist heute Thema – ein Neuling, den ich mir nicht entgehen lassen kann, da das Konzept von Nomenclature überaus spannend ist.

Die Marke existiert seit 2015 und trat an, die „Schönheit der Modernität“ zu zeigen. Wie das, fragt man sich da vielleicht – diese Frage möchte ich mit einem Zitat von der Firmenwebseite beantworten:

„You may not know their names, but you’ve smelled them. In fact, you probably smell of them right now. Without them, your fragrance simply wouldn’t exist.“

Was ist damit gemeint mit denen, deren Namen wir nicht kennen, die uns aber dennoch geläufig sind, ohne die unsere Lieblingsdüfte eventuell gar nicht wären … Die Rede ist von sogenannten Captives. Ich habe sie schon mehrfach erwähnt, jene synthetischen Rohstoffe. Bei den großen Aromastoffherstellern sitzen Riechstoffchemiker, Parfumeure und viele andere, die immerzu bemüht sind, neue Moleküle, neue Duftstoffe zu kreieren. Wie viele davon tatsächlich jedes Jahr entwickelt, erforscht und wieder verworfen werden – keine Ahnung. Einige wenige erfolgversprechende, innovative bleiben aber selbstredend „übrig“ und werden dann von der jeweiligen Firma patentiert. Ich müsste nachlesen, wie lange diese Patente in der Regel gültig sind, ich meine, es waren um die fünfzehn Jahre, irgendetwas zwischen zehn und zwanzig Jahren. Ein solches Captive kann mitunter zu einem großen Erfolg werden, deshalb verlassen Captives als Rohstoffe nie das Haus und werden gehütet wie der eigene Augapfel, um Nachbauten bzw. Kopien zu verhindern. Möchte man als Marke dann einen Duft haben, der ein bestimmtes Captive enthält, muss man zu exakt diesem Aromastoffhersteller und ist damit auch an einen der Hausparfumeure gebunden.

Beispiele gefällig für erfolgreiche Captives? Hedion in Diors Klassiker Eau Sauvage oder auch Dynascon in Cool Water, um nur zwei zu nennen. Natürlich werben die Aromastoffhersteller auch mit ihren Captives – siehe zum Beispiel hier Firmenich mit ihren neuesten Errungenschaften. Bei Wiki gibt es sogar auch einen Artikel zum Thema Captives, lest hier.

Kommen wir zurück zu Nomenclature. Die Marke aus dem Big Apple stellt ausschließlich synthetische Düfte her und rückt jene Captives in den Fokus, das ist ihr Herz – ich hatte darüber bereits berichtet, als wir Nomenclature neu ins Sortiment aufgenommen haben.

In dem Artikel steht auch etwas zu den beiden Eigentümern:

„Hinter Nomenclature stecken zwei Männer, zwei Freunde, Karl Bradl (Aedes de Venustas) und Carlos Quintero. Ersterer ist für die Duftenwicklung zuständig und praktischerweise Parfumdesigner, allerdings kein Parfumeur. Denkt an dieser Stelle beispielsweise an Serge Lutens, dessen Düfte von Christopher Sheldrake entwickelt werden oder an Camille Goutal, die die Linie ihrer Mutter Annick zusammen mit der Parfumeurin Isabelle Doyen weiterführt. Quintero bezeichnet sich selbst als „Renaissance“-Designer, was auch immer das heißen soll, und arbeitete wohl in Italien als auch New York für diverse Duft- und Modeunternehmen als auch Verlage. Bei Nomenclature ist er für das Konzept zuständig.“

Zwei Visionäre, die sich ziemlich gut ergänzen in ihren Fähigkeiten, ihren Ideen, ihrem Stil und ihrem Schaffen, das haben sie bereits unter Beweis gestellt. Mein absoluter Favorit der Marke ist im übrigen (bisher?) efflor_esce, lest meine Rezension dazu hier. Zu faul die Rezension zu lesen? Efflor_esce ist Paradison gewidmet, das basierend auf oben bereits erwähntem Hedion entwickelt wurde und das laut dem Parfumeur Boix-Camps „das engelsgleiche Aroma einer Million Blüten … ein Sturm der Zartheit und Ausströmung“ besitzt – eine poetische Beschreibung, der ich mich vollumfänglich anschließen kann. Testen, meine Lieben!

Heute geht es aber nicht um das Blütenmeer, sondern um den soeben lancierten fluo_ral – Vorhang auf!

Into The Blue – fluo_ral

Geklaut auf der Webseite von Nomenclature
Geklaut auf Nomenclatures Instagram-Account

fluo_ral ist nach eigenem Bekunden der Marke Nomenclature „eine radikale Neuerfindung (in) der aquatischen Duftkategorie“. Die Inspirationsquelle zum Duft ist ein mysteriöses Naturphänomen: der biolumineszente Plankton, der nachts auf den Wellen der australischen Jervis Bay „reitet“ und in surrealem Blau erstrahlt.

A rubbish-less beach, an anomaly
Bristol Point, Booderee National Park von Rianne Vogelnest [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
„Ein Eintauchen in die Bucht der Träume“ – und zwar mit und dank des Captives Calone und der Parfumeurin Nathalie Feisthauer. Calone wurde 1965 von Pfizer entwickelt – und zwar witzigerweise als schmückendes Beiwerk der Beruhigungsmittelforschung:

„Das Molekül erwies sich beim Einatmen als besonders effizient. Auch Parfümeure interessierten sich aus diesem Grund für den Stoff und forschten über zwei Jahrzehnte, um die der Melone ähnliche Meeresnote vollständig nutzen zu können. Das Ergebnis: Die berühmte und ikonische Duftfamilie der 90er Jahre: Aqua-Marine. Calone fiel letztendlich seinem eigenen Erfolg zum Opfer und geriet für zwei Jahrzehnte in Vergessenheit – bis Parfümeurin Nathalie Feisthauer das Molekül mit fluo_ral zu neuem Leben erweckte.“

Glowing in the Dark, im Dunkeln leuchten(d) sollte das Calone, dessen Transparenz Feisthauer mit grünen Noten wohl noch stärker betonte. Rhabarber, Tomatenblätter und schwarze Johannisbeeren zollen dem Vollmond in der Bucht als auch dem geheimnisvollen Planktonschimmern Tribut, während somalischer Weihrauch den ozeanisch-salzigen Effekt nachzeichnet, womit, so das Versprechen, ein Meeresduft wie kein anderer entstanden sein soll …

Was den Plankton angeht, auf den ich nochmals anspielen muss, bevor wir zum Duft kommen – schaut Euch die unglaublichen Videos und Bilder im Netz an bitte, beispielsweise hier. Die Nordlichter des Meeres, genauso schön sind sie mindestens. Hier ein paar wissenschaftliche Hintergründe, falls Ihr Muße habt.

Fluo_ral leuchtet – und zwar metallisch grün-indigo-farben. Extrem Säuerliche, kühle, mitunter fast minzig anmutende Rhabarberfrische in Kombination mit Tomatenblättern, das kennt man aus Aedes de Venustas‘ wunderschöner Rhabarberreferenz, dem ersten Signature des Hauses. Überhaupt erinnert mich fluo_ral entfernt an diesen meinen Liebling, obschon er viel mehr „edgy“ daherkommt, avantgardistischer. Er zeigt Facetten, die ich gerne als „vegetal“ bezeichne, das deutsche Wörtchen „pflanzlich“ trifft es irgendwie nicht wirklich exakt – grün, definitiv „pflanzlich“, ja, dschungelig, aber unterwasserdschungelig, in hellem Smaragd farbig leuchtend, das definitiv ins Indigo tendiert dank der Johannisbeeren, die sich nach kurzer Zeit bemerkbar machen. Herb-fruchtig-saftig verstärken sie die Säuerlichkeit des Duftes, der darüber hinaus eine gewisse verhalten-rauchige Salzigkeit an den Tag legt, die mich tatsächlich an Meeresgischt erinnert.

Frisch, erfrischend, auf eine seltsame (und eben nicht abgedroschene, weil überstrapazierte) Weise fruchtig-aquatisch und hell strahlend ist fluo_ral, der sein diesbezügliches Versprechen in jedem Fall einlöst. Er ist ganz klar unisex und dürfte Freunden von Comme des Garçons, Humiecki & Graef, Andrea Maack und Konsorten sicherlich sehr gut gefallen. Freunde von Bittergrün und Rhabarber genauso wie von Aedes‘ Signature sollten ebenfalls testen, das könnte der neue Frühling/Sommer-Begleiter werden!

Genießt Euer hoffentlich sonniges Wochenende, meine Lieben!

Herzlichst

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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