In Gewittern und an schwarzen Gestaden mit Parfumerie Générale

Potz Blitz! Ein Gewitter fegt über La Réunion, einige dieser wohlriechenden Blitze konnte Pierre Guillaume fläschchenweise abfüllen. Und dann war da noch die Tour zum Mittelmeer.

Seit einiger Zeit begleitet uns schon die Collection Croisière von Parfumerie Générale. Die auf acht Düfte angelegte Kollektion ist nun komplett, Gelegenheit für mich, die noch ausstehenden beiden zu feiern. Ich bin da ganz optimistisch, bewegten sich die sechs Vorgänger bereits auf hohem Niveau – nichts anderes war von Pierre Guillaume zu erwarten. Fleur de Foudre und Rivages Noirs heißen die beiden letzten Kreuzfahrtdüfte, wobei ich gleich mit dem Blütenblitz beginne.

In Blütengewittern – Foudre

Fleur de Foudre oder einfach nur Foudre – der Pressetext erzählt von einem Unwetter über der Insel La Réunion: „Die einfache wie schöne Grundidee war es, den ganz bestimmten Duft einzufangen, den die Champakablüten kurz vor einem Sturm verströmen …“ Man kennt es ja auch im Hochsommer hierzulande, kurz vor einem heftigen Gewitter duftet es ganz besonders und intensiv. Im Indischen Ozean wird es kaum anders sein. Und dann bricht sich das Unwetter Bahn – „auf den Fluren laß die Winde los“ hat es Rilke im Herbst genannt – der Regen peitscht auf die Erde, die Temperatur fällt schlagartig und alles scheint zu zischen und wird vom einmaligen Duft des Regens erfüllt. Champakablüten, ob das etwas für mich ist, ich war ich skeptisch, aber weit gefehlt. Mir war nicht wirklich geläufig, wie die Magnolienart duftet, ich hatte zu Unrecht auf Südseevertreterinnen wie Ylang-Ylang und ähnliche getippt. Eine feine florale Note ist in jedem Fall wahrzunehmen, umgeben aber von pfeffriger, tatsächlich elektrisch geladen wirkender Frische und krautigem Vetiver. Cremig und flauschig von Moschus unterfüttert und von einer delikaten Schwarzteenote veredelt.

FOUDRE

Auch hier gelang das Kunststück, eine Frische zu erzeugen, die mit dem Aquatisch-Frischen der 90er nichts zu tun hat. Würzige Noten, zurückhaltende elegante Blüten und feiner Moschus bilden eine Einheit, die meines Erachtens gar nicht so sehr an tropische Gefilde denken lässt, aber die das Thema Frische und Kühle auf eine neues Level hebt. Und doch sind da auch erdig-grüne Noten, die an die duftende Erde nach einem Regenguss denken lassen, ohne aber zu schwer zu werden. Eine feine, frische Unisexkreation, die beweist, dass frische Düfte auch edel sein können.

Die Duftkomposition
Herznote: Vetiver, Champaka, Pfeffer
Basisnote: Moschus, Schwarztee

An schwarzen Zypressen-Gestaden

Schwarze Ufer, schwarze Küsten – so könnte man den Titel dieser letzten Kreation übersetzen – oder etwas poetischer: schwarze Gestade. „Rivages Noirs“ versetzt uns in eine Nacht am Mittelmeer, wir ankern vor der Küste, man riecht die Zypressen, deren Duft vom Strand herüberweht, wir nippen an einem feinen Single-Malt-Whisky und lassen uns in dieser magischen, vom Mond erhellten Nacht von den Wellen schaukeln.

RIVAGES_NOIRS-dt

Die Duftkomposition
Kopfnote: Melone, Ingwer, Zimt, Safran, Kardamom
Basisnote: Ambra, Zypresse, Zedernholz, Vanille, Eichenmoos

Puh, der erste Schwall, der mit entgegenkommt, ist kräftig melonig – ehrlich gesagt, nichts, was ich unbedingt erwartet habe oder brauchen würde. Diese Note ebbt erfreulicherweise schnell ab und macht einem frischen wunderbaren Zypressenduft Platz, der von zahlreichen Gewürzen flankiert wird. Da haben wir scharfen, spritzigen Ingwer, aber auch nicht minder scharfen Zimt und Kardamom. Danach werden die scharfen Noten milder und sinken in eine holzige und ambrierte Basis hinab, ohne in ihr aber gänzlich unterzugehen. Ich hatte ja ein wenig auf eine Whiskynote gehofft, nur finden kann ich diese nicht – außer man betrachtet die Holznoten als Holzfassanleihen. 🙂 In der Tat bleibt die scharfe Note auch nach längerer Zeit erhalten, kein kurzlebiges Kopfnoten-Strohfeuer also.

Hier haben wir es mit einer frischen und Mittelmeer-inspirierten Kreation zu tun, die sich ebenfalls deutlich vom Mainstream absetzt. Ergänzen würde ich noch, dass der Duft nicht ganz so tiefenentspannt wirkt, wie es die oben genannte Szenerie vermuten lässt, denn die scharfen und würzigen Zypressennoten besitzen durchaus auch eine dynamische und spritzige Seite. Ich würde, sagen es ist Dämmerung, ein festlicher Abend am Strand steht bevor und die Vorfreude steigt.

Das Fazit zur Collection Croisière: Die selbstgestellte Aufgabe, die Duftfamilie der aquatischen Düfte neu zu erfinden ist durchaus gelungen. Pierre Guillaume zeigt interessante und kreative Ansätze, sich diesem Thema auf neuen Wegen zu nähern. Mein persönlicher Favorit ist vielleicht der ungewöhnlichste Duft der Reihe, der sich thematisch auch weitesten vom Aquatischen wegbewegt: Métal Hurlant. Ohnehin wird die Eigenschaft „aquatisch“ hier weit gefasst. Es geht um Wasser, Meerwasser, Regen, Luftfeuchtigkeit, Pflanzensaft, Wolken, Blütennektar, die Tropen, den Regenwald, Wind und eben Gewitter, Sturm, aber auch mediterrane Küstenstreifen. Überspitzt gesagt: Hier wird nicht das „Cool Water“ in weiteren acht Schattierungen neu aufgekocht, das haben andere zur Genüge getan. Guillaume nähert sich dem Thema ganz frei aus unterschiedlichen Richtungen, ohne sich allzu enge Genregrenzen zu setzen. Dabei kommen Düfte heraus, die man nicht unbedingt alle als aquatisch kategorisieren kann, aber diese künstlerische Freiheit erlaubt eben auch ganz neue Perspektiven. Ich bin begeistert, da ich auch unkomplizierte und weniger verkopfte Kreationen sehr zu schätzen weiß.

Die bisherigen Artikel zur Collection Croisière findet Ihr hier:
Ciel et Mer und Jangala
Long Courrier und Paris Seychelles
Métal Hurlant und Mojito Chypre

Welcher hat Euch am besten gefallen?

Liebe Grüße
Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert