Über eigenartige Duftvorlieben …

… habe ich mir in letzter Zeit häufiger den Kopf zerbrochen. Anlass dazu war, dass ich mich neulich mit einer netten jungen Dame unterhalten habe, die mir, als wir uns über meinen Job unterhalten haben, irgendwann fast verschämt von ihrem Duftwunsch erzählte: Sie hätte liebend gerne einen Duft, der nach Regen riecht. Genauer – nach dem soeben gefallenen Regen, der durch ein Gewitter ausgelöst wurde. Sehr gerne in der Natur, noch besser aber in einer Großstadt. Die Regenreste auf Asphalt – im Sommer. Verwundert nahm sie zur Kenntnis, dass ich einen solchen Duft auch sofort würde haben wollen. Denn ich liebe es selbst, diese Aura, die einem Gewitter vorausgeht. Die Atmosphäre, die olfaktorische, die ein Platzregen hinterlässt. Draußen im Grünen. Aber auch in der Stadt – auf durch die Sonne aufgeheiztem Asphalt.

Winter puddle

Pavlina Jane „Winter puddle“ via Flickr – CC BY-SA 2.0

Noir Streets, corner

Kristaps Bergfelds „Noir Streets, Corner“ via Flickr – CC BY 2.0

Ich konnte zu der Stadtimpression leider keinen Duft empfehlen, aber was das Gewitter im Allgemeinen angeht, habe ich sie auf die beiden Düfte von Calé Fragranze d’Autore aufmerksam machen, die ziemlich genau das zum Thema haben: Vor dem Gewitter – Roboris, Rezension siehe hier – und nach dem Gewitter – Fulgor, Rezension siehe hier.

Lightning over Madison, WI 07-21-2013 571

Richard Hurd „Lightning over Madison, WI 07-21-2013 571“ via Flickr – CC BY 2.0

Das hat mich zum Sinnieren veranlasst und ich habe über die unterschiedlichen Duftwünsche nachgedacht, die mich die letzten Jahre über den Shop oder auch direkt über das Dufttagebuch erreicht haben. Ich glaube, die schwierigste Anfrage war die nach einem Parfum, das nach Artischocke duftet, nach frischer Artischocke. Damals habe ich extra frische Artischocken gekauft, da ich sie meist bereits eingelegt in Verwendung habe. Einen, ziemlich genau einen Duft kenne ich, der eben dieser gewidmet ist – es ist Sinfonia di Notes Saveur d’Artichaut. Ansonsten habe ich auf Düfte mit Anklängen von trocken-würzigem Heu zurückgegriffen – im übrigen auch ein Dauerbrenner, der immer wieder nachgefragt wird: Heunoten in Düften. Tilleul von d’Orsay präsentiert eine wunderschöne ebensolche. L’Artisan Parfumeurs L’Été en Douce hat zarte Heuanklänge zu bieten genauso wie L’Essence de Mastenbroeks Eau de Polder, den wir leider nicht mehr im Sortiment haben. Letzterer offeriert auch Gras satt – schon wieder solch ein Geschichte!

Hay Bales, Wolverhampton

Jonathan Stonehouse „Hay Bales, Wolverhampton“ via Flickr – CC BY 2.0

Gras, der Duft nach frisch gemähtem Gras – das sollte eigentlich nicht schwierig sein, ist es aber doch. Ich habe in all den Jahren noch nicht wirklich viele Düfte gefunden, die dominant danach riechen – nach frisch geschnittenem Gras und nur danach. Villoresis Yerbamate bildet eine blühende Wiese mit Gras und Kräutern ab samt einem Quentchen Heu, wird im weiteren Verlauf dann aber, zumindest auf meiner Haut, ziemlich pudersüß. Comme des Garçons‘ Calamus aus der Series 1 kam dem ziemlich nahe, zielte aber mehr auf Bambus denn auf Gras und ist mittlerweile wohl nicht mehr erhältlich. Dafür ist Serpentine von demselben Label einen Grastest wert. In Petite Chérie von Annick Goutal finden sich neben der Birne auch schöne Grasnoten. Guerlains Acqua Allegoria Herba Fresca wird in diesem Atemzug immer wieder genannt und ist unbestritten toll – hat aber auch eine Minznote, die nicht jeder haben möchte, der Gras sucht. Verde di Kent von Anna Paghera, den ich hier vorgestellt habe, ist in jedem Fall eine neue Antwort auf die Frage nach einem Grasduft. Und auf Nouveau-né von Humiecki & Graef darf man sich ebenfalls freuen (er erscheint im, ich glaube September): Eine in zartes Honigwasser getauchte Kräuterwiese im Sommer. Original Vetiver von Creed wird von vielen ebenfalls favorisiert als Grasduft, ist aber oftmals auch ein Treffer, wenn man nach ganz anderem Sucht, nämlich dem Duft von Sonnencreme beziehungsweise von mit Sonnencreme eingecremter Haut.

Grass

Pawel „Grass“ via Flickr – CC BY 2.0

Die von mir schon hin und wieder erwähnte Demeter Fragrance Library ist eine sehr gute Option, wenn man spezielle „Gerüche“ sucht. Ja, die Düfte sind synthetisch. Und auch nicht unbedingt das, was man unter einem „Parfum“ versteht mit pyramidalem Aufbau. Aber wer sich nach bestimmten Gerüchen sehnt, nach Besonderem – der wird dort in vielerlei Fällen fündig.

Harmen hat vor einiger Zeit bereits einmal in seinem Eau de Bratfett-Artikel einige der absonderlichsten Düfte aus der Library herausgesucht – seht hier. Demeter befriedigt mit seinem Repertoire aber auch einige wirklich häufige Sehnsüchte: Den Duft von Regen – Rain -, von Schnee – Snow -, von Gras – Grass -, von Sonne – Sunshine -, von Bienenwachs – Beeswax -, von Heu – Hay -, gerne auch mit dem ganzen Stallgeruch samt Tier – Stable.

Zwei Düfte finden sich bei Demeter, die ich noch nicht unter meine Nase klemmen durfte, die aber eine meiner sonderlichen Sehnsüchte erfüllen dürften – Fireplace und Bonfire. Ich liebe den Duft von Lagerfeuer. Und selbstredend auch die Vorstellung, das Bild. Diesbezüglich habe ich meinen Holy Grail schon gefunden und bin Naomi Goodsir dafür sehr sehr dankbar – Bois d’Ascèse. Lagerfeuerromantik auf meiner Haut – etwas, das ich überaus gerne für mich alleine genieße. Meine Rezension dazu könnt Ihr hier nachlesen.

Bonfire - Emits Sparks

Adam Wyles „Bonfire – Emit Sparks“ via Flickr – CC BY-ND 2.0

Einige Duftsehnsüchte und -vorlieben, über die ich hin und wieder im Netz stolpere oder von Bekannten höre, kann ich so gar nicht nachvollziehen, die da wären:

  • Baby/Babypuder – Wieso möchte man, vielmehr: Frau nach Baby riechen oder nach Babypuder? Babys riechen unbestritten gut – wenn sie die eigenen sind und ziemlich sicher auch, wenn man ein großer Babyliebhaber ist. Aber das heißt doch nicht, dass man als erwachsene Frau danach riechen muss? Ich empfinde diese Vorliebe irgendwie als … befremdlich. Und, wenn ich mir an dieser Stelle schon den Westentaschenpsychologen oder Hobby-Freud zu spielen verkneife, dann möchte ich doch zumindest anmerken, dass ich es ziemlich unsexy finde.
  • Sauber/Frisch aus der Dusche oder Waschmaschine – Ok, zugegeben: Als Raumduft kann ein Duft nach frischer Wäsche, vielleicht frischem Leinen, ziemlich nett sein, vor allem wenn es noch Hintergrund-Klimbim dazu gibt (Lavendel, der direkt vor dem offenen Fenster des alten Bauernhauses wächst, in dem man gerade Urlaub macht und am späten, sonnigen Vormittag erwacht ist blabla). Aber Sauber-Riechen als … Statement? Ich bin – sauber. Dazu brauche ich keinen Duft. Zumal die meisten dieser Düfte bei mir eben oft gleich das Kopfkino anwerfen: Synthetischer amerikanischer Weichspüler, von dem ich dann ganz schnell bei weichgespülten gleichgeschalteten Klonfrauen/männern bin, die irgendeinem übergeordneten Zeitgeist-Schönheitsideal entsprechen. Und dann denke ich daran, dass man(n) und ganz besonders auch Frau heute CLEAN sein muss: Kein Härchen darf das Bild trüben, keine Hautunreinheit vorhanden sein, man darf nicht riechen, nicht schwitzen und lässt sich rundum tunen: Botox, Filler, Silikon, andere Schnippeleien und zur Not auch ein Analbleaching (ja, das gibt es wirklich). Perfektion und Artifizialität statt Körperlichkeit, Menschlichkeit. Soviel zu meiner ganz persönlichen Assoziatonskette.
  • Aquatische Düfte, typische Vertreter – Baby, Cool Water war 1988! Unbenommen – ein damals innovativer Duft, der die ganze Duftfamilie quasi im Alleingang erfunden hat. Ein Meisterwerk. Aber – eines, das sich definitiv überlebt hat. Knapp 30 Jahre später muss das nun wirklich nicht mehr sein, oder?
  • Kondensmilch – Bah, bah und nochmal bah! Fand ich schon immer gruselig im Kaffee – und heute trinke ich ohnehin nur noch Tee. Aber auf der Haut? Uuuuhhh …
  • Kaugummi – Zugegeben: Tuberose spendiert hin und wieder Kaugummianklänge. Und in Fracas von Piguet sowie in einigen anderen monothematischen Tuberosen duftet das auch ganz hinreißend. Aber – ernsthaft? Ein Duft, der nach Juicy Fruit riecht?
  • Eierlikör/Eierpunsch – Ich habe meine Omas beide leider nicht mehr kennenlernen dürfen, bin mir aber ziemlich sicher, dass sie keinen Eierlikör im Schrank hatten. Und selbst wenn – die Zeit des Eierlikörs ist wirklich um. Was das Renommee angeht, rangiert dieser in meiner Wahrnehmung ungefähr auf einer Liga mit den hübschen Weinbränden und Schnäpsen, die im Supermarkt direkt neben der Kasse aufgebahrt auf Arbeiter und Alkoholiker warten. Mal abgesehen davon, dass für die Eierversorgung der Konsumenten jeden Tag Hunderte, vielleicht gar Tausende männliche Küken geschreddert werden … Nach eierlikörhaltigen Getränken kann doch nun wirklich niemand duften wollen, oder?

Und jetzt seid Ihr dran: Welche Duftsehnsüchte hegt Ihr? Wurden sie bereits erfüllt? Welche Düfte oder Duftwünsche findet Ihr absonderlich oder gar abartig? Ich bin wirklich sehr gespannt!

Ein schönes Wochenende und viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. 19. Juni 2015
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    ea gibt doch den ehemaligen New Yorker Taxifahrer, der aus Notwehr gegen die typischen Parfüms ‚I Hate Perfume‘ gegründet hat. Der hat genau DIE Düfte, die du beschreibst! Waldboden nach Regen, Asphalt nach Sommergewtter, der alte Schuppen im Garten. Grandiose Nasenbilder. Keine Ahnung, ob die Marke noch existiert, aber die tollen Düfte von Andrea Maack, die mit ‚Coven‘ auch einen Gras-Regen-Heuduft hatte, scheint es nicht mehr zu geben 🙁

    LG
    Angi

  2. Margot
    19. Juni 2015
    Antworten

    Hallo Uli,
    huch! Heute ziehst Du ja ganz schön vom Leder 🙂
    Zum Thema Gras: Auf den Humiecki & Graef warte ich auch schon sehnsüchtig! In meinem ersten Jahr bei euch im Shop hab ich mir damals von People of the Labyrinths Luctor et Emergo mitgenommen (heute bei euch auch nicht mehr gelistet) in meiner Erinnerung perfekt!
    Clean: Weichgespült – Nein danke! Allerdings gibt es schon den einen oder anderen Duft in dieser Richtung, die einfach das SELBST unterstreichen.
    Und zu den „wehenden Vorhängen mit möglichst Lavendel vor dem Fenster blabla“ fällt mir ein, dass wir doch einmal Vetiver-Vorhänge knüpfen/weben/what ever wollten 😀 Zu welchem Duft war das noch mal?
    Aquatisch: Die neue PG Crosaire Linie?
    Bei Milch bin ich ganz bei Dir. Egal ob warm oder als Kondensmilch. Das will ich nicht auf meiner Haut.

    @Angi: „I Hate perfume“ gibt es immer noch!

    LG, Margot

  3. Harmen Biró
    19. Juni 2015
    Antworten

    Uli beim Knüpfen von Vetiver-Vorhängen, das will ich sehen! 😀

  4. Avatar photo
    Ulrike Knöll
    29. Juni 2015
    Antworten

    Huhuu Ihr,

    @ Angi: CB I hate hat einige sehr schöne Düfte, die Stimmungsbilder einfangen, yep! War da nicht auch dieser alte Moderkeller, der mich irgendwann mal so faszinierte? Wie hieß er doch gleich … Aber – ich muss Margot recht geben, ich meine auch, dass es die Marke noch gibt … Google hilft: Yep! Aber ich weiß immer noch nicht, welches mein Keller war.

    @ Margot: Ooooh, ja, der Luctor et Emergo, der ist toll! Und ja, es gibt in der Tat auch einen Sauberduft, den ich mag – Carrière von Gendarme. Die Vetivervorhänge, hach ja … aber zu welchem Duft war das? Ich habe echt keine Ahnung mehr. Die Vorhänge würde ich aber immer noch nehmen 😀

    @ Harmen: Seitdem ich Weihnachtspräsente für meinen Katzenverein filze, ist die Bastelwelt vor mir nicht mehr sicher 😀

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

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