Für echte Kerle beiden Geschlechts: Montale – Aoud Cuir d’Arabie

Die Älteren unter uns erinnern sich an Ulis Artikel „Die Krachledernen Teil 2“ vom März 2010. Dort war u. a. von Montales „(A)Oud Cuir d’Arabie“ die Rede, ein Duft, bei dessen Noten mir schon das Wasser im Munde zusammenläuft: Kopfnote: Adlerholz (Oud); Herznote: Leder, Rauchige Noten; Basisnote: Tabak, Birke. Schaue ich dann noch auf die Empfehlung „Für Freunde von“ und finde dort TauersLonestar Memories“, den bereits von mir besprochenenYatagan“ von Caron sowie meine persönliche NeuentdeckungAoud Leather“ – was will ich eigentlich mehr?

Uli hatte in ihrem Artikel in ganz positivem Sinne von einem wahrhaften „Stinker“ geschrieben – und was auf den ersten Blick wenig schmeichelhaft erscheinen mag, trifft voll zu. Ein großartiger Duft, darf ich schon verraten, der sicherlich aus gutem Grund die Geister scheidet. War „Aoud Leather“ zwar auch ein echter Kracher, aber mit kultiviertem Gestus, so habe ich mit „Aoud Cuir d’Arabie“ seinen bösen Zwilling auf dem Tisch liegen. Apropos auf dem Tisch liegen. Was dem einen oder anderen Verächter dieses Duftes sicherlich bitter aufstoßen dürfte, sind die kräftigen medizinischen Noten, die, so sicher wie das Amen in der Kirche, vom Adlerholz stammen.

Bark powder

Wer wie ich einmal im Krankenhaus arbeiten musste oder gar behandelt wurde, kennt den bitter-scharfen Geruch von Desinfektionsmitteln und allerlei Chemikalien. Keine schönen Assoziationen, aber das war ja noch nicht alles. Leder ist der zweite Protagonist, der die Zügel in der Hand hält, aber bitte kein weiches, geschmeidiges Leder: ich stelle mir hier eher einen grobschlächtigen Arztkoffer aus dem 19. Jahrhundert vor, aus einem derben, tiefnarbigen Leder, das wiederum von ungelenk schiefstichig genähten Kanten und einer zerkratzten Chromschließe zusammengehalten wird. Vorsintflutliche Spritzen mit mächtigen Kolben, großzackige Sägen, die sicher auch die härtesten Kerle nur durch deren Anblick zum Singen bringen würden, und bizarre Glasfläschchen mit nutzlosen Wunderpülverchen müssten sich in diesem Koffer befinden.

Blood

Auf der Haut zeigt unser arabisches Leder einige überraschend neue Seiten, der reine Krankenhausflurgeruch weicht einem nicht minder aufwühlenden Bild, mag man nun ein wenig an Tierisches, Blut und Mullbinden erinnert werden, Gummi- oder Plastikschläuche gesellen sich hinzu, und ich verstehe nun weitaus besser, was manch einen so gegen diesen Duft aufbringt.

spritsi

Wichtig zu erwähnen ist aber, dass die Assoziationen stets abstrakt bleiben, da ist nichts Ekliges oder Widerliches, es ist eher wie ein Bild aus der Ferne, das einen wohligen Schauer über den Rücken jagt, ohne aber offensichtlich und eindeutig zu werden. „Aoud Cuir d’Arabie“ ist absolut kein Konzeptduft für Hartgesottene, sondern durchaus tragbar und durch seine Oud- und Lederdominanz – wer diese zu schätzen weiß – auch vollkommen tragbar.

Diese Einschätzung wird durch den weichen Ausklang des Dufts unterstrichen. Nach und nach verschwinden die ätzend-medizinischen Noten, das Leder wird zunehmend gefügiger, ohne aber seinen charakteristischen Duft gänzlich zu verlieren.

Wer hätte das gedacht, ich zähle mich ab jetzt ganz offiziell zu den Freunden des Adlerholzes und bin neugierig, was ich noch im Hause Montale für mich entdecken kann.

Liebe Grüße – lasst uns heute mit der Knochensäge eine Zigarre köpfen! 🙂
Eure Duftpraxis Dr. Harmen Biró

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

2 Kommentare

  1. Margot
    10. Juni 2012
    Antworten

    Hsllo Harmen,

    ich find Oud cuir d’Arabie ja auch genial! Und Deine Beschreibung passt exakt! Es hat eine weile gedauert bis ich mich mit ihm anfreunden könnte, da es quasi meine erste Begegnung mit Oud war (dank Uli 🙂 )
    Ihn zu tragen hab ich mich noch nicht getraut, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ganz allein für mich halt ich ab und zu meine Nase dran und ergötze mich an diesem Duft. Ich übe und werde meine Probe öfter mal an mir testen.

    Und, wen wundert’s, dass wenn von Oud die Rede ist ich mir immer etwas in dieser Richtung vorstelle und mir auch immer dieses tiefe, dunkle wünsche, ich mit Düften, in denen Oud nur unterschwellig wahrnehmbar ist bzw. nur verwendet wird um den übrigen Duftgesellen etwas mehr Tiefe zu verleihen, ich mit diesen quasi Leichtgewichten nicht wirklich etwas anfangen kann? Das Oud cuir d’Arabie Erlebnis hat mich daher schon irgendwie geprägt, was meine Vorlieben anbelangt 😉

    Schönen Sonntag und LG,
    Margot

  2. Harmen
    11. Juni 2012
    Antworten

    Hallo Margot,

    der Geselle hat mich wirklich begeistert. Ob man ihn seiner Umwelt antun möchte, sollte man lieber im Einzelfall entscheiden 🙂

    Ich hab hier noch ein paar Montales liegen, da muss ich jetzt einfach dranbleiben 😉

    Liebe Grüße
    Harmen

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