Der schwarze Schwan…

…, ein Weib im übrigen, ist laut dem Pressematerial von Amouage ein…

… Teil unserer Identität und verkörpert zwei miteinander in Widerspruch stehende Seiten. Der schwarze Schwan symbolisiert die dunkle Seite in jedem von uns. Sie ist das Alter Ego des Flaneurs – er ist er und sie ist er. Sie und er existieren als Einheit. Sie bilden des anderen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab. Sie teilen Freud und Leid des anderen und existieren doch getrennt voneinander. Reine Schönheit ist vergänglich. Das Dunkle, das Geheimnisvolle und das Unaussprechliche – darin liegt die Schönheit der Wahrheit, die dauerhaft fasziniert.

Faszination an Abgründen vermochte natürlich auch Baudelaire aufzubringen, dessen Gedicht Le Cygne, der Schwan, das Duftduo Memoir aus dem Hause Amouage gewidmet ist. Gestern hatte ich bereits den Damenduft vorgestellt, heute folgt nun die Herrenvariante. Die Ingredienzen: Kopfnote: Absinth, Wermut, Basilikum, Minze; Herznote: Rose, Weihrauch, Lavendel; Basisnote: Sandelholz, Vetiver, Guajakholz, Ambra, Vanille, Moschus, Eichenmoos, Leder, Tabak.

Die Parfumeurin von Memoir Man ließ mich schon bei der ersten Ankündigung des Duftes aufhorchen: Karine Vinchon-Spehner, jene, der wir bereits L’Artisan Parfumeurs Eau de Jatamansi sowie den einmaligen Cœur de Vétiver Sacré verdanken als auch Opus II für Amouage.

Im Auftakt dominiert dunkelgrüne Minze, die in ihrer samtenen Pfeffrigkeit einen perfekten Gegenpol zu den anderen Noten einnimmt und diese ausbalanciert: verwegener und kokett-verführerisch schillernder, Abgründigkeit verheißender Absinth, grün-aromatische Krautigkeit, welche von rauchiger Holzigkeit überlagert und von ernst-würzigem Lavendel unterstrichen wird. Eichenmoos und Tabak verstärken die rauchigen Tendenzen im Laufe des Duftes noch, der von einer ambrierten Wärme getragen wird, welche von kräftig-bestimmten Ledernoten abgerundet wird.

Memoir Man ist eine interessante, da moderne und zeitgemäße Umsetzung jenes klassischen Fougère-Themas. Und wenn ich mir es so recht überlege, gab es bis auf wenige Ausnahmen die letzten Jahre fast keine (guten) Vertreter jener altehrwürdigen Duftfamilie – ausgenommen natürlich drei meiner Meinung nach alle einzeln als Meisterwerk zu bezeichnende Düfte: Opus III Duchaufours Sartorial für Penhaligon’s sowie Nicolaïs Patchouli Homme. Für einen weiteren Fougère war demnach in jedem Fall noch Platz – und Vinchon-Spehner hat mit diesem Exemplar hier ebenfalls ganze Arbeit geleistet, Chapeau!

Aber kommen wir nochmals auf den Schwan zurück: Jener drückt nämlich in der gängigen Literatur zwei Seiten derselben Medaille aus – einerseits die der Macht in Form von Gefahr, Gefährdung durch seine Krallen und seinen Schnabel und andererseits auch die der Ohnmacht in Form des eigenen Gefährdetseins durch Bedrohung von außen, wo wir wieder bei dem Göttlichen und dem Diabolischen von gestern wären, das in Tschaikowskys Schwanensee ganz offensichtlich wird in Gestalt der weißen und der schwarzen Schwanenkönigin.

An dieser Stelle komme ich nicht umhin Euch noch einen Film ans Herz zu legen – Black Swan von Darren Aronofsky, einem meiner Lieblingsregisseure und mit seinem jetzigen Meisterwerk heißer Oscaranwärter.

Mit dieser Mischung aus Drama, Persönlichkeitsstudie und Mystery um eine aufstrebende junge Primaballerina, die von dem ehrgeizigen Wunsch nach Perfektion und Karriere getrieben ist, greift Aronofsky alle Motive des Schwans und auch einige des Baudelaireschen Schwans auf und kleidet sie in eine mitreißende fiebernde Ästhetik, die durch das hervorragende Spiel von Natalie Portman geadelt wird.

Ein wunderbarer Film – habt Ihr ihn schon gesehen? Und kennt Ihr die beiden Amouage-Düfte auch schon?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Black Swan von Nicolas Raymond via stockxchng, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie Amouage Memoir Man in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Christian
    16. Februar 2011
    Antworten

    Liebe Uli,
    Danke, jawohl, Sartorial ist ein Meisterwerk, schön das von Dir hier zu lesen! (habe ein wenig die Befürchtung, dass dieser Penhaligon’s im letzten Jahr etwas untergegangen ist, vielleicht täusche ich mich aber auch)

    Beim hier besprochenen Memoir Man bin ich nicht ganz so sicher, er startet bei mir seeehr schön, läßt dann aber relativ rasch an Spannung nach und wird ein klein wenig austauschbar, erinnert mich z.B. sehr an einen meiner Lieblinge von gaaanz früher: Romeo von Romeo Gigli (ob der heute noch so riecht wie damals, keine Ahnung, war glaube ich lange vom Markt verschwunden) aber auch an den Taste of heaven von Kilian, meinem Favoriten aus dieser Reihe. Aber auf jeden Fall einen Test wert, der Memoir!!

    • Ulrike
      20. Februar 2011
      Antworten

      Hallo lieber Christian,

      Dich erinnert er an Taste of Heaven? Dann muss ich mir den alsbald nochmals zu Gemüte führen. Finde Memoir Man auch ziemlich schön, bei mir wird er als Fougère aber definitiv von anderen getoppt – u.a. durch Sartorial, den ich demnächst noch rezensieren werde sowie durch den in meinen Augen wirklich göttlichen Opus II.

      Viele liebe Grüße zurück,

      die Uli.

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