Dem Motiv des Schwans…

… sind sie gewidmet, die beiden mittlerweile nicht mehr ganz neuen letzten Düfte Memoir Man und Memoir Woman des Hauses Amouage aus dem Oman, genauer: dem Baudelaire-Gedicht Le Cygne, der Schwan. Jener Poète Maudit scheint wieder Konjunktur zu haben, hatte sich doch bereits Ben Gorham seiner mit einem Duft angenommen. Auch Serge Lutens unterlässt es in so gut wie keinem Interview auf seine Liebe zu dessen Werk hinzuweisen, dass ihm als unablässige Inspirationsquelle gilt.

Charles Baudelaire, ich zitiere mich mal selbst, –

… ein verfemter Dichter und verkanntes Genie zu Lebzeiten. Ein Oscar-Wilde’scher Dandy im Paris des 19. Jahrhunderts als Teil der dortigen Avantgarde und Bohème, zeitlebens tingelnd und taumelnd als Flaneur, Literaturkritiker, Redakteur, niemals in nur einem Metier tätig und – immer auf der Suche. Auf der Suche nach Schönheit und Idealität – und, natürlich, sich selbst.

Mit seinem Hauptwerk, den Fleurs du Mal, auf deutsch: die Blumen des Bösen wurde er weltberühmt – posthum versteht sich. Und gilt als einer der französischen Lyriker überhaupt, zudem noch in puncto Literatur als Wegbereiter der europäischen Moderne.

Baudelaires Leben sowie seine Fleurs du Mal inspirierten Amouage zu ihrem Duftduo Memoir: Der Flaneur, der als stiller Beobachter in den Untiefen der Großstadt auf der Suche ist nach – Identität, nach Sinn. Und das Leben dafür in sich aufsaugt wie eine Droge – Realität als Droge und Drogen als Realität. Absinth- und opiumgeschwängerte Suche nach dem Selbst. Ein Verlieren – und vielleicht auch ein Sich-Finden, irgendwo da draußen durch das Außen zurückkehren in die eigene Mitte, erstmalig.

Und der Schwan? Der ist in seiner Bedeutungsträchtigkeit prädestiniert als Symbol für diese Suche, steht er doch seit je her einerseits für Unschuld und Reinheit, für Loyalität und Treue, für Schönheit, aber auch Eitelkeit. Und dann für Metamorphosen jeglicher Art, man denke nur an Leda und Zeus, der sich ihr in Gestalt eines Schwans nähert und sie hernach schwängert oder auch an den Schwanengesang, jenen für das letzte Werk eines Künstlers geprägten Begriff. Dieser geht wie Wiki weiß auf…

„… einen alten griechischen Mythos zurück, der besagt, dass Schwäne vor ihrem Tode noch einmal mit trauriger, jedoch wunderschöner Stimme ein letztes Lied anstimmen. In einer Fassung dieses Mythos wanderte Kyknos in einem Pappelhain am Ufer des Flusses Eridanus, den Tod seines treuesten Freundes Phaëton betrauernd. Da hatten die Götter Mitleid mit ihm und verwandelten ihn in einen Schwan aus leuchtenden Sternen. Bevor Kyknos aus Trauer über den geliebten Freund starb, sang er auf jene von keinem anderen Gesang an trauriger Schönheit übertroffene Weise. In Phaidon erklärt Sokrates den Gesang der Schwäne mit deren Vorkenntnis des Guten in der Unterwelt.“

Dem Göttlichen ganz nahe ist er also, der Schwan, gleichzeitig aber auch dem Diabolischen nicht ganz fern, wie sich in Tschaikowskys Schwanensee zeigt.

Ein mächtiges Erbe, dass die beiden Düfte insofern auf ihren olfaktorischen Schultern ruhen haben ob ihrer kraftvollen Vorbilder. Aber allein der Name Amouage lässt hoffen – an Komplexität hat es den Düften des Hauses ja wirklich noch nie geschadet.

Memoir Woman hat folgende Ingredienzen: Kopfnote: Mandarine, Kardamom, Absinth, Rosa Pfeffer; Herznote: Pfeffer, Nelke, Weiße Blüten, Rose, Jasmin, Hölzer, Weihrauch; Basisnote: Styraxharz, Eichenmoos, Castoreum, Leder, Labdanum (Zistrose), Bockshornklee, Moschus.

Im Auftakt präsentiert sich bei der Damenvariante Memoirs kurzfristig saftige Mandarine, die annähernd sofort übergeht in ein prächtiges Orchester von würziger Schärfe der Pfeffersorten und Gewürznelke. Diese bilden die schmückende Zierde der sich in ihrer ganzen opulenten Üppigkeit zeigenden Blüten, welche von der stolzen Wärme der Harze getragen wird, denen ein Hauch Animalisches innewohnt. Dezente Absinthnoten erinnern in dieser Verbindung an Lutens Douce Amère, allerdings ist Memoir Woman deutlich facettenreicher und vor allem – dunkler. Die Basis wird von einem wallenden Mantel weichesten Leders umfangen in einer liebevollen Umarmung.

Eigentlich kann Memoir Woman nur das Ende der Suche sein – oder der (Drogen?)Rausch, der ebendieses suggeriert: Feminin und gleichsam elegant sowie mit allen Kenntnissen perfekt(ioniert)er Verführungskraft ausgestattet, überschäumend vor Sinnlichkeit und leidenschaftlicher Hingabe, die aus den Untiefen der harzig-gourmandigen sprudeln, in denen auch ein verborgenes unzähmbares wildes Tier in seiner ursprünglichen Schönheit lauert – ich bin ein wenig gebannt, ich gestehe.

Und ich befürchte, dass es morgen nicht anders weitergeht – da folgt nämlich die Herrenvariante, an welche ich bei Amouage immer besondere Erwartungen stelle.

Bis dahin viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Auguste Clésinger (1864): Leda et le cygne via Wiki Commons von Vassil, some rights reserved – vielen lieben Dank!

Hier finden Sie Amouages Memoir Woman in unserem Shop.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. 15. Februar 2011
    Antworten

    Memoir Woman von Amouage ist einfach TOLL!!!!!
    LG, Nina

    • Ulrike
      20. Februar 2011
      Antworten

      Jaaa, das kann ich nur bestätigen. Denke auch, dass Amouage damit wieder einen sehr feinen Damenduft auf den Markt gebracht haben!

      Liebe Grüße,

      Ulrike.

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