Auf ein Neues …

Jetzt haben wir sie alle hinter uns gebracht, die Feierlichkeiten: Weihnachten und Silvester, die Tage dazwischen… Ich hoffe, Ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen und freue mich, Euch wieder als fleißige Blogleser(innen) begrüßen zu dürfen!

Welcher Duft ist es denn nun geworden bei Euch zum Jahreswechsel? … Ich habe schlußendlich und für mich völlig unspektakulär, da bei mir häufig und gerne gewählt ergo nicht wirklich überraschend, zu „meiner“ Lady Vengeance gegriffen.

Wie im vergangenen Jahr versprochen habe ich noch einiges nachzuholen und einzulösen – unter anderem die restlichen Byredo-Rezensionen. Damit fange ich gleich an und werde die erste Rezension dieses Jahr mit Gypsy Water beginnen.

Gypsy Water ist Ben Gorhams Hommage an die Roma, seine Verneigung vor – dem Zigeunerleben. Ich weiß, der Begriff des Zigeuners ist äußerst vorbelastet und wird so natürlich nicht mehr verwendet. Man spricht heute von dieser Ethnie zusammenfassend korrekt als „den Roma“. Allerdings erinnern mich Gorhams Assoziationen ein wenig daran, was ich als Kind mit den Roma assoziierte, die für mich – völlig neutral und absolut vorurteilsfrei – eben (noch) Zigeuner waren: Wer kennt es nicht, das alte Volkslied über das lustige Zigeunerleben – das in Wahrheit sehr wahrscheinlich alles andere als spaßig ist oder war? Für mich als kleines Mädchen mit übermächtiger Phantasie waren die Roma ein fahrendes Volk, Händler und Handwerker, Künstler, ein schöner, mutiger, stolzer und unabhängiger Menschenschlag, exotisch anmutend und farbenfroh gewandet, Überlebens- und Lebenskünstler, frei, charaktervoll, im Einklang mit der Natur und in farbenprächtigen Wägen mit rassigen Pferden durch die Welt reisend – ein einziges großes Abenteuer in meinen Augen. In all den Märchen, Sagen, Fabeln und alten Filmen, die meine Inspirationsquelle waren, übten die Roma immer eine große Faszination auf mich aus.

Gorhams Vorstellung erscheint mir ähnlich kindlich (nicht kindisch) begeistert und ziemlich romantisiert, was den Duft wahrscheinlich umso besser macht. Laut eigenem Bekunden konnte er wohl in der Zeit, in der er in Italien lebte, häufig Roma beim Waschen ihrer Kleider im nahen Fluß beobachten und sah sich von deren jahrhundertealtem Mythos ebenfalls fasziniert. Gypsy Water ist ergo eine Huldigung an deren L’art de vivre, ihren Lebensstil.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Zitrone, Pfeffer, Wacholderbeeren; Herznote: Weihrauch, Piniennadeln, Schwertlilie; Basisnote: Amber, Vanille, Sandelholz.

Der Auftakt präsentiert sich erstmal zitrisch-prickelnd, sieht sich aber sehr schnell konfrontiert mit der Würze von Pfeffer und dem typischen aromatisch-holzigen Wacholder, die die Vorhut sind für ein überaus rauchiges Herz: Weihrauch und Pinie (ergo Kiefer) sowie erdig-cremige Iris sorgen für jene rauchig-holzig-harzige Atmosphäre, welche Bilder der Lagerfeuerromantik nebst angrenzendem Nadelwald heraufbeschwört, die Gorham mit Gypsy Water vermitteln mag. Die Basis ist ambriert und durch Sandelholz sowie Vanille (die bereits den ganzen Duftverlauf über im Hintergrund zu vernehmen ist) abgerundet und verleiht dem Duft jene Art von Süße, die sinnbildlich für das opulent-bunte Treiben stehen kann.

Ob nun romantisiert oder nicht, Gypsy Water ruft genau solche Impressionen in einem wach: Vielfarbiges festliches Treiben, ein Lagerfeuer am Wald mit ausgelassenen Menschen in farbenprächtigen Gewändern, die zusammen ganz bewußt das Sein mit all ihren Sinnen genießen, essen, trinken, feiern und tanzen.

Byredo Gypsy Water

Ich mußte zwischendurch an Nietzsche denken: Nietzsche läßt seinen Zarathustra einmal sagen, daß man noch Chaos in sich haben muß, um einen tanzenden Stern zu gebären. Gypsy Water ist ein solch kleiner Revoluzzer, ein gepflegter und stolzer Querulant. Besonders und auffällig, aber sehr tragbar. Er erinnert mich an eine etwas komplexere und sehr viel gefälligere Variante von Le Labos Patchouli 24 von der großartigen Annick Ménardo (Bulgari Black) – ein wunderbarer Duft, nach dem ich (als Vegetarier) völlig verrückt bin, der aber ehrlicherweise in den Kopfnoten riecht wie ein Schwarzwälder Schinken, abgehangen in einer uralten Waldhütte…

Ich bin gespannt ob jemand die Ähnlichkeiten ebenfalls entdecken kann. Und mich würde natürlich interessieren, wie ihr Gypsy Water findet?

Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. fredi
    4. Januar 2010
    Antworten

    Gipsy Water ist neben Pulp für mich der schönste Duft der bemerkenswerten Byredo – Linie. Vielen Dank für die wunderschöne Beschreibung! Zum Glück ist die Ähnlichkeit zu dem sehr rauchigen Le Labo Patchouly – Kracher für mich nicht allzu ausgeprägt. Im Gegenteil ist Gipsy Water imho ein sehr ausgewogener, runder, weicher und bodenständiger Geselle, der sich nicht in den Vordergrund spielt und – anders als Gorhams Assoziation mit dem bunten Zigeunerleben vermuten lässt – für mich auch nicht allzu farbenfroh ist. Als farbig empfinde ich den Duft zwar schon, aber vor meinem inneren Auge tauchen eher dunkle, erdige, sanfte Farbtöne auf – wie zum Beispiel dunkles Nadelholzgrün, sanftes Bernsteingelb und Ocker für die warmen Hölzer und Ambra, tief blauschwarze Wacholderbeeren (die übrigens nicht allzu aromatisch-herb daherkommen), sattes Dunkelbraun (Pfeffer, Sandelholz), vielleicht noch ein paar sanfte Grau- und Blautöne für den Weihrauch und die Iris – nicht kühl, sondern harmonisch in die warmen Töne eingeblendet. Ich meine auch einen Hauch zartvioletten Lavendel wahrzunehmen, oder verwechsele ich das mit den aromatischen Nadelhölzern? Wie dem auch sei, Gipsy Water ist für mich ein zwar ungewöhnlicher, aber dennoch absolut tragbarer und wunderschöner Duft!

    Mich würde übrigens mal die „Nasen“, d.h. die Parfumeure hinter den einzelnen Düften interessieren. Byredo soll ja einige der wirklich Grossen der Branche engagiert haben – ist dazu näheres bekannt?

    LG, fredi

  2. M K
    6. Januar 2010
    Antworten

    Hey, ich bin ein waschechter Zigeuner der deinen Blogeintrag kommentiert.
    Das mit dem Sammelbegriff „Roma“ ist falsch, Roma und Zigeuner sind nicht das gleiche. Die Roma habe ihre eigene Kultur. Wir sind Sinti. Aber nur soviel dazu.

    Deine Beschreibung vom Zigeunerleben ist äußert romantisch, aber wie du selbst sagst, nur eine Phantasie.

    Prägend für das Zigeunerleben ist die Kunst des Überlebens. Der Schmerz, kein eigenes Land zu haben. Immer unterwegs zu sein. Die Balance zwischen Anpassung und eigenen Sitten und Bräuchen. Der Schmerz, verfolgt zu werden. Beschimpft zu werden. Auf der anderen Seite das Feuer im Blut, der Rhytmus, die Melodie, der Klang von Geigen und Gitarren. Ein sehr offensiver Humor, Stolz. Zigeuneraristokratie.

    Ich hätte gern eine Probe von Gipsy Water, trotzdem es einer Anmaßung gleichkommt, einen so komplexen Lebenstil abbilden zu wollen, ohne ihn selbst gelebt zu haben.

    Glücklich wäre ich, wenn das Parfüm nach einer alten Geige in einem noch älteren Geigenkasten riechen würde. Betagtes aber edelstes Fichtenholz, ein metallischer Akkord den die, vom Handschweiß angegriffenen, Seiten ausströmen, Kolophonium, das Leder und der schwere Stoff des Geigenkastens und ein bisschen vom Geist des Sintijazz, wild und konventionslos. Nichts beschreibt unser Leben besser.

    Aber das würde wahrscheinlich niemand tragen wollen…

    Liebe Grüße

  3. Ulrike
    7. Januar 2010
    Antworten

    Hallo lieber Unbekannter,

    das nenne ich mal Information aus erster Hand und Quelle, vielen Dank! Natürlich, sowohl meine Assoziation mit dem Zigeunerleben ist eine äußerst romantische und romantisierte, stammt sie wie schon bemerkt aus meiner Kindheit und den vielen bunten Geschichten aus Büchern und Filmen… Als ich Gorhams Assoziationen dazu las, mußte ich ihm eine ähnliche Intention, ähnliche Impressionen unterstellen, da ja allgemein bekannt ist, daß die Realität historisch doch etwas anders aussah.

    Nun, Herr Gorham ist Künstler und insofern natürlich nicht der erste, der einer einseitigen und/oder inszenierten Vorstellung, einem Traumbild Ausdruck verleiht – man denke nur an diverse Literaten wie z.B. Karl May mit seinen Reiseberichten und Abenteuerromanen, die er lange vor seinen Reisen zu den beschriebenen Stätten schrieb usw.

    Was Deine Assoziation angeht, überlege ich gerade schon, ob ich nicht einen Duft kenne, der ähnliches abzubilden vermag… mir fällt sicher etwas ein… Darüber hinaus: Ich glaube, es findet sich für fast jeden Duft ein Träger 😉

    Betreffs Deinem Interesse an Gipsy Water schreibe ich Dich heute noch an – ich schicke Dir gerne ein Pröbchen!

    Liebe Grüße, Ulrike.

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