Crying of Evil und Sand Dance von Stéphane Humbert Lucas

Runde drei im Reigen der neuen Snake Collection von Stéphane Humbert Lucas bringt uns heute zu den Eaux de Parfum Crying of Evil und Sand Dance. Wie Ihr sicher wisst, habe ich Euch letzte Woche bereits die Kompositionen Venom Incarnat, God of Fire und Lady White Snake vorgestellt (nachzulesen hier und hier) und ich bin gespannt, welche Schlangen-Anekdoten Stéphane Humbert Lucas für die heutigen zwei Kandidaten vorbereitet hat.

Stéphane Humbert Lucas – Crying of Evil

Venom Incarnat wurde als ein erdbeerlastiger Liebestrunk einer vipernzähnigen Hexenmeisterin angekündigt, God Of Fire als türkisfarbener Feuergott mit Schlangenaccessoire und intensiver Mangonote und zuletzt Lady White Snake, der weibliche Schlangengeist der chinesischen Mythologie, der in Form einer freundlichen Medizinproduktverkäuferin so manchen Kampf gegen einen Widersacher aufnehmen muss.

Crying of Evil – Olfaktorischer Baudelaire

In Crying of Evil beruft sich Stéphane Humbert Lucas auf den berühmten Gedichtband Les Fleurs du Mal von Charles Baudelaire, eine melancholisch-düstere, morbide wie laszive Sammlung von Gedichten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurde und gerne als Inspirationsquelle genutzt wird, u.a. für Parfums. Wir erinnern uns an den Duft Albatros von Medittorosa, den ich im Februar rezensiert habe (nachzulesen hier) und der auf dem Fleurs-du-Mal-Gedicht Der Albatros basiert. Auch Byredo hat einen Baudelaire-Duft im Portfolio, der von Fremdländischer Duft inspiriert wurde. Sicherlich gibt es noch unzählige weitere Düfte, deren Kreation auf Les Fleurs du Mal fußt und auf die ich hier gerade spontan nicht komme …

Tatsächlich gibt es in der Masse der über bzw. an die hundert Gedichte auch eines, das Die Schlange, die tanzt heißt. Doch ist genau dieses Gedicht, der Ursprung von Crying of Evil? Gute Frage! Die Duftnoten kann ich Euch jedenfalls gesichtert verraten: Rosa Pfeffer, Tuberose, Veilchen, Gewürze, Sandelholz, Leder, Rose, Patchouli, Ambra, Weihrauch und Moschus.

In seinem poetischen Lebenswerk bringt der Künstler das Paradoxon zwischen dem Bösen und dem Schönen zum Ausdruck, das ewige Tauziehen zwischen der Sehnsucht des Menschen nach dem Absoluten und seiner Anziehung zum Laster.

Wie duftet Crying of Evil?

Schreit oder weint das Böse in dieser Kreation? Das Wort Crying kann ja beides bedeuten. Nun, welche Lautäußerung das Böse auch immer von sich geben mag, es ist offensichtlich ein Fan von Leder, dunklem Leder, das knarzig-harzig und düster in einer Rauchschwade lauert. Cremige Nuancen untermalen den Duft, ebenso wie intensive und herbe Gewürze. Weihrauch und Patchouli unterstreichen das Dunkel-Image der Kreation mit ihren ganz eigenen Noten.

Das Veilchen streut eine zusätzliche Prise florale Rauchigkeit hinzu. Zwischen Kühle und Wärme hin und herpendelnd, trocken und ja, was ist das für eine Cremigkeit, die da im Hintergrund mitschwingt? Das Sandelholz vermutlich. Leichte Knetnoten nehme ich wahr, die der Tuberose geschuldet sein könnten. Im Ausklang sanfter und ruhiger werdend, klingt Crying of Evil ganz allmählich mit warmen, würzig-harzigen Nuancen aus.

Stéphane Humbert Lucas – Crying of Evil

Crying of Evil ist bislang der Kandidat in der Snake Collection, der für mich am deutlichsten nach Nische duftet. Denn die dunklen, ledrig, würzigen und rauchigen Nuancen dieser Kreation besitzen Ecken und Kanten, sind nicht per se gefällig und – in meinen Augen – auch nur bedingt alltags- und bürotauglich. Eher ein Duft für den besonderen Auftritt oder den Abend, sehr komplex und dicht verwoben. Ein markanter und außergewöhnlicher harzig-würziger und rauchiger Lederduft, der aus dieser Kollektion bis zu diesem Zeitpunkt heraussticht.

Sand Dance – Tanz der Schlange

Schon wieder geht es um eine tanzende Schlange … offensichtlich habe ich mit meiner heutigen Duftkombination ganz zufällig ins Schwarze getroffen. Dabei haben wir es bei Sand Dance eher mit einem Schlangentanz zu tun, wenn man es genau nimmt. Das Eau de Parfum ist von den Kalbelia inspiriert, einem in der nordindischen Wüste Thar nomadisch lebenden Volk, das ehemals als Schlangenbeschwörer bekannt war.

Berühmt sind die Kalbelia außerdem für ihre Tänze, die von Frauen in üppigen Gewändern ausgeführt werden. Schlangengleiche Bewegungen sollen die Tänzerinnen machen, die an Kobras erinnern. Die Kostüme sollen diese Assoziation unterstreichen. Diese sinnlichen Tänze setzt Stéphane Humbert Lucas mit den Ingredienzien Whisky, Mandarine, Koriander, Kakao, Sandelholz, Kaschmirholz, Benzoeharz, Zedernholz, Styraxharz, Patchouli und Tonkabohne um

Stéphane Humbert Lucas – Sand Dance

Die Frauen, die erhabene schwarze und bunte Kleider mit Juwelen tragen, winden sich anmutig und geschmeidig wie Schlangen. Sie wirbeln zu den Klängen der Musiker, die ihnen in ihrer Inspiration folgen, bis sie einen Zustand der Trance erreichen, der große Emotionen hervorruft.

Komm und tanz mit mir

Wunderschön warm und mit cremigen, an beigefarbenen Sand erinnernden Noten eröffnet Sand Dance aus dem Hause Stéphane Humbert Lucas, unterlegt von einer likörigen Fruchtigkeit. Fröhlich beschwipst zeigt sich die Kreation als überaus sinnlich, köstlich und entspannt gleichermaßen. Die feine Schokoherbe von Kakao setzt in all der duftenden Geschmeidigkeit Akzente, während das Sandelholz das Eau de Parfum in eine balsamisch-holzige und ambriert anmutende Cremigkeit taucht.

Lieblich ist Sand Dance, von aromatischen Gewürzen nuanciert und von warmen Hölzern getragen. Auf meiner Haut entwickelt sich wieder diese sanfte Knetnote, die ich auch schon bei Crying of Evil wahrgenommen habe. Die Tonkabohne zeigt sich im Ausklang recht offenherzig und dominant, untermalt von harzig-cremigen Hölzern.

Stéphane Humbert Lucas – Sand Dance

Der Name Sand Dance passt perfekt zu dieser Kreation und auch die Farbgebung finde ich äußerst stimmig. Das Eau de Parfum ist eine warme, würzige und überaus betörendere Mischung aus mineralisch-pudrigen Sandnuancen, einer köstlichen Kakaonote und geschmeidig-cremigen Hölzern, die von sahnig-fruchtigem Whisky-Likör untermalt wird. Ja, ein Hauch von Baileys liegt in der Luft, jedoch nur dezent. Für mich passt Sand Dance eher in die kühlere Jahreszeit, hier ist er aber durchaus ein wärmender, entspannter und köstlicher Duftbegleiter für alle Gelegenheiten. 🙂 Welcher der beiden Kreationen ist Euer Favorit?

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert