Orlo und Albatros von Mendittorosa – Zwei Düfte der Versi-Trilogie

Was vor dem Testen der beiden Kreationen Orlo und Albatros aus dem Hause Mendittorosa bereits ins Auge sticht, sind die außergewöhnlichen Flakons der Düfte. Ein Blick in die Gesamtkollektion offenbart schnell, dass das italienische Dufthaus, das 2011 von Stefanie Squeglia im Schatten des Vulkans Stromboli auf der Insel Sizilien gegründet wurde, eine Vorliebe für extravagante Eyecatcher hat, die ungewöhnlich sind und sicherlich nicht meinem sonst bevorzugten Minimalismus entsprechen, die im Parfumregal aber definitiv schon rein optisch herausstechen. Frei nach dem Motto „Das Auge riecht mit“ sammelt das italienische Nischenduftlabel hier schonmal einen Sonderpunkt für die Optik. 🙂

Mendittorosa – Orlo
Orlo von Mendittorosa

Die Systematik von Mendittorosa

Die Kollektion der Odori d’Anima, der Seelendüfte, aus dem Hause Medittorosa unterteilt sich in vier weitere Unterkollektionen. Der Biologe in mir frohlockt, erinnert mich doch das an die mir aus meinem Studium bekannte Systematik und Ihr wisst, wie sehr ich Einteilungen und Strukturen liebe. In Mendittorosas Odori d’Anima Collection nahm alles den Anfang mit The Trilogy und den Düften Alfa, Omega und Id. Darauf folgte die Linie Time without Time und den Kreationen Archetipo, Rituale und Lacura, dann The Duo mit North und South (meines Wissens weder verwandt noch verschwägert mit dem ehemaligen Celebrity-Paar namens West) und abschließend die Linie Versi, zu der unsere heutigen zwei Protagonisten gehören. Darüber hinaus gibt es auch noch eine weitere Kollektion, die den Namen Talismans trägt und jener der Odori d’Anima gleichgestellt ist. Zu dieser gehören weitere mannigfaltige Kreationen wie der 2016 von Harmen rezensierte Nettuno (nachzulesen hier).

Orlo – Teil II der Versi-Trilogie

Ja, Ihr lest richtig! Die heutigen Eaux de Parfum sind Teil einer Trilogie, deren erster Duft Ithaka mir leider aktuell nicht vorliegt, dessen Rezension ich aber nachholen werde. Versprochen! Die Versi-Düfte bilden eine olfaktorische Betrachtung der Verbindung zwischen Dichtkunst und Parfums. So wurde jeder Duft von einem bestimmten Gedicht inspiriert und ist damit auch einem bestimmten Schriftsteller und seinem Werk gewidmet.

Das Eau de Parfum Orlo stammt aus dem Jahre 2020 und ist eine Hommage an ein Gedicht der aus den USA stammenden Autorin und Lyrikerin Sylvia Plath, deren Leben so voller Tragik war und die 1963 den Freitod wählte. Kurz vor ihrem Tod schrieb sie das Gedicht „Edge“, in dem sie die grausame Geschichte einer von Depressionen gequälten Frau darstellt, die zuerst ihre Kinder und später sich selbst tötet.

Mendittorosa – Orlo
Orlo von Mendittorosa

Ganz schön harter Tobak und eine sicherlich ungewöhnliche Inspirationsquelle für eine Duftkomposition. Doch wählte das italienische Dufthaus Medittorosa das Gedicht aus einem besonderen Grunde: „Aus Respekt vor allen, die gegen Dämonen kämpfen und bis ans Äußerste gehen. Für diejenigen, deren Garten gefühllos wird. Die mehr Platz brauchen, um sich auszudehnen und das Licht hineinzulassen.“

Die Parfümeurin Anne-Sophie Behaghel wählte für die Umsetzung der Kreation Orlo die Duftnoten Bergamotte, Alpenveilchen, Magnolie, Orangenblüte, Rose, Pfirsich, Patchouli, Kümmel, Papyrus und Kaschmirholz. Sicherlich keine einfache Aufgabe, in Anbetracht der erschütternden Worte des Gedichts, das ich Euch im Folgenden auf Englisch angehängt habe:

The woman is perfected.
Her dead

Body wears the smile of accomplishment,
The illusion of a Greek necessity

Flows in the scrolls of her toga,
Her bare

Feet seem to be saying:
We have come so far, it is over.

Each dead child coiled, a white serpent,
One at each little

Pitcher of milk, now empty.
She has folded

Them back into her body as petals
Of a rose close when the garden

Stiffens and odors bleed
From the sweet, deep throats of the night flower.

The moon has nothing to be sad about,
Staring from her hood of bone.

She is used to this sort of thing.
Her blacks crackle and drag.

Edge – Sylvia Plath. Aus Collected Poems.
Mendittorosa – Orlo
Orlo von Mendittorosa

Für die Zerbrechlichen, die kämpfen, um sich zu öffnen.

Mit diesen Worten und dem Zusatz „Licht im Dunkel“ beginnt der Pressetext zu Orlo aus dem Hause Mendittorosa. Die Kreation selbst startet – trotz der düsteren Thematik – überraschend frisch, hell und überaus floral. Orangenblüte, Magnolie und Rose vereinen sich zu einem üppigen Blütenbouquet, das von erfrischender Bergamotte akzentuiert wird.

Magnolie und Alpenveilchen sorgen für zart-florale Wassernoten, die dem Duft eine unglaublich sommerliche und sonnige Stimmung verleihen. Sanfte Fruchtakkorde nehme ich im Hintergrund wahr, die ich dem Pfirsich zuordnen würde.

Eine holzige Trockenheit durchzieht das Eau de Parfum, die eine gewisse cremige Wärme mit in den Duft hineinbringt und die üppig-floralen Noten gekonnt abrundet. Das von Beginn an präsente und chypriert anmutende Blütenbouquet bleibt dem Verlauf von Orlo lange erhalten.

Orlo ist lichtdurchflutet, hell und präsent, eine Kreation, die mir ausnahmslos gut gefällt. In Kopfnote und Herz recht üppig und überaus präsent wird das Eau de Parfum nach und nach transparenter und auch hautnaher, bis es schließlich cremig, warm und holzig ausklingt. Ich empfinde Orlo als ruhigen, chyprierten und besonnenen Duft, dem eventuell eine gewisse Nachdenklichkeit und ein Hauch von Nostalgie innewohnt. Unbedingt testen! 🙂

Albatros – Der Abschluss der Trilogie

Bei dem Wort Albatros schießt mir automatisch das Bild von Orville aus „Bernhard und Bianca“ in den Sinn, mit dem jenen mitunter schwerfällig und tölpelhaft anmutenden Seevögeln ein cineastisches Denkmal gesetzt wurde. Albatrosse sind kunstvolle und ausdauernde Flieger, doch das Starten und Landen missglückt häufig, was auch an ihrem hohen Gewicht von etwa 12 Kilogramm liegen dürfte.

Der Duft von Mendittorosa huldigt dem Schriftsteller Charles Baudelaire und seinem Gedicht „Der Albatros“, das in seinem bekannten Werk „Die Blumen des Bösen“ zu finden ist. Ein weiteres Mal vertraute die italienische Duftmarke auf das Können von Anne-Sophie Behaghel, die Albatros aus den Ingredienzien Aquatische Noten, Ozonische Noten, Anis, Rose, Ananas, Kaschmirholz, Atlas-Zedernholz, Virginia-Zedernholz, Vetiver und Weißer Moschus kreierte.

Mendittorosa – Albatros
Albatros von Mendittorosa

Oft kommt es dass das schiffsvolk zum vergnügen
Die albatros · die grossen vögel · fängt
Die sorglos folgen wenn auf seinen zügen
Das schiff sich durch die schlimmen klippen zwängt.

Kaum sind sie unten auf des deckes gängen
Als sie · die herrn im azur · ungeschickt
Die grossen weissen flügel traurig hängen
Und an der seite schleifen wie geknickt.

Er sonst so flink ist nun der matte steife.
Der lüfte könig duldet spott und schmach:
Der eine neckt ihn mit der tabakspfeife ·
Ein andrer ahmt den flug des armen nach.

Der dichter ist wie jener fürst der wolke ·
Er haust im sturm · er lacht dem bogenstrang.
Doch hindern drunten zwischen frechem volke
Die riesenhaften flügel ihn am gang.

Der Albatros – Charles Baudelaire. Übersetzt von Stefan George.

Spread your wings and fly

Kühle, kaum greifbare ozonische Noten eröffnen Albatros, begleitet von einer trockenen Meeresbrise, der eine gewisse Salzigkeit innewohnt. Eine Scheibe Ananas verleiht der Kreation einen Hauch von fruchtiger Exotik, während dezent rauchig anmutende Holzakzente bei aller Luftigkeit und Leichtigkeit für Bodenhaftung sorgen. Wie ein Albatros im Fluge, die Weiten des Meeres unter sich, hier und da blitzt ein Stück Treibholz im wogenden Auf und Ab der Wellen auf, von einer salzhaltigen Brise umweht und von der wärmenden Sonne umspielt, gleitet der gleichnamige Duft von Medittorosa durch den Duftverlauf.

Mit sanften Blütennoten, die mineralische und metallische Facetten in sich tragen, untermalt die Rose den olfaktorischen Flug des Albatros. Die Zedernhölzer bringen cleane und warme Holznoten ins Duftgeschehen, während Vetiver und Moschus die Kreation mit cremig-erdigen und pudrigen Nuancen langsam ausklingen lassen.

Mendittorosa – Albatros

Albatros von Mendittorosa ist ein Meeresduft, der das Bild des Seevogelflugs wunderschön interpretiert. Auch, wenn die lyrische Inspirationsquelle eher die tragisch-schwerfälligen Momente des Albatros hervorhebt, die olfaktorische Umsetzung widmet sich in meinen Augen eher jenen majestätischen Augenblicken, in denen der Vogel elegant in der Luft gleitet und sich die frische Meeresbrise um den Schnabel wehen lässt. Ein moderner und durchaus präsenter Aquate, der Freunden von Kreationen dieser Duftfamilie absolut gefallen könnte. In meinen Augen eher für die wärmere Jahreszeit geeignet, ist Albatros von Mendittorosa ein toller Begleiter für Alltag und Büro.

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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