Die Kunst des „Zwischen“ – 2013 Résidence d’Artistes von Les Bains Guerbois 1885 …

… läutet eine neues Kapitel der duftenden Geschichte des in der Rue du Bourg-l’Abbé Nummer 7 beheimateten Hauses, exakt wörtlich zu nehmen, ein. Die korrespondierende Duftkollektion landete vor nicht allzu langer Zeit auf meinem Schreibtisch – sieben Düfte, zugegeben adrett aufgemacht, dennoch dachte ich, ich könnte „das Ganze“ in drei Artikeln plusminus „abfrühstücken“. Dem war nicht so, wie der eine oder die andere von Euch bereits mitbekommen haben, die die letzten Tage aufmerksam bei der Blog-Sache waren … Les Bains Guerbois 1885 beschäftigt mich und somit uns schon eine ganze Weile – weil für mich bei dieser Linie einmal mehr, selten genug, alles passt: eine ziemlich spannende und vor allem auch authentische, „echte“ Geschichte, kein Marketingblabla oder eine Übertreibung, vielleicht gar „Lüge“, darüber hinaus ein überaus ansprechendes Design/Packaging als auch, last but not least, die Düfte. Allesamt kreiert von ziemlich bekannten Namen aka Parfumeuren hat man auch da an nichts gespart – und herausgekommen sind Duftkreationen, die Charakter haben, die sowohl sehr besonders, in großen Zügen auch innovativ, darüber hinaus aber auch tragbar sind. Eigentlich stimmt hier wirklich alles meiner Meinung nach – ich bin gespannt, ob sich das auch perspektivisch auf den Erfolg der Marke auswirkt – zu gönnen wäre es ihr.

Wer die vorherigen Artikel zu Les Bains Guerbois 1885 verpasst hat, kann sie hier nachlesen:

Diese Woche schließen wir die Rezensionsreihe ab und befassen uns mit den (hoffentlich nur vorerst?!) letzten drei Düften der Franzosen, und zwar mit 2013 Résidence d’Artistes, 2015 Le Phénix und 2018 Roxo Tonic. Das berühmt-berüchtige Pariser Gebäude hat nun zwei Etappen seiner Geschichte bereits hinter sich: die des Daseins als Thermalbad und Badehaus um die Jahrhundertwende als auch die Zeiten, in denen es als einer der besten Nachtclubs der Welt galt. Jean-Pierre Marois, der Erbe des früheren Besitzers, hauchte der Legende neues Leben danach neues Leben ein – in Form eines Luxushotels.

Logischerweise bedurfte es dazu einiger Renovierungen, erst recht, nachdem der vorherige Club seine besten Zeiten gesehen hatte, darüber hinaus einiges dem, so sagt man, Koksrausch des ehemaligen Pächters zum Opfer gefallen war, siehe mein erster Artikel. Bis zur schlussendlichen Eröffnung des Hotels gab es allerdings ein Zwischenkapitel in der Historie, der sich unser heutiger Duft widmet – Vorhang auf für 2013 Résidence d’Artistes !

Ein Zuhause für die Kunst – 2013 Résidence d’Artistes

„2013. The first page of the new Les Bains. For a few weeks prior to total renovation, the cream of the world’s Street Artists takes over this mythical space. There’s an explosion of colors and of scents made of musk, sandalwood, papyrus, violet, cumin, cardamom, mandarin. An atmosphere of freedom, boldness, creativity rules, as art and people come together, mix and touch. A moment. Then it’s gone, and only the fragrance remains. If only these walls could talk …“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Kardamom, Mandarine, Bergamotte, Pfirsich
Herznote: Jasmin, Papyrus, Veilchen, Kümmel
Basisnote: Moschus, Sandelholz, Patchouli, Leder

Parfumeur: Dorothée Piot

Nach 1885 Bains Sulfureux ist 2013 Résidence d’Artistes ist der zweite Duft von Piot für Les Bains Guerbois 1885. Wie ich bereits in dem dazugehörigen Artikel schrieb, gehen bereits etliche (andere) bekannte Kreationen auf ihr olfaktorisches Konto, so unter anderem by Kilian Criminal of Love, Jovoy Les Jeux sont Faits, Jul et Mad Stilettos on Lex sowie Terrasse à St-Germain, Maison Crivelli Bois Datchaï, Majda Bekkali J’ai fait un rêve clair, Olfactive Studio Chambre Noire, Yohji Yamamotos Y-3 Black Label und einiges für Amouage (Fate Woman, Figment Woman, Memoir Woman, Myths Man).

Bevor Marois das Bad als Hotel wiedereröffnete, wiedereröffnen konnte, war, wie oben erwähnt, eine umfangreiche Renovierung notwendig, die sich über einige Jahre zog. Vorab nutze man die Räumlichkeiten temporär um, und zwar durchaus passend und „standesgemäß“ – für eine Kunstaustellung.

Daraus resultieren häufiger mal die besten Locations, wie ich es aus meiner Ex-Heimatstadt Stuttgart kenne: Rocker 33 hieß der Club, der acht Jahre lang vornehmlich in der alten Bahndirektion residierte, für seine legendären Parties ganz untypisch für eine Schwabendisse mehrfach unter die besten Clubs Deutschlands gewählt wurde. Hach, welch schöne Erinnerungen …

Das Les Bains Douches wurde während der Renovierungsarbeiten für eine Zeit zu einem Künstlerhort, was angesichts seiner Geschichte überaus passend erscheint, war es doch früher Künstlertreffpunkt und schon immer designaffin (eingerichtet und ausgestattet). Ein Video zur Aktion gibt es ebenfalls, seht hier:

Einen Bildband zum Thema gibt es ebenfalls – Les Bains: Résidence d’Artistes von Magda Danysz, 2013 bei Drago erschienen und auch noch erhältlich, siehe hier oder, teurer, bei Amazon. Bei Thomas Canto findet sich der/ein Beschreibungstext, welcher Näheres zum temporären Kunsthappening schildert:

„It is on November day that Jean-Pierre Marois, owner of the building were was located les Bains Douches, the most iconic Parisian night club for over thirty years, contacted Magda Danysz, the Paris and Shanghai owner of MD Galleries. Together they set up an unrealistic project that most people would have brushed off: a 4 month artistic residency where artists carefully selected by the gallery owner would be invited to take over this legendary location. Yet the project had some constraints, from the lack of budget, the required utmost discretion – the place being closed to the public since 2010 – and, last but not least, the fact that each and every art piece created would have to be destroyed in the end as the building would go under a total embellishment program in order to be transformed in a luxury hotel.

This book is the testimony of this amazing adventure, with the participation of 50 artists from all around the world, representing all the street art generations, and whose only aim was to create masterpieces, as a final tribute to this legendary Paris night club, returned to its former glory.” (Stéphane Bisseuil)

Les Bains was a nightclub in Paris that drew many big names back in the day like Kate Moss, Andy Warhol, David Bowie, Jean-Michel Basquiat, and many other icons. They partied hard within the walls up until the building was deemed unsafe and condemned in 2010 after terrible renovations. However, the structure has new life; 50 internationally acclaimed artists have basically made the 3,000 square foot building their canvas, creating wonderful street art. Most of the works are large scale and quite impressive. People like FUTURA, INVADER, and Sambre will continue to create art there until April 30.

The Bains is offering certain internationally based artists a residency. Under Magda Danysz art curation and Colombe de La Taille / ADL Conseil communication direction, the place is furtively reinvented as a living space for the artists and a devastating expression of creative freedom. The golden class of Street breathing fresh life into the soul of the Bains. For four months graffiti artists and others will take on the legend of Parisian nightlife to pay tribute to the artistic DNA of the club. Employing different styles, an artistic workshop akin to a 19th century manufacturing works will inhabit the full 3000m2. It’s a novel and above all ephemeral way to bridge the gap. An eternal artistic workshop which will be demolished on the 30th April. A momentary and almost subliminal metamorphoses of a legendary space. Everything is here. It is majestic, new, raw and wonderfully sophisticated. An unlikely return of the transgressive underground soul of the Bains.“

Hier findet Ihr einen weiteren Artikel mit Bildern zu der Künstlersause – klick. Eine offiziell genehmigte Hausbesetzung durch die Kunst, sorgsam ausgewählt, kuratiert durch den Besitzer Jean-Pierre Marois. Dieser ist, das habe ich noch nicht erwähnt, im übrigen von Haus aus Regisseur und Filmproduzent, siehe Wiki, bekannt geworden unter anderem von und durch seine Tätigkeit als Co-Producer von Mary (2005) von Abel Ferrara sowie der Doku South of the Border (2009) von Oliver Stone.

Und wie setzt Piot dieses künstlerische Geschehen um, das den Bildern nach zu urteilen ziemlich einmalig war?

https://pixabay.com/de/photos/pfirsich-obst-frucht-essen-fr%C3%BCchte-2453282/

Auf beachtliche Weise, würde ich sagen … Mandarine springt mir als allererstes in die Nase, dicht gefolgt von einer satt-saftigen Pfirsichnote, die mich ein wenig an den einmal von einer Kommentatorin des Beautyboards als „Dosenpfirsich“ bezeichnete Note in gz01 von Biehl Parfumkunstwerke erinnert. Ein reifer Pfirsich, auf eine Art „eingelegt“ im eigenen Saft, nicht taubenetzt am Baum hängend, sondern von einer verdichteten, authentisch wirkenden Fruchtsüße wie bei selbstgemachtem Kompott. Kardamom umrankt, rahmt grün-aromatisch und verhalten herb-würzig ein, während Veilchen sachte pudrig-erdige Anklänge stiftet. Jasmin hält sich, Noblesse oblige, dezent im Hintergrund, zeichnet weich und cremt erlesen, von Sandel und Patschuli dezente holzig-balsamische Wärme spenden und unserem Duft Körper verleihen.

Ein schöner, gleichermaßen eingängig wie komplexer Duft, der trotz seiner absoluten Tragbarkeit, im übrigen meiner Nase nach für jedes Geschlecht, auch eine Facette offenbart, die „edgy“ ist. Hipster-Anklänge, die ihn durchaus irgendwo zwischen Byredo, Atelier Cologne und Miller et Bertaux verorten lassen – überaus adrett, meine Lieben!

Einen schönen Tag Euch und viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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