Alte Liebe rostet nicht – die Kollektion von BOIS 1920 …

… ist erneut im Shop, endlich. BOIS 1920 ist eine jener Marken, die mich schon lange begleiten – 2005 kam sie auf den Markt, irgendwann also, als meine Nischenduftleidenschaft gerade entflammt war oder bereits seit einiger Zeit in Flammen stand. Kraftvoll, markant und typisch italienisch – wie viele andere mochte ich die Marke auf Anhieb. Leider war es die letzten Jahre etwas ruhig geworden um BOIS 1920, umso mehr freut es mich, dass die Marke mit einem neuen Vertrieb nun wieder in Deutschland präsent ist. Wir haben sie selbstredend auch wieder in voller und annähernd vollständiger Pracht im Sortiment, was ich gleich mal zum Anlass nehmen möchte, Euch diese hübschen Italiener näher vorzustellen.

Getreu dem Motto „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“ musste ich ehrlicherweise erst einmal nachschauen, welche Düfte ich wann hier im Blog bereits rezensiert habe – nach mittlerweile über zehn Jahren und einer vierstelligen Anzahl an Artikeln allerdings auch nicht weiter verwunderlich. Was mich dennoch überrascht hat – BOIS 1920 ist gar nicht mal so üppig vertreten, vor allem aber fehlen auch die ersten Düfte des Hauses. So drängt es sich gleich doppelt auf, (einigermaßen) chronologisch vorzugehen.

BOIS 1920 – Italienische Familientradition

Hinter der Marke BOIS 1920 steht die Familie Galardi. Es begann alles, wie der Name schon sagt, 1920 – und zwar mit Guido Galardi. Bei näherer Betrachtung des Bildes oben deutet sich schon an, in welchem Ort die Marke beheimatet sein könnte – ganz genau: in Florenz. Guido Galardi sammelte also in den Hügeln um Florenz Lavendel, entwickelt Rezepturen für Parfums, ätherische Öle und Duftsachets, eröffnet alsbald sein Ladengeschäft, die Bottega Italiana Spigo. Guido Galardi hat damit Erfolg – nur leider endet sein Traum mit der nächsten Generation: Guidos Sohn Renato hat anders gelagerte Interessen, möchte das Familienunternehmen nicht übernehmen. So findet die Bottega Italiana Spigo nach nur etwas mehr als einem Jahrzehnt ihr vorübergehendes Ende. Das Parfumgen scheint allerdings nicht komplett verschütt gegangen zu sein, es hat nur eine Generation übersprungen: Enzo, der Enkel, begeistert sich wie sein Großvater für Düfte und Parfumherstellung, erweckt den Traum von Guido Galardi wieder zum Leben und zollt ihm mit dem Namen BOIS 1920 Tribut (BOttega Italiana Spigo, Gründungsjahr). Mittlerweile hat Enzo Galardi auch noch einige andere Duftprojekte ins Leben gerufen, einige andere Düfte kreiert (ehrlicherweise bin ich zum Teil nicht durchgestiegen, welche Marken ihm gehören bzw. an welchen er beteiligt ist und/oder „nur“ Parfumeur), so beispielsweise IO.KO 1954, Baldi, Olfattology, Antiqua Firenze, Profumo di Firenze 1954 und Odori (die eingestellt wurden, sehr zu meinem Bedauern! Ich vermisse immer noch mindestens die halbe Kollektion – Gli Odori war ein herb-bitterer Kräuterkracher, Cuoio ein herrlicher Lederduft und Tabacco einer der schönsten Tabakdüfte auf dem Markt). BOIS 1920 hat er vor einiger Zeit verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu widmen – das Unternehmen ist aber nach wie vor in Familienhand.

I Classici – die Klassischen bilden den Auftakt und sind heute unser Thema, genauer gesagt Classic 1920.

Classic 1920 – das (Under)Statement

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte, Pfeffer, Muskatnuss, Basilikum, Wacholder
Herznote: Rose, Jasmin, Osmanthus, Zedernholz, Aprikose, Lavendel, Schwarzer Pfeffer
Basisnote: Ambra, Vetiver, Sandelholz, Moschus, Tabakblätter, Thymian, Zitrone

Nomen est Omen – Classic 1920 als Klassiker zu bezeichnen, ist keine Vermessenheit, der Duft wird diesem Versprechen vollkommen gerecht. Und ist eine jener raren Parfumperlen, die ich irgendwann für mich wiederentdeckt habe. Classic 1920 ist einer der ersten Düfte, mit denen BOIS 1920 auf den Markt kamen – das habt Ihr Euch sicher schon gedacht, hatte ich doch ein chronologisches Vorgehen hinsichtlich der Rezensionen versprochen. Damals hatte ich ihn getestet, ich hatte „irgendwas mit klassischem Cologne“ im Kopf und „Herren“, viel mehr war aber nicht geblieben an Eindruck. „Nett“ eben. Oh, was hatte ich mich getäuscht! Jahre später habe ich Classic 1920 nämlich erneut in die Finger bekommen – und traute fast meiner Nase nicht, dass mir damals solch ein herrliches Kleinod durch die Lappen gegangen ist. Seitdem lebt er bei mir als unentbehrlicher Bestandteil meines Duftrepertoires.

Zu meiner Verteidigung allerdings muss ich sagen: Classic 1920 ist einer jener Düfte, den man übersehen kann – auf den ersten Blick. Auf den ersten Blick mag er unscheinbar wirken, bleibt man dann nicht am Ball, lässt sich ablenken, widmet ihm nicht mehr und länger Aufmerksamkeit, dann wird er sich einem nicht offenbaren, nicht erschließen.

Classic 1920 ist indifferent – im allerbesten Sinne. Er eröffnet zitrisch, aber nicht klassisch zitrisch prickelnd oder dynamisch, sondern leuchtend, eine Art „dumpfe“ Frische verströmend. Pfeffer und Muskat würzen mit einer leichten, koketten Schärfe, einer hintergründigen, während zart-dunkelgrüne Noten umrahmen. Subtil-fruchtige Anklänge sind zu vernehmen, Steinobst, hier machen sich Aprikose und Osmanthus bemerkbar, letzterer duftet ja häufig nach Pfirsich, nach Aprikosen. Lavendel würzt grün-ernst-krautig mit hinein, während sich Zeder zusammen mit den Hölzern aus der Basis daran macht, den Duft zu tragen. Aus der Basis dringt auch eine leise Wärme hervor, die das ansonsten kühle Naturell des Duftes allerdings nicht überdeckt, eine sachte Süße, die auch nie vordergründig wird, sondern verhalten im Hintergrund wirkt.

Je länger man Classic 1920 folgt, je genauer man hinhört, hineinschnuppert in den Duft, umso komplexer, vielseitiger zeigt er sich: Er ist sauber und seidig, zitrisch, fruchtig, holzig, (ge)würzig und gleichermaßen grün, ohne jemals planlos oder überladen zu wirken. Eine eindrucksvolle, inspirierende Duftachterbahn – oder besser ein Ausflug im Cabrio, vielleicht im Jaguar-Oldtimer, das würde stilistisch passen, denn Classic 1920 hat Klasse, besitzt Stil und Charakter. Er ist ein Understatement-Duft und dennoch Statement.

Und er ist eine hervorragende Ergänzung für jede Duftgarderobe, für Männer (vor allem) als auch Frauen. Ein perfekt ausbalancierter, wohldurchdachter, erlesener Begleiter.

Morgen geht es weiter mit BOIS 1920 –

bis dahin alles Liebe und einen schönen Tag Euch!

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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