Die Colognes von Leopardi und Marceline …

… sind noch übrig hinsichtlich des neuen Trios von Jardins d’Écrivains – fällt Euch was auf? Die Dame wird mit Vornamen angesprochen, unsere beiden Herren mit Nachnamen. Das liegt allerdings vielleicht auch daran, dass Marceline einen sehr langen Nachnamen besaß … dazu später mehr 😉

Ode an einen Melancholiker – L’Eau de Leopardi

L’Eau de Leopardi ist Giacomo Leopardi gewidmet, den vermutlich viele von Euch nicht kennen werden – zu jung gestorben und eher von Relevanz für Literaturwissenschaftler, darüber hinaus eben kein Landsmann. Wiki hilft mit Hintergründen:

„Giacomo Leopardi (* 29. Juni 1798 in Recanati; † 14. Juni 1837 in Neapel) war ein italienischer Dichter, Essayist und Philologe, dem neben Alessandro Manzoni eine entscheidende Rolle bei der Erneuerung der italienischen Literatursprache im 19. Jahrhundert zukam.“

Und weiter:

„Der Kritiker Benedetto Croce hat das Wort von Leopardis vita strozzata, seinem „erdrosselten Leben“ geprägt. Tatsächlich erscheint Leopardis kurzes Leben von knapp 39 Jahren, in dem es nie eine feste Anstellung, dafür ständige Geldnot, viel Sehnsucht, aber keine einzige erfüllte Beziehung und nur wenige verlässliche Freunde gab, wie ein Klischee des Unglücks, das von Leopardis Äußerem (klein, bucklig, kränklich) und seinem verschlossenen Wesen noch unterstützt wird. Auf der anderen Seite steht die ungeheure Gelehrsamkeit, die sich in ungewöhnlichem Grad mit Witz und Klugheit verband, weshalb Friedrich Nietzsche Leopardi als „das moderne Ideal eines Philologen“ bezeichnete und ihn als einen von nur vier „Meister[n] der Prosa“ im 19. Jahrhundert anerkennt. Und ebenso steht dem Klischee Leopardis poetisches und essayistisches Werk entgegen, aufgrund dessen man zumindest sein inneres Leben als alles andere als „erdrosselt“, vielmehr überaus reich und fruchtbar bezeichnen muss.“

Giacomo Leopardi (1798-1837), ca. 1820

„Ein persönliches Cologne, das von einer rauschhaften romantischen Melancholie inspiriert wurde und aus sizilianischer Orange, Bitterorange, Neroli, Eisenkraut und Petitgrain besteht“ – so lautet die Beschreibung von seitens der Marke, von seitens Anaïs Biguine.

L’Eau de Leopardi erfindet das Rad nicht neu, das kann ich beim besten Willen nicht behaupten. Dennoch mag ich dieses Cologne: Wie bei seinem Vorgänger L’Eau de Kakuzô ist die Sillage ziemlich ausgeprägt und die Haltbarkeit für ein Cologne recht ordentlich. Das heißt, das man von den 300ml, die man für gerade mal 80 Euro bekommt, wirklich viel hat – ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis, das heutzutage nicht die Regel ist.

Aber kommen wir zum Duft selbst: Flora, soweit das Auge reicht. Blüten, ein blühender Sommernachtstraum, und zwar in Weiß – die Blüten der Zitrusfrüchte, nektarsüß, lieblich, cremig und von sonnig-heiterem Gemüt, eingerahmt von Blattwerk. Orangenblüten, Neroli, Petitgrain sollte man mögen – dann wird man das überschwenglich-freundliche L’Eau de Leopardi lieben.

Eine Hommage an eine Dichterin – L’Eau de Marceline

Marceline-Félicité-Josèphe Desbordes-Valmore (* 20. Juni 1786 in Douai; † 23. Juli 1859 in Paris), der der letzte Duft der Colognes des Hauses Jardins d’Écrivains gewidmet ist, scheint ebenfalls in ihrem Leben oft nicht vom Glück verfolgt gewesen zu sein, so wie man bei Wiki nachlesen kann: Der Vater eine ehemals erfolgreicher Maler, die Familie während der französischen Revolution dann aber zusehends verarmt. Ihre Mutter wollte Marceline als Teenager dann auf Guadelooupe verkuppeln – Marceline kehrte alleine mit Gelbfieber zurück, an dem ihre Mutter auf der Insel starb. Sie begann mit einer Karriere als Sängerin und Schauspielerin, schrieb sogar Bühnenstücke, mit denen sie allerdings erfolglos blieb. In zweiter Ehe schien sie angekommen zu sein mit dem Schauspieler Prosper Lanchantin Valmore, mit dem sie vier Kinder bekam (von denen drei leider noch während ihrer Lebzeit verstarben). Durch die Misserfolge geprägt musste sie erst dazu gedrängt werden, ihre bisherigen Gedichte zu veröffentlichen – und siehe da, bereits der Debütband war ein großer Erfolg, was Desbordes-Valmore dazu bewog, sich in Zukunft von der Bühne zurückzuziehen und sich ausschließlich der Schriftstellerei zu widmen.

„Ihre Werke, besonders die Gedichte, zeigen Desbordes-Valmore als eine außerordentlich gütige, sensible Frau mit einem großen liebenden Herzen, aber auch mit verstörenden Brüchen in ihrem wechselvollen Leben. Die Themen ihrer Gedichte reichen von Mutterschaft – die sie als fast einzige Dichterin poetisch erschloss – über Liebe, Freundschaft, Kindheit, Gott bis zur sozialen Unterdrückung, gegen die sie protestierte, z. B. anlässlich des Aufstands der Seidenweber in Lyon 1831/1834. Charles Baudelaire und Paul Verlaine, dieser von Arthur Rimbaud auf sie aufmerksam gemacht, bewunderten die Innigkeit, Musikalität und Unmittelbarkeit ihrer Poesie. Sie wurde als größte Lyrikerin Frankreichs im neunzehnten Jahrhundert bezeichnet.“

„Oh! Luft! Düfte! Blumen, um mich zu ernähren!“ ist der Ausspruch Marcelines, den Biguine in ihrer Artikelbeschreibung zitiert und bezeichnet L’Eau de Marceline als „eine poetische und blumige Erfrischung, die aus Orangenblüte, Geißblatt, Kirsche, Iris, Ylang-Ylang und Rose besteht“.

Wie beim Vorgänger L’Eau de Leopardi empfinde ich Bilder und Beschreibung als etwas irreführend. „Floral Infusion“ – nicht auf meiner Haut. Und Rose satt – nun ja, auch, aber eben nicht nur …

Mich lässt L’Eau de Marceline anfänglich an meinen All-Time-Favorite Kisu denken, der zwar komplett anderes duftet, aber eine ähnliche (anfänglich kühle) Strahlkraft besitzt, ein ähnliches Naturell hinsichtlich seiner „Schwingung“. Viel Irispudrigkeit am Anfang, die durch wahnsinnig schöne Kirschnoten fruchtig aufgefrischt wird. Rose, junge, jugendliche, die sich hervorragend mit eben jenen Kirschen verträgt. Auf meiner Haut – Cremigkeit. Und zudem leise Anklänge von Bittermandel, deren Herkunft auf Basis der Ingredienzen ich nicht erklären kann. Im weiteren Verlauf vermag ich dann nicht mehr zu sagen, ob er nun eine junge, fruchtig-fröhliche Rosenschönheit ist oder deren mysteriöse Schwester, die ungebändigte – irgendwo dazwischen. Ihr werdet es erraten – er hätte ganz gut in die Anfangskollektion von Juliette has a Gun gepasst zwischen zwei Lieblingsrosen von mir, Miss Charming und Lady Vengeance.

Sehr feminin und sehr besonders – L’Eau de Marceline ist eine wahre Schönheit. Er ist nicht wahnsinnig komplex, aber weit davon entfernt, „plump“ zu sein. Und er ist innovativ – ich kenne keinen Duft, der wirklich ähnlich duftet. Für mich mein Favorit – und einer, der die nächsten Tage probegetragen wird, wer weiß, vielleicht muss er mein Portfolio bereichern 😉

Ist bei dem Trio auch ein Duft dabei, der Euren Namen ruft? Und wie findet Ihr die Flasche?

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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