Tom Fords Duftkollektion …

… ist mittlerweile riesengroß – ich musste erst einmal nachsehen, wie viele Düfte überhaupt bereits lanciert wurden.

Bei Fragrantica, im Normalfall ziemlich genau, finden sich 77 Düfte – davon entfällt natürlich ein Teil auf die „normalen“ Parfums, die schwarzen Orchideen, ergo die Düfte, die sich auf seinen Kassenschlager Black Orchid stützen, Grey Vetiver und sein Eau de Toilette. Dann gibt es die Schwarzen – Noir. Und die schwarzen Gärten – Jardin Noir, worunter bisher vier Düfte fallen. Danach sind wir schon knietief bei den Private Blends, die heutzutage Unterkollektionen haben (Atelier d’Orient, Les Extraits Verts, Neroli Portofino und White Musk).

Letztes Jahr kamen, ich habe extra geschaut, folgende Düfte auf den Markt – Mandarina di Amalfi Acqua und Sole di Positano (Private Blends Neroli Portofino – in den schönen türkisfarbenen Flakons, die Lust auf Urlaub machen), Noir Anthracite (die Noir-Kollektion), Fucking Fabulous, Vanille Fatale, Oud Minérale, Oud Wood Intense & Tobacco Oud Intense (Private Blends). Und dieses Jahr kam auch schon (oder kommt noch?) Eau de Soleil Blanc heraus.

Generell sieht es, was Tom Ford angeht, im Dufttagebuch noch „mau“ aus – bisher gibt es nur eine Rezension, und zwar von Tuscan Leather, die ist allerdings schon Jahre alt. Das liegt daran, dass wir die Marke noch gar nicht soo lange im Shop haben. Und animiert mich dazu, mir demnächst einmal ein paar Düfte vorzunehmen und sie Euch vorzustellen. Ich bin ehrlich – ich habe ein bisschen den Anschluss verloren. Ich kenne die Anfänge der Marke, habe dann immer wieder über die Jahre ein paar Düfte getestet, aber kenne bei weitem nicht alle der neueren Düfte. Das werden wir gemeinsam nachholen – und zwar unter anderem heute: Aus der Probenkiste sind mir Oud Minérale und Noir Anthracite entgegengesprungen, die ich für Euch rezensiere.

Das Oud, das aus dem Meer kam – Oud Minérale

Oud Minérale widmet sich einem Motiv, einer Thematik, die im Zusammenhang mit Oud noch weitestgehend unbeackert geblieben ist:

„Oud Minérale merges rare and precious oud with the fresh exuberance of the ocean, capturing the refreshing play of surf and sea against the burning flame of smoked wood. Tom Ford’s reinvention of Oud marks an olfactive watershed that pairs two of the world’s most intriguing elements to reveal tonalities both exhilarating and powerfully transcendent.“

TOM FORD // OUD MINERALE from Alvaro Colom on Vimeo.

Das alte Oud und das Meer – von Wind und Wellen ist die Rede, dem erfrischenden Nass der See und von brennenden oder zumindest kokelndem Holz. Liest sich nach einem Naturerlebnis, man oder zumindest ich denke gleich an gutaussehende Surfer, die bis zum Abend die Wellen reiten und dann bei einem Lagerfeuerchen am Meer sitzen, vielleicht irgendwo in Kalifornien. Das würde ja gut passen, lebt Tom Ford selbst doch auch zeitweise, wenn er sich nicht gerade in New York oder London herumtreibt, in Los Angeles.

Als Ingredienzen sind angegeben: Kopfnote: Maritime Noten, Rosa Pfeffer; Herznote: Algen, Balsamtanne, Meersalz; Basisnote: Ambra, Adlerholz (Oud), Styraxharz.

Oud Minérale startet aquatisch oder eher maritim – wie differenziere ich hier? Ich weiß gar nicht, ob es eine hochoffizielle Unterscheidung gibt, ich persönlich nehme sie aber vor: Aquatisch heißt für mich – Cool Water. Heißt – Swimming Pool. Wasser, ja, aber keine authentisch-natürliche Impression der See, sondern strahlend türkisfarbenes Wasser in einem Swimming Pool, in der Nähe eine Dusche, wo man sich samt dem dazugehörigen Duschgel abduscht, das seine Duftspuren ebenfalls hinterlässt. Maritim dahingegen deutet für mich in eine andere Richtung – eine mehr oder weniger natürlich wirkende olfaktorische Abbildung der See, Wasser, Gischt, Salz, Sand, vielleicht Treibholz, Stein(e) und ein paar Algen, eventuell auch ein paar Dünenpflanzen, die mit hineinspielen. Oud Minérale zeigt Wasser, salziges Wasser, das von Pfeffer eine gewisse Unruhe erfährt. Der Pfeffer kitzelt in der Nase, sorgt für Bewegung, stetige, zeichnet die Dynamik der Wellen nach, die tatsächlich ein paar dunkelgrüne Meerespflanzen entdecken lassen, hin und wieder. Prinzipiell allerdings ist Oud Minérale ein ruhiger Geselle, er schimmert mehr als das er tost, erinnert mich an einen Blick auf die Wellen direkt am Strand, wenn man auf den Sand schaut, von oben, das Wasser leise über ihn fließt und wieder zurück, kleine Boten des Meeres zurücklassend wie Treibholz, sonnengebleichtes, in Form geschliffene Steinchen und vereinzelte Muscheln, von Algen umrankt.

Wir haben es hier auch nicht mit einem Touristenstrand in einem hitzeverwöhnten Land zu tun … es könnte Kalifornien sein, dann aber am Abend oder in den frühen Morgenstunden, wo die Wärme des Tages sich zwar ankündigt, aber noch nicht wirklich vorhanden ist – denn Oud Minérale ist eher kühleren Naturells. Ihm wohnt eine gewisse Andeutung einer seidigen Wärme inne, er lässt demgemäß nicht frösteln, ist aber weit davon entfernt, ein warmer Duft zu sein. Ich nehme Nadelbäume wahr, irgendwo in der Nähe, und einen Hauch Rauch sowie, für mich eigentlich präsenter, aber immer noch sehr subtil – Leder. Leder, das sich in der seltsam salzigen, seidigen, fast cremig anmutenden „Skinnigkeit“ des Duftes verbirgt.

Ein kontemplativer Schönling, der sicherlich in erster Linie an Männer gerichtet ist, aber auch vielen Frauen gefallen dürfte. Er zielt in die Richtung von Montales Greyland, The Different Companys Sel de Vétiver, Heeleys Sel Marin, Simone Andreolis Deep Island, um Euch einen Anhaltspunkt zu geben. Wer diese Düfte mag, sollte in jedem Fall einen Test wagen. Und wo bleibt das Oud? Nun ja, weder auf meiner Haut noch auf dem Teststreifen ist es für mich sonderlich präsent – zumindest in der Form, wie wir es meist kennen. Die Lederassoziationen und der zarte Rauch sind ihm vermutlich geschuldet, ansonsten aber kein Oud in der uns bekannten Art und Weise.

Ein Spiel von Licht und Schatten – Noir Anthracite

Noir Anthracite gehört, wie oben schon erwähnt, zu der Noir-Serie, deren Anfang Noir bildete, der 2013 erschien. Dieser Begründer der „Unter-Kollektion“ ist eine Art moderner Florientale für Männer (nicht nur …) mit einer prägnanten Veilchennote im Auftakt, pfeffrig mit einem Hauch Tier und ordentlich Puder, Guerlains Habit Rouge und entfernter auch Shalimar zitierend. Unser Anthrazitschwarzer scheint in eine kühlere Richtung zu tendieren:

„Noir Anthracite reflects the light in the dark, the brilliance of bergamot and spice against rich black woods. The duality of the Noir man mirrors the dynamic tension between contrasts, where the high-shine glare against grey metal and the black veins of macassar pour into primal night.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Szechuanpfeffer, Ingwer; Herznote: Gewürze, Jasmin, Tuberose, Galbanum; Basisnote: Zedernholz, Ebenholz, Sandelholz, Patchouli.

Floral im Herzen, das fällt mir auf, wenn ich auf die Zutatenliste schaue – auf dem Teststreifen und erst recht auf meiner Haut blüht allerdings herzlich wenig, was in diesem Fall gar nicht schlimm ist.

Der Auftakt überzeugt mit einer Kombi, die niemals fehl geht: Bergamotte als Zitrusfrucht gepaart mit Pfeffer. Zitrische Frische und Herbheit mit würziger Schärfe, das funktioniert immer. Und wird und wirkt hier noch interessanter dank des Ingwers, der seine ihm eigene trocken-fruchtig-holzige Herbheit beisteuert. Diese tendiert bisweilen in eine bittere Ecke, was dem rosig-minzigen Geranium, dem dunkelgrün schillernden, als auch den Hölzern geschuldet ist, die, bisweilen salzig wirkend, wiederum zu der Ambivalenz des Duftes beitragen: Einerseits mutet er hell an, strahlend und dynamisch, andererseits offenbart er aber auch eine kühle Dunkelheit, die durch die Gewürze und eine ordentliche Portion Patschuli noch vertieft werden. Ich nehme mineralische Anklänge wahr, an Gestein erinnernde, von einer waldig-krautigen Aura umströmt. Ein Schattenwandler, der sich nicht fassen lassen möchte und aufgrund seines überaus kühlen Naturells eine reizende Distanz schafft, ein geheimnisvoller Charakter, dem man gerne auf den Grund gehen mag …

Noir Anthracite ist ein markanter, männlicher Duft, der dennoch ein perfekter Alltagsbegleiter für so gut wie jeden Anlass und so gut wie jede Jahreszeit darstellt. Das muss man erst einmal schaffen. Ich wundere mich zumindest beim Hauttest sehr, dass kein Vetiver drin ist – mich erinnert er etwas an Laliques Encre Noire sowie Chanels Sycomore, was aus meinem Munde definitiv ein Kompliment ist.

Wie sieht es aus, meine Lieben? Wenn ich mich demnächst hier etwas vertiefter mit Tom Ford befasse – von welchen Düften wünscht Ihr Euch hier zu lesen, gibt es spezielle Wünsche hinsichtlich zukünftiger Rezensionen?

Viele liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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