Blütenzauber aus Australien – Grandiflora

Ich weiß, ich schulde Euch noch einen Abschluss der Messeberichterstattung hinsichtlich der Pitti Fragranze, der diesjährigen. Wäre mir nicht Cire Trudon (sehr erfreulich) und meine Angina (weniger erfreulich) dazwischengekommen, hätte ich Euch diesen bereits „geliefert“ – dann würdet Ihr schon wissen, dass die Marke, der wir uns heute widmen werden, zu meinen persönlichen Messehighlights gehört. Nun also also umgekehrt – in den restlichen Messeneuheiten werden wir ihr nochmals begegnen, heute allerdings gehört meine, unsere Aufmerksamkeit ganz ihr. Die Rede ist von Grandiflora aus Australien.

Was Nische angeht, hat sich das Land, eigentlich der ganze Kontinent Australien bisher noch nicht sonderlich hervorgetan – witzigerweise waren auf der Pitti gleich zwei australische Marken vertreten, die meine besondere Aufmerksamkeit erregten. Grandiflora lockte vor allen Dingen mit einem äußerst opulent mit (echten) Blumen ausgestatteten Messestand und täglich wechselnden floralen Präsenten für die Besucher, so unter anderem Tuberosen und Hortensien. Ich weiß ja nicht, wie oft Ihr Blumen geschenkt bekommt, aber … mich „hat“ man damit selbstredend sofort, erst recht, wenn es sich um solch wundervolle Sorten handelt 😉

Am Anfang war – die Blume

Blumen zu verschenken passt natürlich zu Parfums, bei Grandiflora hat es aber einen ganz besonderen Hintergrund – die Marke hat ihren Ursprung in einem Blumenladen. 1995 öffnete dieser unter demselben Namen in Sydney seine Pforten. Die Frau dahinter ist Saskia Havekes, die, wie so oft, über Umwege zur Blume fand: Nach einer Berufskarriere in der Werbung als auch im Bereich der Kunst verliebte sie sich wohl zuallererst in die Räumlichkeiten des winzigen Shops. Darüber hinaus liebt Havekes Blumen, schon immer. Stöberte in Blumengeschäften und Märkten, genoss deren Duft, wie sie unter anderem in diesem Interview erzählt. So wurde Havekes irgendwann Floristin – und diese Bezeichnung ist die Untertreibung des Jahrhunderts, wenn man sich einmal ihre Werke ansieht. Es sind nicht nur Sträuße, zusammengetuddelte Blumen mit ein wenig Zierrat, sondern Arrangements, florale Kunstwerke und Installationen. Auf ihrer Webseite steht zu lesen, dass Havekes Blumen „kuratiert“ – das trifft es ziemlich genau. Und erklärt, warum sie nicht nur zu einer der berühmtesten Floristinnen Australiens wurde, sondern mittlerweile auch ein sehr weites Geschäftsfeld hat: Havekes stattet aus – Fashiondesigner für deren Shows oder Shootings, Feierlichkeiten jeglicher Art für Prominenz etwaiger Natur (Stars, Sternchen und Blaublüter, so z.B. für Lady Di, für Eva Longorias Hochzeit und andere), sie arbeitet für und mit Künstlern und hat bereits einige Bücher veröffentlicht, Bildbände, die leider alle momentan vergriffen sind und, wenn überhaupt, nur zu horrenden Preisen erhältlich (ich hätte sehr gerne einen gekauft und war bereits auf der Suche).

Flowers on Ice by Saskia Havekes, shot by GaryHeery for Together Journal – geklaut auf Instagram

Havekes war persönlich auf der Pitti Fragranze, ihr Stand erregte einiges Aufsehen, unter anderem wegen der Präsentation als auch wegen Bertrand Duchaufour, der zwei ihrer Düfte kreierte und häufig bei ihr anzutreffen war. Ich hatte kurz die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und fand sie menschlich überaus sympathisch, was in den wenigen Videoclips, die man im Netz so findet, sehr gut rüberkommt:

Woman At Work – hier ein kurzer Clip von Havekes beim Komponieren eines … „Straußes“, wobei mir das Wort in Anbetracht des Ergebnisses nicht wirklich über die Lippen kommen mag:

Es gibt noch diverse Artikel über Saskia Havekes im Netz, von denen ich Euch einige zusammengetragen habe:

Stöbert ruhig mal ein wenig, Havekes hat viel zu erzählen, beispielsweise über ihre Kindheit im Künstlerhaushalt zwischen Antiquitäten und alter Keramik, über ihre diversen Projekte – es macht Spaß, die Artikel zu lesen!

Am Anfang war – Magnolia Grandiflora

Grandiflora, Laden und Marke, tragen ihren Namen wegen Havekes Liebe zu einer bestimmten Blume, der Immergrünen Magnolie, Magnolia Grandiflora. In dem oben genannten (tollen!) Artikel von The Planthunter steht dazu Folgendes geschrieben:

‘I love that flower so much. Everything about it. It’s just got everything going for it’, she says. But does she ever get sick of looking at it? ‘Never. Never ever. Even when the flowers are old and brown. I love it when they throw themselves apart. You can even hear it happen sometimes.’

Strangely, some of her clients are not as appreciative of the plant as Saskia, ‘People say to me “don’t ever send those flowers to me again, they make such a mess.” I’m like, “Are you serious!? Can’t you see the beauty in them dying?” Things need to be enjoyed as they finish, burn, die. I’m a great believer in that.’

The Beauty in them dying … das trifft bei mir natürlich einen Nerv. Regelmäßige Leser/innen werden wissen, was jetzt gleich kommt … Baudelaire. Nietzsche selbstredend, sein Zarathustra mit der Lust, die Ewigkeit will. Und Horst Janssen, vor allem dessen Tagebuch einer Amaryllis, ein Bild, dass vier Stadien der Blüte einer Amaryllis zeigt. Letztendlich ist es natürlich klingen da die ganz großen Themen an – Schönheit, Vergänglichkeit, das Leben, daran haben sich etliche Schaffende abgearbeitet, ob nun Philosophen, Literaten oder Künstler. Den Zugang allerdings, diesen Komplex in, salopp formuliert: einem Blumengebinde zu sehen, der hebt Havekes ganz bestimmt hervor aus ihrer Zunft und ist mit Sicherheit auch ein Grund, weshalb ihr Geschäft nicht ein stinknormaler Blumenladen an der Ecke geblieben ist.

Wenden wir uns aber wieder der Marke zu oder vielmehr – den Düften, die mittlerweile zu Havekes Portfolio gehören. Fünf an der Zahl sind es bisher, allesamt von großen Namen kreiert: Sandrine Videault, Michel Roudnitska und Bertrand Duchaufour. Den Auftakt heute macht Sandrine, die erste Kreation.

Magnolia Grandiflora Sandrine – ein Vermächtnis

Die Geschichte zu Grandifloras erstem Duft, Magnolia Grandiflora Sandrine, ist eine schöne und gleichermaßen tieftraurige.

Saskia Havekes suchte sich für ihre erste Kreation die Parfümeurin Sandrine Videault heraus, die ihre liebste Blume porträtieren sollte, jene Immergrüne Magnolie, auch Southern Magnolia genannt, die im Südosten Nordamerikas gedeiht. Als sich die beiden das erste Mal trafen, dekorierte Havekes das Hotelzimmer Videaults mit vielen Magnolienblüten in Probenvasen, um sie mit dem „Rohmaterial“ zu umgeben. Videault erkannte schnell, dass es sein sensibler Prozess werden würde, so sie genau die Assoziationen treffen wollte, die Havekes mit jener Magnolienart verbindet. Bis der Duft schlussendlich fertig war, dauerte es wohl Jahre. Jahre, in denen die beiden Frauen immer wieder telefonierten, oft via Skype, sich unterhielten über den Duft und vermutlich auch über das Leben. Im oben verlinkten Planthunter-Artikel steht zu lesen, dass Havekes Videault von der ersten Minute an in ihr Herz geschlossen hatte.

2013 wurde Magnolia Grandiflora Sandrine dann schlussendlich lanciert – nur wenige Wochen, bevor Videault viel zu jung und viel zu früh verstarb. Nachrufe auf die junge Parfümeurin, die unter anderem Les Nez Manoumalia schuf, gibt es einige im Netz, unter anderem bei Grain de Musc.

Anlässlich der Esxence 2013 gab es einen öffentlichen Nachruf von Michael Edwards, Saskia Havekes und einigen anderen:

Bei Les Nez (die es wohl nicht mehr gibt, die allerdings noch eine alte Seite im Netz haben) ist zu Videault dieser aussagekräftige Absatz zu lesen:

„“Getragen“ von Edmond und Therese Roudnitska, von Pierre Bourdon ausgebildet, wählte Sandrine schnell die Unabhängigkeit. Sie machte wenige kommerzielle Parfums (darunter Les Néréides oder Esteban ) Sie wurde die Archeologin der Düfte und komponierte die Rekonstruktionen der alten ägyptischen Parfums Kyphi für das Kairo Museum mit Unterstützung von L’Oréal. Mit zeitgenössischen Künstlern, kreierte sie Installationen, zum Beispiel rund um den Song of Songs, erfand Duft Blasen für den FIAC und arbeitete mit dem Künstler Pierre Huyghe.“

Magnolia Grandiflora Sandrine ist somit auch so etwas wie ein Vermächtnis, das letzte Werk einer sehr talentierten Künstlerin. Von der Lancierung des Duftes habe ich auf einem Blog wundervolle Bilder gefunden – seht hier.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Zitrische Noten, Grapefruit, Pfeffer; Herznote: Moos, Hölzer; Basisnote: Moschus, Maritime Noten, Baumrinde, Blätter, Ozonische Noten.

Duftet die Immergrüne Magnolie genauso wie jene Magnolienarten, die wir hier bei uns in den Vorgärten stehen haben, die ich gerne in der Stuttgarter Wilhelma genieße, die für ihre Magnolienblüte bekannt ist? Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht. Und das Netz konnte mir diesbezüglich auch nicht weiterhelfen.

Magnolia Grandiflora Sandrine duftet in jedem Fall nicht unbedingt so, wie man sich Magnolie für gewöhnlich vorstellt, zartrosa oder wässrig-süß, zumindest … anfänglich, oder? Als allererstes nehme ich hinter ozonig-luftigen Noten etwas wahr, was mich an Rhabarber erinnert – eine säuerliche, herb-fruchtige Frische. Auf dem Teststreifen ist es nach einiger Zeit einfacher als Grapefruit-Pfeffer-Duftgewebe zu erkennen nebst moosigem Unterbau, auf meiner Haut allerdings bleibt es … Rhabarber. Rhabarber-Wasser mit Kohlensäure und einem Spritzer Zitrone oder vielleicht eher Bergamotte. Vielleicht kann es sich der eine oder andere bereits denken … Magnolia Grandiflora Sandrine könnte durchaus von einem Mann getragen werden, korrekt. Denn obschon nach einer gewissen Zeit Blüten auszumachen sind, verliert der Duft nie jene säuerlich-herbe Frische, die er im Auftakt offeriert. Aber von was für Blüten rede ich, schreibe ich? Für mich sind es abstrakte Blüten, weiße Blütenblätter, gegen die Sonne gehalten, die ihre feinen, fast transparenten „Äderchen“ erkennen lassen, welche noch durchscheinender sind, das Licht noch besser durchlassen. Grün umrankt sind sie, von smaragdgrün-strahlenden Blättern. Doch süß, narkotisierend? Nein, das sind sie nicht, unsere Blüten, vielmehr „sparkling“, prickelnd wie ein gutes und herrlich kühles Glas Crémant.

Ich verstehe Videaults Magnolieninterpretation, für die sie vollkommene Freiheit hatte. Und ich finde sie toll. Dennoch möchte und sollte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es kein typischer Magnolienduft ist. Und dass es auch kein typischer Blütenduft ist. Dafür ist es eines jener seltenen Blumenparfums, das unisex ist und erfrischend, das Blütenpracht inszeniert ohne jeglichen Hauch Süße, Wärme oder dem Anspruch, betörend wirken zu wollen. Ein Aspekt, der den Duft gerade deswegen so anziehend macht, wie ich finde 😉

Ihr dürft gespannt sein auf den Rest der Linie, meine Lieben!

Bis dahin alles Gute und viele liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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