Die letzten beiden Düfte von Dalí Haute Parfumerie …

… beschäftigen uns heute – und für den Anfang habe ich Euch ein ganz grandioses Foto von Salvador Dalí herausgesucht, unverkennbar, oder nicht?

By Roger Higgins, World Telegram staff photographer [Public domain], via Wikimedia Commons
Voyage Onirique du Papillon de Vie macht heute den Anfang:

„Behutsam auf das 1965 kreierte Schmuckstück „Chalice of Life“ gesetzt, ist der Schmetterling, der die Flasche ziert, eine Einladung des Meisterparfümeurs, zu einer Fantasiereise abzuheben, im Windschatten eines süßen, leichten und flüchtigen Dufts. Diese verlockende Metamorphose wird schillernd und pudrig, schimmert durch einen rosigen Pfirsich.

Sanft spannt dieser empfindsame Duft seine Flügel auf und hüllt uns ein, um uns in seinem Netz zu fangen. In seinem Herzen voller makelloser weißer Blüten (indische Tuberose, Maiglöckchen, weiße Lilie) findet sich ein Glücksspiel und ein Versprechen des Glücks. Währenddessen wird das Leuchten des nordafrikanischen Orangenblütenabsolues intensiver. Die fröhliche Blüte steckt voller Kontraste: zugleich frisch und heiter, sinnlich und mild, poetisch und zärtlich. Sie ist sinnlich, doch wird sie lustvoll, wenn Zedernholz unter einem Schleier aus weißem Moschus hinzukommt. Wie der Schmetterling des Lebens, verliebt in das Licht, unser Herz und unsere Seele werden von diesem brillanten und sinnlichen Hauch eingenommen und wir fliegen in einer traumhaften Reise.“

© Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí, Figueres, 2014.

Die Ingredienzen: Kopfnote: Roter Pfeffer, Neroli, Veilchenblätter, Schwarze Johannisbeere; Herznote: Orangenblüte, Tuberose, Maiglöckchen, Lilie; Basisnote: Sandelholz, Weißer Moschus, Zedernholz, Vanille.

Das „Schmuckstück“, das als Vorlage und Inspirationsquelle diente, ist das erste größere seiner Art. Bisher hatten wir es mit kleinen, wenige Zentimeter großen Miniatur-Meisterwerken zu tun, Chalice of Life ist aber ein großer Pokal: 41,00 x 24,00 x 21,50 cm betragen die Maße des 1965 geschaffenen Werks, das aus 18karätigem Gold gemacht ist. Diamanten in unterschiedlichen Schliffen, Sapphire, Rubine, Smaragde und Lapislazuli zieren das schöne Stück, die Schmetterlinge verfügen über einen speziellen Mechanismus, sie können ihre Flügel bewegen.

Auf der Webseite des Museums sind alle Dalí Juwels abgebildet – je mehr ich darüber schreibe, desto mehr Lust bekomme ich, mir diese wahnsinnig schönen und aufwendigen Stücke einmal anzusehen. War jemand schon mal dort?

Müsste ich Voyage Onirique du Papillon de Vie auf ein, zwei Worte reduzieren, dann wären es Schönheit und Sinnlichkeit, und zwar weibliche. Was für ein wunderschöner Damenduft, was für eine Hommage an das Weibliche! Bei manchen Meisterparfumeuren, vor allem bei den älteren Semestern, fällt mir häufig auf, wie wahnsinnig tolle Damendüfte sie machen können. Bourdon ist dafür auch ein schönes Beispiel (eines meiner Lieblingsbeispiele, ich gebe es zu ;)). Im ersten Artikel zu Dalí Haute Parfumerie hatte ich es bereits angesprochen, und zwar bei dem ersten Duft der Kollektion, den ich rezensierte:

„Morillas zeigt mit Melodie du Cygne de la Main einmal mehr, dass er wunderschöne Damendüfte machen kann: Nichts madamiges hat der Duft an sich, dafür ist er „einfach nur“ ein wunderschöner Duft für Frauen, wobei das „einfach nur“ ein Euphemismus ist. Einen klassischen, aber dennoch kontemporären Damenduft zu machen, ist gar nicht so einfach. Und wenn er dann auch noch sinnlich sein soll, erotisch, ohne vordergründig sexy zu sein, billig und/oder oberflächlich, wird es wirklich zur Herausforderung, die Morillas, Ihr werdet es bereits erahnen, spielend bewältigt.“

Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit unserer Leserin Jutta L., die ich schon seit längerem kenne und sehr schätze, indem sie den Wunsch äußerte, dass Düfte in Zukunft weniger unisex (oder „shareable“, wie das jetzt neuerdings heißt) wären, sondern es wieder mehr eindeutig zuzuordnende Parfums gäbe. Ich konnte das sehr gut nachvollziehen, denn nach den vielen geschlechtsneutralen Düften und der Welle der „Un-Parfums“, der Düfte, die ihre eigentliche Identität als Parfums eigentlich verleugnen möchten, könnte für mich auch mal wieder ein bisschen mehr Entscheidungsfreude an den Tag gelegt werden. Vielleicht ist es wie in der Mode: Es ist toll, dass Frauen mittlerweile alles tragen können, Männer auch, … trotzdem ist man keine „Verräterin“, wenn man sich als Frau weiblich fühlt, fühlen möchte und gerne auch so aussehen möchte. Das muss auch nicht zwangsläufig mit einem Mann zu tun haben 😉 Versteht Ihr, was ich meine? Umso schöner ist es, wenn beispielsweise Modeschöpfer Kleidungsstücke für Frauen kreieren, Kleidungsstücke, die Weiblichkeit ausstrahlen, deren Schokoseite in Szene setzen (und nicht so geschnitten sind, dass beispielsweise selbst XXS-Frauen darin dick aussehen, das gibt es und es grenzt für mich, wenn wir Inkompetenz mal ausschließen, an Frauenfeindlichkeit beziehungsweise sagt mir, dass der Schöpfer des Kleidungsstückes Frauen eigentlich nicht mag oder möchte, dass sie wie Männer aussehen – meine Theorie, durchaus streitbar, aber …).

In dem ersten Artikel über den Workshoptag der diesjährigen Art and Olfaction Awards in Berlin hatte ich über den Vortrag von Andreas Wilhelm berichtet – seht hier. Daran muss ich gerade denken, und zwar an Folgendes:

„Zu guter Letzt äußerte Andreas den Wunsch, den wir eigentlich alle hegen: Dass Düfte mehr in den Vordergrund der Wahrnehmung rücken, dass mehr zum Thema Duft passiert, dass mehr interdisziplinär gearbeitet wird. Und, sein ganz persönlicher: Dass Kunst im Zusammenhang mit Duft nicht immer durch „Hässlichkeit“ bzw. Abstoßendes auf sich aufmerksam machen sollte, schockieren und provozieren, dass man sich hier doch auch der Schönheit, dem Schönen zuwenden könne, wie auch immer das ausgestaltet wird.“

„Einfach nur“ Schönheit in die Flasche bannen – ich glaube, das ist heute nicht so einfach. Provozieren ist einfacher, bringt einen schneller in den Fokus, so zumindest meiner Meinung nach. Umso mehr freue ich mich über Dalí Haute Parfumerie, über den Mut, „einfach nur“ schöne Damendüfte zu offerieren. Wahnsinnig schöne, anmutige, weibliche Düfte – Ihr seht schon, mich hat Morillas mit dieser Kollektion längst für sich gewonnen – unser Schmetterling hier reiht sich ein, steht dem in nichts nach.

Voyage Onirique du Papillon de Vie ist ein Weißblüher, präsentiert ein wundervolles Bouquet weißer Blüten, das üppig blüht, aber perfekt ausbalanciert ist. Ich mache hier gar nicht so genau einzelne Blumen(arten) aus, das kann man, wenn man sich darauf konzentriert. Mir geht es aber einmal mehr so, dass der Gesamteindruck des Duftes so „dicht“ ist, so fein gewebt, dass es mir schwer fällt, den Duft in seine Einzelteile zu zerlegen – es sträubt sich in mir etwas dagegen. Cremig zeigen sich die weißen Blüten und nektarsüß, sie deuten ihr narkotisierendes Potential an, kokett zwinkernd, ohne es jedoch komplett auszureizen. Pudrig, samtig, sinnlich und seidig schillernd oszillieren sie. Die Balance des Duftes ist überaus gekonnt umgesetzt: Früchte, samtig-saftiger, köstlicher Pfirsich, darüber hinaus sacht-herbe Johannisbeeren, vielleicht auch ein paar Erdbeeren hauchen dem Duft eine gewisse Frische ein, kreieren aber auch gourmandige Anklänge, die wiederum von dem warm-würzigen Vanillecrememeer der Basis aufgegriffen werden. Heraus kommt einmal mehr ein herausragender und wunderbarer Damenduft – viel mehr kann man dazu nicht sagen, außer eine ziemlich eindringliche Testempfehlung zu geben, und zwar für die ganze Kollektion 😉

Einen haben wir noch, Calice de la Séduction Éternelle:

„Gekrönt mit einem heiligen Kelch, eine Hommage an das 1953 von Salvador Dalí kreierte Schmuckstück „Tristan and Isolde“ aus Gold, Platin, Diamanten und Almandin, wird die Flasche zu einem Gefäß zu einem kontrastreichen und wundervoll goldenen Ambraduft. Ein intensiv duftender Liebestrank, der alle Sinne erfreut. Er entführt Sie ins Land von Tausendundeine Nacht, eine luxuriöse und opulente Einladung in fremde Gefilde, um in Luxus und Sinnlichkeit einzutauchen.

In seiner Interpretation von Dalís Werk wählte Alberto Morillas Noten frischer Essenzen der Florida-Orange, die aus dem Dalíschen Kelch strömen und uns zum Herzen aus einem sonnigen floralen Akkord aus Rose, Jasmin und natürlichem Ylang-Ylang von den Komoren führen. Ein holziges Vibrato aus Zedernholz und haitianischem Vetiver zeigt sich in der weichen Basis, die von der Fülle wunderschönen Ambers abgerundet wird. Dieser majestätische Akkord erinnert an den fröhlichen und sinnlichen Orient und lässt süße Vanillenoten, spanisches Labdanum und indonesisches Patschuli wehen.

Sanft und sinnlich – dieser Duft wird zu einer Versuchung, um sich der ewigen Verführung hinzugeben.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Orange, Geranium, Muskatellersalbei, Jasmin, Ylang-Ylang, Rose; Herznote: Weihrauch, Zedernholz, Vetiver; Basisnote: Labdanum (Zistrose), Vanille, Patchouli.

© Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí, Figueres, 2014.

Das Schmuckstück Tristan and Isolde ist von 1953 und wieder ein Miniaturkunstwerk: 4,10 x 4,40 x 1,20 cm sind die Maße, 18 Karat Gold, Platin, Diamanten sowie ein Almandin (zu den Granaten gehörend) wurden verarbeitet.

Eine Liebesgeschichte, ein Liebestrank … oooh, hier werden einige von Euch dahinschmelzen, das kann ich Euch garantieren!

„The End of the Song“ (1902) by Edmund Blair Leighton [Public domain], via Wikimedia Commons
Calice de la Séduction Éternelle ist meines Erachtens nach ein moderner Orientale, ein herrlich leuchtender und funkelnder. Ein Harzduft, warm-würzig und sinnlich-süß, opulent, berauschend, aber nicht „erschlagend“, keinesfalls. Eben ein fünftes und letztes Meisterwerk, wie alle anderen Düfte der Dalí Haute Parfumerie-Kollektion, die ich gerne früher entdeckt hätte, wie ich gestehen muss. Aber besser spät als nie, oder nicht? 😉

Calice de la Séduction Éternelle ist gleichzeitig klassisch und reich(haltig), gleichermaßen aber auch zeitgemäß und auf eine Art und Weise reduziert, obschon ich ihn jetzt nicht als minimalistischen Duft bezeichnen würde. Er brilliert durch Harze, durch deren raumgreifende Strahlkraft, ihre Eleganz, Anmut, ihre luxuriöse Ausstrahlung und ihre Sinnlichkeit. Es ist die unwiderstehliche Mischung aus  Ambra, Labdanum und Vanille, die im Zentrum steht, und meisterhaft von den restlichen Ingredienzen unterstützt und fokussiert werden. Orange und Orangenblüten schaffen Sonne und Wärme, spenden Frucht- und Nektarsüße, darüber hinaus fruchtige Frische. Ylang und Jasmin stiften tropisch-florale Anmutungen, die Fernweh wecken und Sehnsüchte, ein paar edle Hölzer balancieren aus und Patchouli erdet, vertieft. Der Weihrauch hüllt seine Harzverwandten edel ein, die pudern, samtig und kostbar, Wärme und Würzigkeit verströmend in inniger Umarmung mit Vanille.

Regelmäßige Leser werden es wissen – ich rieche Harze wahnsinnig gerne, aber an mir selbst mag ich keine Ambradüfte. Trotzdem – dieser hier ist etwas ganz Besonderes, ein exzellenter Vertreter seiner Gattung, der, aufpassen, als tatsächlich von beiden Geschlechtern getragen werden kann. Ihn „unisex“ zu nennen würde dem Duft nicht gerecht werden, ich kann ihn mir aber an Frauen und an Männern gleichermaßen gut vorstellen.

Ich bin ganz entzückt – und hoffe, Ihr testet. Berichtet Ihr, wenn Ihr einmal die Gelegenheit hattet? Ich würde mich sehr freuen!

Einen schönen Feiertag und viele liebe Grüße,

Eure Ulrike

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert