Man könnte meinen, ihm kröchen Weinbergschnecken den Kragen hinauf – aber es handelt sich keineswegs um Gourmethappen in Kragenweite, sondern um Bisamäpfel. In kugelförmigen Behältern trug man Duftstoffe bei sich – „Bisam“ leitet sich vom türkischen „besem“, zu Deutsch „Geruch“ ab. Man trug diese kleinen Gewürzbüchsen aber nicht nur bei sich, um gut zu riechen, sondern auch aus medizinischen Gründen, galten sie auch als Allheilmittel gegen so gut wie alle Beschwerden und als Abwehr gegen Krankheiten. Zu Zeiten der Pest wurden sie deswegen besonders populär, denn man glaubte, dass üble Gerüche die Ansteckung begünstigten.
Vielleicht haben Eau d’Italie versucht, den Duft aus diesen Bisamäpfeln zu rekonstruieren. Am häufigsten wurden in den Duftrezepturen jedenfalls Styraxharz, Rosenblätter, Labdanum, Moschus, Muskatnuss, Ambra und Gewürznelken verwendet, zudem aber auch viele weiter Gewürze, Schalen, Harze und Hölzer.
Die angegebenen Duftnoten scheinen in jedem Fall nicht unpassend zu sein: Kopfnote: Orange, Zimt, Kardamom; Herznote: Weihrauch, Safran, Myrrhe; Basisnote: Vetiver, Vanille, Benzoeharz
Ganz feine Gewürze sind es, die mir vom Duftstreifen entgegenströmen: Orangen und Zimt, beide aber ohne Ecken und Kanten, ein wenig Kardamom, auch Safran ist klar wahrzunehmen und ich hätte auch auf etwas Patchouli gewettet, von zarten Vanillesprenklern begleitet. Auf der Haut kommt bei mir vor allem der von Orange durchsetzte Zimt deutlich heraus, um in eine, Obacht, balsamische Weichheit auszuklingen. Der etwas diffuse aber zarte Nachhall schillert voller Gewürze, voller Harze, bleibt aber angenehm leicht.
Spontan hat mich der Duft an État Libre d’Oranges „Noël au balcon“ erinnert – und an der Schönen und des Biests Blogartikel – im direkten Vergleich ist Noël aber weitaus süßer und weiblicher. Man könnte aber durchaus sagen, dass „Baume du Doge“ eine wundervolle Alternative für den Herrn wäre – ohne die Damen auszuschließen. Ein würziger Winterduft, der nicht zu weihnachtlich ist, um nicht in der ganzen kalten Jahreszeit getragen zu werden.
Letztes Jahr im Juni begeisterte mich schon das „Grillmöhrchen“ „Bois d’Ombrie“ aus dem gleichen Hause und ebenfalls von Duchaufour – dieser Duft hat meine Neugier umso mehr geweckt.
Wer also einen gewürzigen Duft sucht, der aber nicht erdrückend oder schwer daherkommt, wer Zimt gerne mag und weiche, balsamische Düfte, der sollte meinem kleinen Abstecher nach Venedig folgen und den Dogen mit seinem Bisamapfelkragen besuchen.
Viele Grüße
von Harmen
Lieber Harmen,
danke für den Venedig Ausflug – vor zwei oder drei Wochen kam auch eine sehr schöne Reportage auf Arte über Venedig und ich war sozusagen noch voll im Venedig Fieber. Der Duft klingt super spannend – ist gleich auf meiner Testliste gelandet. Die Gemälde waren sehr schön ausgesucht und ja .. ich dachte wirklich da wären Weinbergschnecken auf Wanderung.
Fast auf die optische Täuschung rein gefallen !
Danke für die Erläuterung!!!
Üt
Hallo Üt,
freut mich, dass ich ein wenig zum Venedig-Fieber beitragen konnte. 🙂
Eine gute Woche wünsche ich!
Liebe Grüße
Harmen