Wenn der Absinth spricht: Rotkäppchen geht auf Büffeljagd

Liebe Freunde der alkoholischen Freuden,

zum letzten Mal in diesem Jahr werfe ich mich der Grünen Fee in die Arme, duftlich zumindest. Ob ich mir noch ein Gläschen des Destillats an meine bebenden Lippen führen werde, lasse ich lieber offen. Den dionysischen Gelüsten frönend waren bereits Gualtieris „Absinth“ sowie „Fou d’Absinth“ von L’Artisan Parfumeur Gegenstand langatmiger gelehrter Abhandlungen, die Paragraf für Paragraf in schleppendster Manier weltfremd durchexerziert wurden. Zu konstatieren war in beiden Fällen, dass sich keiner der Duftmischer für eine bloße Mimesis des Rauschtrankes hergeben wollte. So ist auch bei Herrn BuxtonsWood & Absinth“ nicht mit Altbekanntem zu rechnen.

The Beast in the Bush

Wie so oft zeigt sich auf dem Duftstreifen nur die Ahnung dessen, was in dem Duft steckt, denn auf der Haut wird sofort ein rauchig-grasiger Vetiver wahrnehmbar, zitrische Noten sorgen für Frische. Der Vetiver tritt wieder ein wenig in den Hintergrund und Hölzer treiben ihr Unwesen. Der in den Duftnoten angegebene Anis hätte für echte Absinthillusionen sorgen können, würde ich ihn entdecken. Für das Herz wurden Jasmin und Rosenholz angegeben. Diese Kandidaten führen ein schattenhaftes Dasein und gehen im dominanten Holzverbund vollständig auf.

Ein holziger Duft, den ich tendenziell einem Herren unterschieben würde, ermächtigen sich doch vor allem auf der Haut die Holztöne. Eine eng ineinandergefügte Komposition, die wenig in die Mechanismen blicken lässt, so verknoten sich kreuz und quer über den Duftverlauf Vetiver- und Muskatellersalbeinoten sowie verschiedene Hölzer.

Jenna Red 06

Die Duftnoten:
Kopfnote: Zitrone, Orange, Muskatellersalbei, Anis
Herznote: Jasmin, Rosenholz
Basisnote: Hölzer, Vetiver

Ein wirklich spannender Duft, der tief im Gehölz mit allerlei schillernden Aspekten aufzuwarten weiß. Von hellen zitrischen Lichtflecken, die den Waldboden sprenkeln über grasiges Wurzelwerk, Krautiges passt sich hier passend ein, und die ferne und unerfüllbare Hoffnung auf liebliche Blüten geht in einen versöhnlichen Ausklang über.

Lasst uns ein wenig im Absinth schwelgen, Zuckerwürfel anzünden und uns vorstellen, wie Rotkäppchen auf Büffeljagd geht. Darauf einen Mozzarella! Prost 🙂

Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

2 Kommentare

  1. Susanne
    10. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Harmen,

    du hast heute genau den Duft besprochen, den ich mir vor kurzem als Abfüllung gegönnt habe – aus Neugier auf Mark Buxtons Duftspektrum einerseits (ich liebe seit Jahren „Comme des Garcons 2“ ohne allerdings lange Zeit gewußt zu haben, dass Buxton diese herrliche Komposition kreiert hat) und natürlich auch wegen dem Thema Absinth, das mich im Kontext mit Parfum sehr interessiert, wie das denn nun von einem Parfumeur umgesetzt werden kann, ohne dass man riecht, als hätte man am frühen Morgen schon eine halbe Flasche Pernod geleert … diese zweite Frage ist zweifelsohne hinsichtlich aller Düfte, die „Absinth“ im Namen tragen, gelöst, und von dir auch bestätigt: der pure Absinth kommt nicht zum Vorschein.

    Ich habe auch bereits mehrfach „Wood & Absinth“ als meinen Tagesduft aufgesprüht, denn gleich beim ersten Schnuppern hat er mich restlos begeistert, wobei er sich auf meiner Haut völlig anders entfaltet als von dir beschrieben: die zitrischen Noten verfliegen fast sofort und es entwickelt sich eine unglaublich reiche Würzigkeit, etwas holzig ja, aber nicht grün, dafür ist das Ganze zu warm.

    Voll und ganz stimme ich dir dahingehend zu, dass ich auch bei intensivstem Schnuppern nicht einen Hauch von Anis entdecken kann. Aber bei mir ist dafür dieser fast cremige Anklang (Iris muß das wohl sein?) sehr deutlich.

    Nun, ich finde diesen Duft für mich als Frau mehr als passend, das Würzige ist auf meinem Handgelenk nicht dominant, sondern harmoniert wunderbar mit den warmen Tönen – du hast hierfür das sehr ausdrucksstarke Bild des sich kreuz und quer über den Duftverlauf Verknotens gewählt.
    Und in der Tat, ein überaus spannender Duft!

    In diesem Sinne, einen schönen Montag, an dem ich nicht in Absinth, sondern in „Wood & Absinth“ schwelgen werde.
    Susanne

  2. Harmen
    10. Dezember 2012
    Antworten

    Hallo Susanne,
    ja, eigentlich bräuchte man mehrere Testhäute, um ein breiteres Spektrum beschreiben zu können, wozu sich ein Duft entwickeln kann. Oder man hat nette Leser, die das per Kommentar nachreichen 😉 Vielen Dank für Deine Eindrücke! 🙂
    Liebe Grüße
    Harmen

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