Extravaganzen die Dritte – Les Eaux Extravagantes von Maître Parfumeur et Gantier

Heute erwartet uns der letzte Duft der Les Eaux Extravagantes-Kollektion, eine Auflage respektvoll variierter Klassiker des Hauses Maître Parfumeur et GantierFraîcheur Muskissime.

Ehrlich gesagt hat mir das die letzten Tage sehr imponiert: Scheinbar hat Millet Lage, seines Zeichens Schüler von dem Gründer des Hauses, Laporte, ja tatsächlich die alten Rezepturen seines Lehrmeisters nur in den Konzentrationen, das heißt in der Dosis verändert. Keine neuen Ingredienzen wurden wohl hinzugefügt, so wie das Haus verlauten lässt.

In beiden bisher rezensierten „Fällen“, Eau pour le jeune Homme als auch vor allem Vocalise, erscheint mir das fast wie Zauberei, was die Parfumeurskunst in meinen Augen eigentlich ohnehin schon ist: Gerade die beiden Vocalise-Schwestern erscheinen so unterschiedlich – man mag kaum glauben, dass sie quasi aus demselben Holz geschnitzt wurden. Ich bin deshalb sehr gespannt, was es mit dem dritten Duftpaar auf sich hat und stürze mich sofort auf unseren heutigen Kandidaten:

„This accord of musk and bergamot, with its subtle notes of blackberries and raspberries,wraps you in its intimacy like a second skin. Sensual and discreet, it will shroud you in a veil of beauty.“

Intimität wird versprochen beim Original, Sinnlichkeit, Diskretion und – von einer zweiten Haut ist hier die Rede. Umgesetzt wurde das mit folgenden Ingredienzen: Kopfnote: Bergamotte, Grapefruit, Herznote: Brombeere, Himbeere, Jasmin; Basisnote; Sandelholz, Moschus.

Das Original zeigt sich anfänglich kühn mit draufgängerischen Hesperiden, die sogleich meine Nase erobern: Herbheit und perlende Säuerlichkeit dominieren den Auftakt, zitrisch-dynamisch wie eh und je. Sobald dieser Agrumenrausch von dannen zieht wird es persönlicher, vielleicht auch – intimer: Das Sandelholz, ragt aus der Basis weit in die Duftmitte hinein, pudert, wärmt, würzt und süßt, was es das Zeug hält. Und verhält sich ganz Laporte-typisch – denn meines Erachtens nach ist diese (für manche Nase etwas betagt anmutende) Sandelholz + X-Basis charakterisierend für viele der Düfte aus der Hand dieses Parfumeurs. Wie bei Guerlain die Guerlinade oder bei Tauer das, was irgendwer aus den amerikanischen Foren mal passend Tauerade genannt hatte, einen Begriff, den ich gerne sofort adaptiert habe – Laporte hat seine Handschrift, und die muss man einfach mögen, auch in den Herrendüften. Hier verschmilzt das Sandelholz, das dank der Beeren einen fruchtigen Klang hat, mit cremigem Jasmin. Eine hautnahe, schöne Verbindung, die die beiden hier eingehen.

Fraîcheur Muskissime Extravagante ist ganz anders gewichtet: Frisch aufgesprüht leuchten durchaus erste Hesperiden wie Sterne am Duftfirmament auf, deren glänzender Schein währt aber nicht lange. Schon kurze Zeit später brilliert der Duft mit einem von vorne herein deutlich wahrnehmbaren, dichten Beerenstillleben – erlesen fruchtig, fein-süß und auf ideale Art und Weise von cremig-kokettem Jasmin abgerundet.

Eindrucksvoll ist bei den beiden Düften, dass auch hier die Gewichtung der Ingredienzen sehr unterschiedlich zu sein scheint, was zwei vollkommen andere Düfte entstehen lässt: Fraîcheur Muskissime das Original ist definitiv, auch von der Ausstrahlung her, die Ältere von beiden. Die Priorität ist hier ganz klar die Sandelholzverbindung mit dem Jasmin samt den fast gleichberechtigten Zitrussprenklern. In meiner Vorstellung ist dieser Duft alt- beziehungsweise puderrosa, vielleicht mit kleinen pastellgelben Polkadots versehen. Fraîcheur Muskissime Extravagante hat für mich eine ganz andere Farbe – Aubergine oder Pink. Hauptaugenmerk liegt hier auf der Liaison der Beeren mit dem Jasmin, die Agrumenfrüchte spielen nur anfänglich eine einleitende Rolle. Hautnah sind sie beide auf eine Art und Weise, das Original ist aber eher pudriger Natur und dürfte für den einen oder anderen etwas altmodisch anmuten im Vergleich zur neuen Variante, die fruchtig-cremig, und somit wesentlich jünger daherkommt.

Mein Favorit? Ich weiß es nicht genau, zu groß ist die Differenz zwischen den beiden Düften. Vermutlich würde ich aber dem älteren den Vorzug geben. NACHTRAG: Im Laufe des Tages wurde Fraîcheur Muskissime ganz unwiderstehlich – er erinnert mich ein wenig an kostbare, seidene Luxusstrümpfe. Daumen nach oben – ich entscheide mich für ihn!

So meine Lieben – nun sind wir durch und mein Liebling, alleine um der Belcanto-Widmung willen, ist natürlich Vocalise, und zwar Vocalise, das Paar. Entscheiden konnte ich mich nämlich in diesem Falle nicht, welcher mir besser gefällt.

Kennt Ihr die Düfte, die neuen oder die alten? Eure Meinungen bitte?

Neugierige Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Girl in Stockings von Foxiq, Tattoo von ClaudMey/Claudia Meyer, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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