Die Vergessenen…

… sind mal wieder an der Reihe: Genau, ich habe einmal mehr meine Schublade geöffnet und einige Proben herausgezogen, die vollkommen zu Unrecht schon länger auf eine Rezension warten. Deshalb heute: Esvedra von Laboratorio Olfattivo, Myrrhiad von Huitième Art und Atelier Colognes Vanille Insensée – wie immer im mehr oder weniger kurz und knackig 😉

Esvedra und Myrrhiad stammen, das sei schon vorab verraten, aus denselben Händen: Pierre Guillaume fertigte beide Düfte.

Für Esvedra stand die Insel Es Vedrà Pate, eine Baleareninsel in der Nähe von Ibiza, nach der ich ehrlicherweise erst googeln musste. Aber derlei südliche Gefilde sind ohnehin nicht unbedingt mein Beuteschema, selbst wenn es sich wie in diesem Falle der Sage nach um ein Überbleibsel von Atlantis handeln soll und/oder exakt dieses Eiland die Heimat der aus Homers Epen bekannten Sirenen sei. Schroffe Felsen und eine üppige Vegetation – dieser Widerspruch prägt die Insel und diente Guillaume als Inspirationsquelle für seinen Duft. Den Fotos nach zu urteilen ist es dort nicht so hübsch, wie ich mir das vorgestellt habe, insofern wird Guillaume sich mit seinem Duft vermutlich auch eher auf die Sirenen besonnen haben: Eine von weichem, sauberem, pudrigem Moschus getragene Vetiverinterpretation der besonderen Art. Leuchtend in ihrer Reinheit, von kleinen zitrischen Sprenklern begleitet und sanftem Grün durchzogen. Für mich ein bisschen zu rein – ich ziehe meinen salzigen Skandinavienstrand Sel de Vétiver von The Different Company vor.

Mit Myrrhiad wagt sich Guillaume natürlich in ganz andere Gefilde und hat sich mit dem neunten Duft seiner Huitième Art-Kollektion einer ganz besonderen Ingredienz angenommen, der Myrrhe. Wie man der Farbe bereits ansieht, erwartet einen hier ein Knaller – und der Duft enttäuscht nicht. Monsieur Guillaume ist ja für seine Gourmandkreationen sehr bekannt und hat dafür ein wirkliches Händchen, wie er mit Düften wie Felanilla seiner ersten Firma Parfumerie Générale schon bewiesen hat. Myrrhiad steht dem in nichts nach: Guillaume vermag es mit Myrrhiad auf ziemlich geniale Art und Weise, die Facetten der Myrrhe aufzugreifen und zu verstärken – und das mit einer, wie ich meine, recht überschaubaren Anzahl an Zutaten. Die warme, ambrierte Seite wird von aromatisch-würziger, cremiger Vanille unterstrichen, während die rauchigen, harzigen Elemente von schwerem (Sattel)Leder und Noten von geräuchterem Schwarztee verstärkt werden. Das Balsamische forciert Guillaume gekonnt mit Lakritze. Heraus kommt ein mächtiger, beeindruckend schöner Harzduft von großer Präsenz, beschützend, behütend, kontemplativ und, ja, auch – erotisch.

Atelier Cologne haben mit ihrer Kollektion ja schon als sie auf den Markt waren bewiesen, dass Colognes ein durchaus zeitgemäßes Duftkonzept sind (ja, ja, ich weiß – sie haben ja auch an der Konzentration geschraubt, die mit 15% weit über der eines gewöhnlichen Colognes liegt). Vanille Insensée ist nun ihr neuester Streich und einer, der mich wirklich begeistert: So eine Vanille, meine Lieben, findet sich dort draußen kein zweites Mal! Ganz anders als die anderen ist sie, diese Vanille. Ein Naturmädchen ist sie – und gleicht einem Aquarell: Wie ein Streifzug der Vanille durch die einsame Natur will mir dieses Cologne scheinen, ein ausgelassener Spaziergang durch blühende Wiesen, Purzelbäume schlagend zwischen Kräutern und Gräsern. Gesäumt von allerlei Bäumen lässt man sich irgendwann zu deren Wurzeln im sonnengewärmten Moose nieder, den leisen Wind tief einatmend und entspannend. Ein Blick auf die Duftnoten verstellt den Blick auf das Wesentliche, das hier bei Vanille Insensée im Indifferenten liegt, im Verschwommenen, aber deshalb nicht weniger konkreten. Ein Konglomerat an bezaubernden Zwischentönen, von Diffusem, das in seiner zurückhaltenden Sinnlichkeit von anmutender Schönheit ist.

Ich betone es nochmals: Vanille Insensée ist – extrem innovativ. Sehr besonders. Einzigartig. Eine vollkommen neue Interpretation des Themas und deshalb sehr gelungen. Etwas für Weiblein wie Männlein. Für Vanilleliebhaber und solche, die es eigentlich gar nicht sind – und zwar gleichermaßen. Was Vanille Insensée NICHT ist: Pappig. Klebrig-süß. Gourmandig.

Eine schöne Ausbeute für heute, würde ich sagen. Habt Ihr schon getestet? Und, Resultate?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle: Es Vedra von Ibiza aus von Held2805, Myrrheharz von Sjschen, Lonely Tree in French Field von Chemtec/Fred Fokkelman, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

10 Kommentare

  1. Nil
    9. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo liebe Uli,

    ja, ich habe Vanille Insensee getestet. Meine Nase hat ein Problem mit Hesperiden. Ob ich einen Duft mit Citrusnoten trage oder Citrusfrüchte schäle, auf der Stelle muss ich meine Haut fast abschaben. Das ist ein Paradox, denn wenn ich im Süden bin und die Gärten nach Mandarinen- oder Oragenblüten dufen, kann ich vor Freude nicht schlafen Die Düfte von Atelier Cologne haben mich sehr überrascht, weil ich sie tragen kann. Vor allem Vanille Insensee. Kühl und warm gleichzeitig, nicht übertrieben süss, einfach köstlich.

    Myrrhiad….hört sich seeehr sehr interessant an. Werde ich bald testen.

    Liebe Grüsse

    Nil

  2. Christiane
    9. Dezember 2011
    Antworten

    Liebe Uli,
    da hast Du ja schöne und zu Unrecht vergessene Düfte ausgegraben;-) Die Vanille Insensee ist schon laaaange meine – ich konnte nicht mal die Deutschlandpremiere abwarten, so schön ist der Duft! Myrrhiad hat mir auch sehr gefallen, nur leider leider hielt der Duft bei mir nur ganz kurz – und mittlerweile bin ich davon weg, mir Flüchtlinge, die mit mir nicht wolen oder können, zu kaufen – tja man wird nicht nur älter sondern auch weiser :-))

  3. Eva K.
    9. Dezember 2011
    Antworten

    a propos Vergessene … Wurde die Freitagsverlosung vergessen oder ist mir etwas durch die Lappen gegangen? (c;=

  4. Annette
    9. Dezember 2011
    Antworten

    Liebe Uli,

    das tönt beides wieder aßerordentlich verführerisch, wobei der Myrrhiad für mich im Moment interessanter klingt. Rauchig, harzig, ledrig und tee-ig ist gerade sehr meine Richtung.
    Eine ab-so-lut nicht süße, nicht gourmandige Vanille allerdings, hach. Und dann noch die Kommentare, die zusätzlich die Neugier pieken! Wenn halt Weihnachten mein Budget nicht grad so strapazieren würde *seufz*

    Ist aber als Testkandidat ultimativ gesetzt (und meine ALzD-bookmark-Liste wächst und wächst und wächst :-D)

    Liebe Grüße!

    Annette

  5. Avatar photo
    Ulrike
    12. Dezember 2011
    Antworten

    Huhuu Ihr Lieben,

    @ Nil: Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man diese Vanille mag, obgleich man es normal nicht mit Agrumen aushält und/oder mit Vanille 😉 In jedem Falle ein sehr untypischer, sehr besonderer Duft. Wäre für mich auch noch in jedem Falle eine Kaufoption für nächstes Frühjahr. Ich bin ja auch kein großartiges Vanillekipferl 😉

    @ Christiane: So ist es eben, ich weiß auch, dass ich Dir noch einen Duft schuldig bin :/ *wegduck* Hier türmen sich gerade komplette neue Kollektionen und ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Ich finde es ja toll, wenn so viel erscheint, aber ich will dann alles immer gleich vorstellen und das klappt eben nicht 😉 Dafür sind es immer zu viele Düfte. Dass Dir die Vanille gefällt kann ich mir sehr gut vorstellen 🙂 Er ist ja auch toll. Myrrhiad hielt bei Dir nicht?!? Das überrascht mich, ganz ehrlich. Schon mal wieder witzig, wie unterschiedlich die Häutchen sind. Bei mir hielt er „Bombe“, war noch nach dem Duschen da, eine ähnliche Präsenz wie ein Tauer. Und das mit dem weiser werden kenne ich natürlich auch 😉 Ich kaufe auch nicht mehr jeden Duft, der nicht hält oder, noch schlimmer, Düfte, bei denen mir nur Herz und Basis oder ausschließlich letztere gefällt und ich erst Stunden durch einen gruseligen Auftakt durch muss. Alles schon passiert 😉 Aber so ist es eben mit der Duftleidenschaft 😉

    @ Annette: Die sind beide sehr interessant würde ich sagen. Aber die Vanille kannst Du getrost ins Frühjahr schieben – oder bis zu dem Zeitpunkt, an dem Du von Schnee und Co. (den wir ja noch nicht haben) genug hast 😀

    Viele liebe Grüße zurück,

    Eure Uli.

    P.S.: @ Eva: Yep, wurde wohl, Adlerauge bleib wachsam, Du hast natürlich recht. Unsere Bürodamen haben es aber noch rechtzeitig gemerkt 😉

  6. Carola
    24. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo Ihr Lieben,

    als glückliche Gewinnerin bei der Freitagsverlosung – herzlichen Dank dafür an dieser Stelle – habe ich Vanille Insensée aufgesprüht. Ehrlich gesagt erst etwas lustlos, schon wieder Vanille als Thema, klebrig, süß, Weihnachtsmarkt eben. Ha, falsch gedacht, nichts Gourmandiges, eine leichte anfängliche Frische, die mich an die der Hermes-Düfte erinnert, dann krautige, leicht holzige Vanille und je länger er auf der Haut ist, um so rauchiger wird er, aber auch nicht wie Räucherkram, also genau richtig. Sabbernd klebe ich mit meiner Nase am Handgelenk und werde wohl die Zeit zwischen Kirche und Bescherung im Geiste mit der Aufstellung dringender Duftanschaffungen für das nächste Jahr verbringen.

    Also nochmal ein großes Danke, denn von selbst hätte ich ihn wahrscheinlich nicht getestet.

    Übrigens, Myrrhiad hält bei mir auch nicht sonderlich gut. Zum Schluss ist nur noch etwas vanillig Süßes da, bevor der Duft ganz verschwindet.

    Liebe Grüße und besinnliche Feiertage
    Carola (eine von beiden *grins*)

  7. Avatar photo
    Ulrike
    27. Dezember 2011
    Antworten

    Hallo liebe Carola,

    freut mich sehr, dass Du Spaß beim Schnuppern und Entdecken der Proben hattest! Ich kenne das nur zu gut, wenn man durch Zufall einmal etwas entdeckt, dass man ansonsten unter ferner liefen abgespeichert oder vielleicht sogar umgangen hätte 😉 Und das Vanille-Cologne ist in der Tat absolut keine typische Vanille, ganz und gar nicht.

    Myrrhiad hält bei Dir auch nicht so sonderlich gut? Das überrascht mich ehrlich. Ich glaube, ich muss mal noch ein paar Häutchen/Leutchen mit meiner Probe einnebeln, bei mir hält er wahnsinnig gut.

    Liebe Grüße zurück,

    Uli.

  8. Margot
    12. April 2012
    Antworten

    Hallo Uli,

    die Vergessenen sind oft sehr hilfreich. Aber nein, ich habe ihn nicht vergessen – Esvedra. Hat mir letztes Jhr schon sehr gut gefallen, hatte mich allerdings bereits vor Erscheinen des Duftes für andere entschieden und war noch am abwägen. Und ja, jetzt zum Beginn der warmen Jahreszeit kommt er mir gerade recht!
    Das seltsame, ich mag den P. Guillaume ja und seine Düfte. Trotzdem hab ich bei allen irgendwie gezögert. Was aber wirklich erstaunlich ist: Mich ziehen seine „Wasser“-Düfte am meisten an. Das ist der Bois Naufrage (den ich mir jetzt noch kurzfristig angeschafft habe bevor die LE vergriffen ist) dann die No. 24, der Papyrus und nicht zuletzt eben Esvedra, der demnächst bei mir ein Zuhause finden wird.
    Der Papyrus muss noch ein wenig warten.

    Hach, ich freu mich!

    Viele Grüße,
    Margot

  9. Margot
    12. April 2012
    Antworten

    P.S. Esvedra ist dann wohl auch mein erster Vetiver lastige Duft 🙂

  10. Avatar photo
    Ulrike
    13. April 2012
    Antworten

    Hallo Margot,

    tja, EINEN Vetiver braucht das Haus, mindestens 😉
    Dass Bois Naufragé eine Limited Edition ist, ist schade – ich bin mir sicher, er hat viele Fans gefunden. Vielleicht überlegt man es sich ja nochmals, ihn in die Kollektion, die ständige, zu übernehmen.
    Um den Papyrus schleichst Du ja schon lange, mal schauen, wann er endlich einziehen darf 😀

    Liebe Grüße,

    Uli.

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