Santa Maria Novella & das 400-Jährige

Was für ein Anlass: Ein vierhundertster Geburtstag – rechnen wir nach: 1610 müsste es sein, die Italiener legen es aber gerne ein bisschen großzügiger aus und sind, oh Wunder, überpünktlich: 1612 war das Gründungsjahr der legendären Apotheke, bis dahin gedenken sie wohl auch zu feiern und ihr Jubiläum zu begehen.

Dieses ist, in der Tat, auch beachtenswert. Vergleichen wir doch einmal: Houbigant, das älteste französische Parfumhaus, wurde im Jahre 1775 gegründet, Lubin folgte 1798, Guerlain 1828. Farina aus Köln schlagen sich sehr beachtlich mit dem Geburtsjahr 1709. Einwerfen könnte man auch noch die Kerzenmanufaktur Cire Trudon, obgleich jetzt thematisch etwas verrutscht, mit dem Jahre 1643. Dann wären da Acqua di Biella mit 1871 oder die Engländer von Creed, seit 1760 in Familienbesitz, Floris, 1730 in London gegründet (Ihr erinnert Euch? Gerade eben erschienen: 280, der Duft zum Jubiläum) sowie Penhaligon’s, bestehend seit 1870.

Begonnen hat es, wie so oft und vieles – in einem Kloster, ansässig in Florenz. Mönche dominikanischer Art brauten und rührten für ihr klostereigenes Spital diverse Cremes, Tinkturen, Kräutersude, Seifen, Liköre, Pastillen, Colognes und vieles mehr – mit so viel Erfolg, dass man 1612 eine Apotheke für die Allgemeinheit eröffnete: Santa Maria Novella ward geboren. Bald erlangte man einiges an Ruhm und Bekanntheit und erarbeitete sich mit seinen Waren eine Reputation sowie ein Renommee weit über die Grenzen Italiens hinaus. Als Kircheneigentum vom Staat konfisziert, ging Santa Maria Novella im Jahre 1866 in die weltlichen Hände einer Familie über, die das Traditionsunternehmen heute in der vierten Generation führt. Das Sortiment ist annähernd das gleiche geblieben, während neueste Technologien mit alter Tradition Hand in Hand gehen: Santa Maria Novella besitzen noch immer ihre hauseigenen Kräutergärten vor den Toren der Stadt (in der im übrigen auch Parfumphilosoph Lorenzo Villoresi schaltet, waltet und werkt), die in eigenen Laboratorien in vornehmlich Wohlriechendes verzaubert werden.

Zum Jubiläum nun hat man sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Zwei Düfte, limitiert natürlich, namens Ottone und Porcellana krönen diesen runden Geburtstag.

Ich war selbstverständlich neugierig, vor allem, weil es einige Düfte der Apotheke gibt, die ich recht gerne mag, unter anderem auch den einmalig-sonderbaren Nostalgia, zu dem ich – versprochen – noch ein anderes Mal kommen werde.

Heute mag ich nun mit Ottone beginnen. Ottone, der geneigte Italienkundige wird es wissen, heißt auf Deutsch Messing. Dieser Name zollt den starken Einflüssen Tribut, die diese damals wertvolle Legierung im 17. Jahrhundert in Europa auf sämtliches Handwerk ausübte – deshalb wurde für den Flakon auch eine gravierte Verschlusskappe aus reinem Messing verwendet.

Die Verneigung vor diesem Werkmaterial findet sich auch im Duft wieder: Je länger Ottone auf meiner Haut bleibt, umso eher rieche ich jenen speziellen, metallisch-krautigen Duft von Messing. Nicht stechendes Kupfer, auch keine gammeligen Silberlöffel, nein – Messing, welches aus dem Zusammenspiel der Kräuter entsteht. Aber beginnen wir am Anfang: Im Auftakt reckt sich stolz frischer Oregano empor in leuchtend grünem Mäntelchen, der durch Pfeffer eine pikante Begleitung erhält. Die angegebene Gewürznelke hält sich zurück, verschmilzt mit dem Pfeffer ohne selbst überragende Präsenz zu erfahren. Durch Zitrusfrüchte entwickelt Ottone kurzfristig eine Art maritime Ausprägung, die allerdings alsbald von aromatisch-kräuterigen Tendenzen überlagert und negiert wird, die bisweilen den Charakter eines krautigen Chypres an den Tag legen, während sich jene, ja: Messingnote, eine dezent säuerliche, einstellen mag. In seinem Verlauf bekommt der kräftige Ottone, was ich anfänglich nicht vermutet hätte, in der Tat noch eine wärmere Seite: Die Basis ist holzig (bisweilen auch nadelholzig wirkend) und wird mehr und mehr balsamisch, die Kräuter und den Eindruck des Namenspatens in den Hintergrund drängend, und gewinnt darüber hinaus eine verhalten süße Wärme, die sehr sicher von Hölzern, vor allem aber auch Sandelholz stammt. Mich persönlich erinnert die Basis etwas an Santal Noble von Maître Parfumeur et Gantier, jenes wundervolle Duftchamäleon.

Die Ingredienzen: Oregano, Zimt, Pfeffer, Gewürznelke, Bergamotte, Petitgrain, Hölzer, aromatische Noten, balsamische Noten.

Ein schöner, aber kräftiger und definitiv maskuliner Duft – an einer Frau kann ich ihn mir nur schwer vorstellen. Das muss ich ja aber auch gar nicht, morgen geht es nämlich weiter mit Porcellana, der Damenvariante 😉

Bis dahin viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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