Der Herbst naht: Die Fashiontrends zu Covid-19-Zeiten …

… sind – einerseits überraschend, andererseits auch wenig überraschend – anders, und zwar selbstredend im Vergleich zu Prä-Pandemie-Zeiten.

So richtig schick war gestern, möchte man meinen – zu sehr hat(te) man sich in den allerersten Monaten an Jogginghose und andere Home Office-Utensilien gewöhnt, ich hatte bereits darüber berichtet, siehe die Artikel zum Schlagwort „Corona“.

Hat es Euch auch manchmal gefehlt, das Sich-Nett-Zurechtmachen und danach Ausgehen? Mir schon. Umso netter fand ich deshalb jene Facebook-Gruppe, die eine Australierin gestartet hatte – Menschen, die sich fotografierten oder fotografieren ließen beim aufgebrezelt den Müll rausbringen, seht zum Beispiel hier. Abendrobe, Superhelden-Kostüm, Cosplay-Dress, alles war dabei – und ein ziemlich netter Gute-Laune-Anblick.

Wie aber sieht es für die kommende (jetzt schon) kühle Jahreszeit (bibber) aus? Was die nahe Zukunft angeht, hat die Pandemie offensichtlich ihre eigene Corona Couture generiert. Ein Trend, das ist überall zu lesen, ganz klar – Nachhaltigkeit, siehe zum Beispiel hier. LoHaS is back, keine Frage, und alles, was mitgemeint ist und impliziert – weniger (wahllos) konsumieren, dafür (bewusst und) nachhaltig, handmade, gerne auch regional. Nische also, ein Thema, das wir als Parfumistas aus unserer Welt gut kennen 😉

Ansonsten ist die Auswahl offensichtlich vielfältig, wie unter anderem folgende Artikel zeigen:

Irgendwie scheint mir, dass da alles dabei ist. Angefangen von den Fransen, die ich persönlich schon immer abgelehnt habe (einzige Ausnahme: bestimmte Minnetonka-Boots oder auch Pocahontas-Stiefelettchen, wie ich sie von Sandro noch hier rumstehen habe und heiß und innig liebe), über Strickkleider in Form überdimensionaler Pullover – immer gut und immer gerne – bis hin zu Antistyling ganz allgemein, ergo Altes neu aufbereitet: die üblichen Verdächtigen, die bei mir stetig Anklang finden, so unter anderem Edelvarianten von Jogginghosen, besagte Pulloverkleider, Strick, Strick und nochmal Strick, gerne auch gelayert und, überflüssig zu erwähnen, in „Loose Fit“, Lullerschnitte also.

https://www.pexels.com/photo/crop-woman-in-warm-sweater-with-cat-cup-of-coffee-2747758/

Darüber hinaus finden sich Hemdblusenkleider, die ohnehin allzeit einsatzbereit sind und zu jeder Gelegenheit passen, viel Stepp, bei dem ich für gewöhnlich eher „raus“ bin, darüber hinaus aber auch kantige Schnitte, vor allem bezüglich der Schultern. Das zieht mich wiederum naturgemäß an, findet man diese doch vornehmlich bei den ganzen Avantgarde-Designern, jenen Japanern und Belgiern sowie einzelnen anderen wie beispielsweise Hussein Chalayan, Rick Owens und Konsorten. Blazer zieren sie genauso wie Blusen, darüber hinaus Jacken – die kalte Schulter, oder wie in dieser Kolumne der Zeit von Tillmann Prüfer, die „harte Schulter zeigen“, ein Zeitgeistphänomen.

Ansonsten – graue Jeans und viel Schwarz. Als Statement und Zeichen der Rebellion, des Trotzens, des „Wider“. Das kommt mir überaus gelegen, besteht doch seit jeher ohnehin 98 Prozent meines Kleiderschrankes oder besser: meiner Garderobe aus Textilien dieser meiner Lieblings(un)farbe.

Einige Trends sind mir speziell aufgefallen – wegen ihrer Besonderheit und/oder ihrer Häufigkeit, ich habe sie für Euch herausgepickt.

Spießerstrick oder Post-Hygge-Lagom-Kuschler – der Pullunder

Rückwärts gestrickt“ lautet die Überschrift einer meiner Lieblingskolumnen aus der Zeit, die in schöner Regelmäßigkeit von Tilmann Prüfer verfasst wird zum Thema Stil und Fashion(siehe auch oben) – eines seiner letzten Themen getreu dem Motto „Unverhofft kommt oft“: der Pullunder.

Man oder vielmehr ich kenne ihn eigentlich die letzten Jahre nur von oder besser an zwei Menschen, die immer mal wieder in den Medien herumgeistern – dem selbsternannten Betroffenheitslyriker, dem Komiker Olaf Schubert, sowie von einigen (Noch- und zum Teil schon Nicht-Mehr-)Mitgliedern einer für mich nicht wählbaren Partei. Sorry lieber Herr Schubert für die Nennung in einer Reihe, das beinhaltet keinerlei Wertung! Und, in der Tat auch aus dem Tierschutz, den ich früher betrieben habe – und zwar in genau der Form, wie es dieses supersüße Bildchen aus dem Netz darstellt (nichts gegen Tierfotos dieser Tage, man nimmt die positiven Seiten des Lebens und Neuigkeiten aus der Welt ja bereitwillig und vergleichsweise unwählerisch entgegen derzeit, oder nicht?)

https://pixabay.com/de/photos/whippet-hund-jacke-blau-jumper-564387/

Prüfer hat die Pullunder unter anderem bei Prada entdeckt, geziert von einem an Burlington erinnernden Muster (die wohlbekannten Rauten, yep). Ihre Geburt, zumindest die offensichtliche, hatten die Pullunder in der Männermode der Sechzigerjahre, wie Prüfer richtig bemerkt. In sportlichem Kontext trug man sie damals überwiegend, beim Golf oder beim Cricket, und dieses Jahrzehnt war wohl wirklich die einzige Zeitspanne, in der sie wirklich „en vogue“ waren. Hernach fristeten sie, so Prüfer, eine „Randexistenz“, zumeist aus mehr oder weniger feinem Strick und in so gut wie allen Fällen mit einem V-Ausschnitt ausgestattet.

Denke ich an Pullunder, dann denke ich, wenn mir nicht konkrete Personen im Kopf herumschwirren (siehe oben), an jenen Werbefilm von Dr. Oetker, den legendären: „Wenn man’s eilig hat“ mit Frau Renate. Dieser stammt zwar aus dem Jahr 1954 und der Mann darin trägt auch einen Anzug und keinen Pullunder, er könnte aber einen tragen, wie ich finde … „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“ – Frau Renate, nur für Euch 😉

Prüfer sieht das wohl recht ähnlich beziehungsweise den – Pullunder. Eigentlich ein Kompromiss, nichts Halbes und nichts Ganzes ist er, zugleich aber auch stoffgewordenes Stück(chen) Konservativismus, das man erinnernd am ehesten mit Fußballtrainern und/oder wahlweise Vater, Opa oder Onkel assoziiert.

Vielleicht allerdings, so Prüfer weiter, liegt aber gerade darin, in dieser „Konservativität seine Stärke“? Derzeit zu sehen in diversen (Männer-)Laufstegkollektionen namhafter Marken und Designer und überwiegend zur Schau getragen von durchaus stilsicheren und trendaffinen Exemplaren der maskulinen Gattung gleicht er wohl auch einer Art Antistyling, gleichwohl auch einer Sehnsucht – diejenige nach Ruhe und „Ordnung“ oder vielmehr geordneten Verhältnissen, Planbarkeit, Sicherheit. Was ansonsten eher von Bräsigkeit zeugt (kennt man diesen Begriff außerhalb des Schwabenländles?) und mutmaßlich langweilig anmutet, scheint ein Gegenentwurf, ein Contra-Haltung hinsichtlich der Zeit zu sein, der sehr bewegten, in der wir uns gerade befinden, in die wir geworfen wurden. Hierzu hat Prüfer einen sehr interessanten Gedanken:

„Der polnisch-britische Soziologe und Philosoph Zygmunt Bauman hat dafür den Begriff Retrotopia geschaffen, als Gegenbegriff zum Traumland Utopia. Damit beschreibt er die Tendenz globalisierter Gesellschaften, sich im Verlust eines allgemeinen Sicherheitsgefühls nach vergangenen und überwunden geglaubten Lebenskonzepten zu sehnen. Bauman schreibt, dass in der Umkehrung des Utopiegedankens die Gesellschaften den Fortschritt nicht mehr in der Zukunft suchten, sondern in „der verlorenen, geraubten, verwaisten, jedenfalls untoten Vergangenheit“. Auch die Mode kennt den nostalgischen Blick zurück. Der Pullunder wäre demnach so etwas wie ein Zombie.“

Ist ein Untoter in diesem Zusammenhang etwas Schlechtes? Ich bin mir da gar nicht mal so sicher. In der aktuellen Ausgabe der INSIDE Beauty, dem Branchenmagazin, für das ich seit Jahren regelmäßig eine Kolumne verfasse, hatte ich es im Rahmen meiner Markenvorstellung zu CRA-YON ebenfalls von Zeitgeistphänomenen, genauer gesagt von zwei Trends, die uns die letzten Jahre umtrieben: dem dänischen Hygge als auch seinem schwedischen Nachfolger Lagom. Hygge, für mich „gleichermaßen Lifestyle-Trend und
Entschleunigungsversprechen“, war lange Zeit omnipräsent und findet sich überall, wenigstens in Spuren: im Kleiderschrank als auch bei den Einrichtungsaccessoires, den Wohnungs- und Kücheneinrichtungen und vielem mehr. Eine Art Gemütlichkeitsverheißung, die zeitgleich zu der Renaissance der Mid-century-Möbel aufkam, welche zahlreiche Retro-Nachahmungen nach sich zogen. Lagom aus der Heimat von Pippi, Michel und Nils, dem Land der Elche, ist die neue Rezeptur der/für Glückseligkeit, die recht gut zum, wie ich zurückhaltend formulierte, „eher holprigen Jahr 2020“ passt meiner Meinung nach. Das richtige Maß finden, Balance ist Charakteristikum und Ziel von Lagom – und vielleicht passt da der Pullunder gar nicht mal so schlecht. Zumal, wenn ich ehrlich bin … über einem Longsleeve getragen, nicht „formal“, hatte ich vor einigen Jahren auch mal ein gar nicht so übles Exemplar, von dem ich mich frage, ob er sich noch irgendwo in der letzten Ecke des Schranks versteckt hält …

Ab ins Beet – die Gummibotten sind zurück

Man kennt sie ansonsten eher von Naturkatastrophen, Überschwemmungen beispielsweise – ob nun verursacht durch’s Wetter oder durch den Pfusch vom Handwerker: die Gummistiefel. Aber Corona zählt eben, streng genommen, auch dazu, zu den Naturkatastrophen.

Einmal mehr die Kolumne von Prüfer aus der Zeit, der sich diesmal eine Redewendung aus der Automobilabteilung bedient: „Gib Gummi“ ruft er uns schreibend entgegen, und bezieht sich dabei auf das Schuhwerk. Keine Angst, es sind nicht Crocs gemeint, wobei es doch in eine sehr ähnliche Richtung geht: der gute alte Gummistiefel ist gemeint.

In ganz unterschiedlichen Varianten und Variationen findet man ihn derzeit bei zahllosen Brands, so unter anderem bei Chloé mit Absatz, was es vor etlichen Jahren schon mal gab, nicht nur bei Louis Vuitton. Bottega Veneta sticht mit Exemplaren in knalligem Pink ins Auge, einer Art Gummistiefelette, während sich Ganni mit „Back to Nature“-grünen Stiefeln aus recyceltem Gummi in Position bringt.

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Zum verregneten Wetter, dem derzeitigen, passt es zugegebenermaßen ziemlich gut, dennoch – woher kommt das jetzt her?

Was Gummistiefel angeht, hege ich zwei Assoziationen – einerseits: Coachella. Nie dort gewesen, aber immer wieder Fotos im Netz und diversen Publikationen gesehen mit, mal mehr und mal weniger prominenten Menschen, die sich auf dem It-Festival in mehrheitlich kostspieligen Vertretern dieser Gattung verlustieren. Dabei musste ich an meine eigene Festivalzeit(en) denken, daran, dass ich darauf nie gekommen wäre (oder vielleicht auch nicht im Traum daran gedacht habe, hätte) und das ich manche Exemplare wie beispielsweise die von Hunter gar nicht mal so unstylish finde am richtigen Beinpaar. Andererseits – Garten. Gummistiefel und Garten sind nunmal eine gar logische Paarung und diese Assoziation scheint auch die richtige gewesen zu sein.

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Eigentlich ist er ein Arbeitstier, der Gummistiefel. Und wurde auch nicht zuerst als Beinkleid von Touristen auf irgendeiner Ost- oder Nordseeinsel gesichtet, sondern stammt, wie Prüfer richtigerweise darlegt, aus Südamerika. Dort stellte die dortige indigene Bevölkerung schon vor deutlich mehr als Hundert Jahren ihre Variante derselben her: sie tränkten ihr Schuhwerk mit dem Saft des Gummibaums, um Wasserdichtigkeit herzustellen. Die weitere Geschichte des Gummistiefels ist schnell erzählt, siehe Prüfers Kolumne:

„Zu industrieller Reife gelangten Gummistiefel im 19. Jahrhundert, als das Vulkanisierungsverfahren entwickelt wurde, das Kautschuk haltbar und elastisch machte. Vor allem Landwirte und Soldaten in den Schützengräben benutzten die vulkanisierten Kautschukschuhe.“

Als Modegimmick oder Trend-Bekleidung spielte der Gummistiefel lange Zeit gar keine Rolle, fand so erst sehr viel Eingang in die Fashionwelt, und zwar mit … genau, den Bewohnern von der Insel. Die Schotten von Hunter Boots Ltd. zählen sicherlich zu den bekanntesten Marken – gegründet 1856 stellen sie von Anbeginn Gummistiefel her, für den Jagd-, Forst-, neudeutsch: Outdoorbereich bzw. für Arbeit draußen. Die Briten von Burberry, bekannt für Jagdmode, brachten die Stiefel dann irgendwann in den frühen Neunzigern auf den Laufsteg, wie ich meine erstmalig. Wer sie damals trug, so Prüfer, hatte zwar Kohle, aber keinen Bock auf Dress Code und Abendveranstaltungen. So wirklich durchschlagenden Erfolg hatten die Gummibotten eigentlich aber erst in den letzten Jahren, eben dank jener Festival-Pics der Stars und Sternchen.

In Zeiten von Covid-19 bescheinigt ihnen Prüfer, dass sie „eine gewisse Robust- und Erdverbundenheit zu demonstrieren“, was so falsch ganz bestimmt nicht ist. Ein weiteres Signal, seiner Meinung nach: „Ich habe einen Garten“. Letzteres ist in Zeiten der Pandemie ein Segen, meistens, verheißt es doch Platz, Raum, Privatsphäre und ein bisschen „Luft“ um einen herum, darüber hinaus die Möglichkeit, sich abzulenken auf eine recht rustikale Art. Diese allerdings harmoniert wieder gut mit obigem LoHaS-Lifestyle, der auch den Hang zum Schrebergarten und die absurd hohe Auflage der Landlust erklärt (um die 800.000, wenn ich mich richtig erinnere). Da sind wir wieder bei unserer heilen Welt, die gar nicht so verkehrt ist, gell?

Und wenn wir dann schon beim Thema Garten sind, das mich, wie regelmäßige Leserinnen wissen, mittlerweile auch beschäftigt, wenn ich mal Luft und Muße habe – ebenfalls in der Zeit gibt es eine schöne, (relativ) neue Kolumne von Stefanie Flamm, Auf dem Boden der Tatsachen, zur Tätigkeit des Gärtnerns. Früher gab es das schon einmal, und zwar von Susanne Wiborg. Die schönsten Beiträge hat sie in einigen Büchern zusammengefasst, die bei Suhrkamp und Kunstmann erschienen sind – sehr zu empfehlen, eine wirklich vergnügliche und „lehrreiche“ Lektüre, die gleichermaßen als eine Art „Seelenbalsam“ funktioniert.

Wer lieber Bildchen schaut – hier, vor nicht allzu langer Zeit erschienen im Gestalten-Verlag (der ohnehin einige sehr nette Publikationen zu bieten hat): Der Garten Eden. (Stylishe) Gärten aus aller Welt und was sie über ihre Besitzer verraten – hier ein kleiner Einblick.

Morgen geht es noch ein bisschen weiter mit den Herbsttrends – bis dahin einen schönen Tag und alles Liebe,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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