Greenlion & Jade888 – den zweiten Tag mit Hermetica Paris …

…begehen wir heute.

Die neue Marke von Clara Molloy und ihrem Mann John (Memo, früher My Memo, und FLORAÏKU) hatte ich Euch letzte Woche bereits in einem Auftaktartikel vorgestellt – klick -, in dem ich darüber hinaus die ersten beiden Düfte derselben rezensierte, namentlich Amberbee, einer helleren und gar köstlichen, honiggeküssten Ambravertreterin, und Cedarise, einem vortrefflichen, kontemporären Zedernporträt duftender Natur.

Clara & John Molloy – geklaut auf der Website von Hermetica Paris

Hermetica Paris sind angetreten mit einer recht umfangreichen Kollektion, insofern geht es heute munter weiter, und zwar Greenlion und Jade888.

Es grünt so königlich – Greenlion

„Greenlion Eau de Parfum is a fragrance that plays on the contrast between strength and sensuality. The first impression is one of aromatic freshness, created by the BASIL ESSENCE and JUNIPER BERRY OIL, with the spicy cold notes of CARDAMOM MOLECULE.“

Greenlion, der grüne Löwe, der im Untertitel „be royal“ fordert – ein Duft, der nach eigenem Bekunden der Marke von dem Kontrast zwischen Stärke und Sensibilität lebt. Und, der Name sagt es bereits, grün ist, von grünem Naturell. Wie bei Hermetica Paris üblich, sind auf den Pröbchen, die vor mir auf dem Schreibtisch liegen, einige Worte aufgedruckt, einem Brainstorming ähnlich – die will ich Euch natürlich nicht vorenthalten:

„Gold Golden Green – Roar Roaring Roar – Emerald – Eyes – New Neverland – Lucky Lion Loionize, Invisibile Iron Ironized – Ô – Named Greenlion“

Basilikum, Wacholder und Kardamom, das liest sich spannend, zumindest für mich – Basilikum ist richtig selten in Düften, Wacholder und Kardamom doch etwas häufiger. Dennoch wäre es vermessen, in diesem Zusammenhang von Häufigkeit zu sprechen.

Basilikum in Düften … da fällt mir spontan nicht wirklich viel ein … Bei Miller Harris fanden sich recht prominente Basilikumtöne in einigen Düften, genauer gesagt in Citron Citron und vor allem auch in Fleur du Matin. Jardin du Poète von Eau d’Italie wohnt eine schöne Basilikumnote inne, darüber hinaus auch Rose Privée von L’Artisan Parfumeur, darüber hinaus gibt (gab?) es ein paar Düfte von Jo Malone, die ebenfalls Basilikum als Protagonist beinhalten. Und dann, ganz klar – Tulsivivah! von Miller et Bertaux, vermutlich (einer) der einzige(n) Düfte, die Basilikum in den Fokus stellen.

https://www.pexels.com/photo/green-leaves-1087905/

Wie sieht es aus mit Green Lion, Basilikumprominenz oder doch eher ein grünes Trio? Green Lion ist … maskuliner, als ich dachte, und klassischer auf eine Art, was aber nicht wertend gemeint ist. Auf den ersten duftenden Metern nehme ich eine Wärme war, nicht orientalischer Natur, aber … harzig anmutend. Während ich noch über deren Ursprung sinniere, drängt sich das namensstiftende Grün in den Vordergrund, ein in der Tat krautig-kräuteriges, dunkles, das Herbheit verströmt. Basilikum? Jein, ja, wenn man es weiß, ich wäre aber, denke ich, nicht unbedingt darauf gekommen, hätte ich es nicht gewusst. Zumindest nicht so, wie Green Lion sich auf meiner Haut entfaltet.

https://www.pexels.com/photo/plants-green-herbs-105863/

Dafür aber ist der grüne Löwe in der Tat überaus krautig, kräuterig, wie schon angesprochen, dennoch überaus tragbar – ein Duft, den ich dafür liebe, der allerdings schon recht kantig und deshalb ein echter Spalter ist, ist Gli Odori von Odori (die kurzzeitig vom Markt verschwunden waren, mittlerweile aber wieder als Profumo di Firenze erhältlich sind und den Gli Odori wieder unter dem Namen Odori im Sortiment haben). Wacholder ist für mein Näschen ebenfalls nicht wahnsinnig präsent, eher unterschwellig als Ganzes, als Zweig mit einigen Beeren denn als vordergründige Note. Kardamom strahlt in leuchtendem Grün, obschon auch er sich in nobler Zurückhaltung übt und nicht in den Vordergrund drängelt.

Zusammenfassend stellt Green Lion einen, wie versprochen, sanften Grünling dar, der keinerlei Einschränkung hinsichtlich des Geschlechts des Trägers, des Anlasses oder der Jahreszeit kennt.

Das grüne Wunder der Erde – Jade888

„Jade888 Eau de Parfum evokes images of dense foliage and tangled vines, prolific and untamed like the undergrowth of the Amazon. The key notes in this soft and verdant scent are IRIS OILGINGER EXTRACT C02 and LILY OF THE VALLEY MOLECULE.“

Jade888, als „precious green gem“ bezeichnet (kostbares grünes Juwel), evoziert Bilder von dichtem Grün, üppig wuchernd, wild und ungezähmt, von Dschungel – und hebt in einem Nebensatz auf das Amazonasgebiet ab, gerne (obschon streng genommen: fälschlicherweise) als grüne Lunge der Welt betitelt. Unbestritten ist das Amazonasgebiet Heimat vieler Pflanzen und Tiere (waren es zehn Prozent aller Tiere?), ein einzigartiges Ökösystem, das leider in fortschreitendem, um nicht zu sagen: rasendem Tempo zerstört wird, vor allem auch dieser Tage. Die Covid-19-Pandemie hat uns und unsere Medien derzeit so im Griff, dass dieser erschreckende Umstand in den Hintergrund rückt, was Bolsonaro und seine Mannen auf bösartige Weise ausnutzen für Brandrodungen, die einzig und allein eine Nutzung der „frei gewordenen“ Flächen zur Weidehaltung von Vieh als auch dem Anbau von Futtermitteln im Sinn und zum Ziel hat (für Fleischproduktion, klar). Lassen wir uns nicht darüber reden, das vermiest mir sonst definitiv die Stimmung.

https://www.pexels.com/photo/mountain-covered-with-green-trees-784148/

Zum Thema Amazonas fällt mir an dieser Stelle das Duftprojekt ein, das vor einigen Jahren, genau genommen 2017, bei den Art and Olfaction Awards in der Kategorie des Sadakichi-Awards nominiert warThe Feelies: Multisensory Storytelling – Amazon von Grace Boyle und dem Parfumeur Nadjib Achaibou:

„An artist, a scientist, and a perfumer pushed the boundaries of storytelling. They expanded two VR films into full sensory experiences, orchestrating temperature, wind, orientation and scent. Six hundred people visited the experience, named The Feelies after Aldous Huxley novel Brave New World. The first multisensory VR cinema was born and with the true empathy machine that society and storytelling so badly needed.

Moved by the success to transport audiences to places that needed their protection and support, Grace founded The Feelies as a multisensory production company and started to research the origins of empathy. Collaborating with Nadjib and researchers, they explored the ability of scent to improve audio-visual communication to deliver important messages. Grace approached Greenpeace, that understood the potential of multisensory storytelling for environmental and social causes.

A groundbreaking project started, aiming to create content that was multisensory from the conception. How do you write a story in terms of scent or gather and map the scents of a place like a journalist? How do you deliver those scents to communicate a meaningful message? As perfumer, Nadjib included olfactionin the creative writing processor the script.

In October 2016, the team travelled to the Tapajós river, deep in the Amazon, with Greenpeace and the VR production team. They spent two weeks with the Munduruku people to try and answer these questions. This was the first time a perfumer was on a VR film set. Nadjib mapped the smells of the Amazon rainforest, in order to reproduce them in London for a immersive exposition – a Feelies.“

Virtual Reality und Duft, eine olfaktorisch-kartographische des Amazonasgebiets quasi in Kooperation mit Greenpeace. Ich weiß noch, wie faszinierend ich es fand, dieses Projekt – die Vielfalt dieses Gebiets in Duft, Düften darzustellen und damit für dessen Erhalt zu werben, Augen zu öffnen …

Aber kommen wir zurück zu Jade888, der, wie seine Mitstreiter von Hermetica Paris ebenfalls etikettiert wurde mit einigen beschreibenden Begrifflichkeiten:

„Jazz Jazzy Jiminiy – Art Artsy Air – Deep Deep Discovery – Exoticism Exotic Earth – 8 Eight – 8 Eight – 8 Eight – 8 Eight – ∞ – ∞ – ∞ – ∞ – Jade888“

https://www.pexels.com/photo/green-plant-2909088/

Jade888 zeigt sich in überaus strahlendem Grün, das wirklich dschungelig anmutet: Granny-Smith-Grün, Blätter, Blattwerk und sacht im Wind wogende Gräser, vielleicht auch Flechten, Lianen, Schlingpflanzen. Es grünt durchaus üppig, vor allem aber auch exotisch anmutend, wofür vermutlich der Ingwer zuständig ist, der sich weniger typisch zeigt als sonst in vielen (anderen) Düften. Fruchtige Anklänge spendet er, und zwar grün-fruchtige, die mich weniger an Obst erinnern denn an saftige Blätter tropischer Pflanzen, die vielleicht sogar irgendwo ein paar kleine Blütchen aufweisen. Iris erdet in allererster Linie, kreiert Anmutungen von Boden, von feuchtem, darüber hinaus pudert sie subtil-leise und sanft-süß, ein klitzekleines Quentchen macht letzterer Aspekt allerdings nur aus.

Jade888 ist auf eine Weise ultramodern, aber dabei nicht über die Maßen kantig. Er ist auf eine Art knall(ig)grün, aber weder aufdringlich noch „drüber“, keineswegs. Aufgrund der seltsam angedeuteteten Fruchtigkeit, die keine ebensolche im eigentlichen Sinne ist, wirkt Jade888 gleichermaßen artifiziell im Sinne von synthetisch als auch natürlich – er ist keine „Chemiebombe“, aber er bedient sich des Stilmittels der … Überzeichung? Jein, das liest sich „over the top“, ist Jade888 aber nicht. Er dreht einfach die Regler weiter auf, stilisiert, vielleicht ist das treffender. Ein annähernd vergleichbarer Duft mag mir nicht einfallen, obschon ich nebulös im Kopf habe, dass es aus Joseph Quartanas Six Scents Series einmal einen leuchtenden Grünling gab mit ähnlich viel Schmackes. Ich meine, es war Urban Tropicalia aus der ersten Serie. Und, ich zögere ein wenig bei diesem Vergleich – Byredos Pulp als auch Humiecki & Graefs Eau Radieuse. Beide Vertreter sind kantiger, mehr „edgy“, ganz absichtlich. Innen wohnt aber ebenfalls eine solch strahlende Fruchtigkeit im Falle von Pulp inne sowie eine ähnlich erfrischende Grünheit im Falle von Eau Radieuse. Jade888 zeigt sich allerdings zahmer, gefälliger – vollkommen wertneutral 🙂

Ein schöner Begleiter für die wärmeren Monate beziehungsweise Jahreszeiten, meine Lieben! Und selbstredend ist er unisex, das dürfte allerdings bereits klar sein, oder?

Morgen geht es weiter mit Hermetica Paris – bis dahin alles Liebe und viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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