Minimalismus aus den Niederlanden – mit Salle Privée …

… ist dieser Tage eine neue Marke bei uns im Shop gelandet, die ihre Wurzeln wie so oft nicht im Bereich der Düfte hat, sondern eigentlich Teil der Fashionbranche ist. Ein hübsches Quintett in ansprechendem Design, das hoffentlich genauso ansprechende Inhalte offeriert – um das zu „untersuchen“ klemme ich mir die Düfte für Euch unter die Nase.

Less is more – Salle Privée

Salle Privée – auf den ersten Blick ein Klamottenlabel aus den Niederlanden, gegründet 2016 in Amsterdam. Auf den zweiten Blick wird es spannender, schaut man sich einmal an, was sich hinter der Brand-DNA verbirgt. Zuallererst – deren Motto:

„Salle Privée is a luxury label for men. We have created, and continue to perfect, a single, complete, permanent range of iconic menswear essentials. In line with our aesthetic ideals and a conviction that true style extends to every facet of living, we also curate a collection of high-end lifestyle accessories.

Salle Privée represents a pioneering vision in fashion. Unconventionally, the label does not conform to seasons – instead, each garment is designed to ensure timeless relevance. As a permanent collection, our entire range is available throughout the year.“

Ein Luxuslabel für Kleidung, genauer – für Männerbekleidung, für Basics. Das an und für sich ist keine schlechte Idee, ganz im Gegenteil. Bekleidungsmarken, die Basics produzieren, können auf dem Markt ziemlich gut funktionieren. Der Schwabe würde sofort „Trigema!“ einwerfen, allerdings bekommt man Trigema und „Fashion“ oder auch „Mode“, „Design“ schwerlich zusammen in einen Satz. Ich denke da an ein Interview mit dem Inhaber, der irgendwann erklärte, dass er keine Designer brauchen würde – seine Frau würde immer seine Kinder in London und Co. in den trendigen Klamottengeschäften fotografieren beim Anprobieren, dann bekäme man das zu Hause schon auch irgendwie hin. Bei dieser Denke krauseln sich mir die nicht vorhandenen Nackenhaare, verdiene ich doch selbst als Kreativling meinen Lebensunterhalt mit geistigem Eigentum, mit Ideen … Dennoch muss man der Firma zugute halten, dass sie ausschließlich in Deutschland produzieren lässt, sich adäquat um ihre Mitarbeiter kümmert, Kindern Ausbildungsplätze garantiert und so weiter und so fort – die Unternehmensethik scheint also zu passen. Damit sind auch American Apparel angetreten vor etwas mehr als einem Jahrzehnt und hatten anfänglich bahnbrechenden Erfolg – für mich war die Marke immer so etwas wie die hippe 21. Jahrhundert-Großstadtvariante von Trigema. Das Konzept war toll – fair produzierte, qualitativ hochwertige Basics, Shirts, Sweatshirts und so weiter. Deren Niedergang schien wohl eher der Persönlichkeit ihres CEOs zuzuschreiben gewesen zu sein, darüber hinaus hat man die selbst gehängte Latte hinsichtlich Moral und Ethik vorsichtig ausgedrückt „gerissen“ … Allerdings geht es im Falle von Salle Privée in allererster Linie um „Basics“, um beim Thema zu bleiben.

Meines Erachtens nach ist ein solches Konzept Zeitgeist, wenn man es nicht allzu blöd anstellt, müsste das funktionieren, gut funktionieren. Warum? Weil es mittlerweile so viele LOHAS gibt, uneingeschränkter Konsum und Blingbling nicht mehr schick sind und vor allem auch nicht mehr gleichbedeutend mit Luxus, Nachhaltigkeit gefragt ist und so weiter – das mutmaßen heute nicht mehr nur Zukunftsforscher. Weniger kaufen ist auch im Klamottensektor angekommen – und dafür lieber qualitativ hochwertig(er) und vor allem zeitloser. Dieser Purismus, dieser Minimalismus ist demnach keine bloße Ästhetikfrage, er birgt auch lebensanschauliche und politische Aspekte. Waren früher Designerlabels wie beispielsweise Jil Sander oder Helmut Lang eher „special interest“, hat H&M diesen Stil spätestens mit ihrem Spin-Off COS kommerzialisiert. Uniqlo, quasi das japanische H&M-, Zara-, Mango-Pendant, ist mittlerweile mit derlei Mode sowohl in Europa als auch in Deutschland vertreten. Und, interessanterweise hat H&M ebenfalls nachgelegt: nach ihrem modischeren, trendigeren Ableger And Other Stories sind sie vor circa zwei Jahren mit Arket an den Markt gekommen, einer Kette, die sich bewusst gegen die Wegwerfmentalität richtet und schlichte, gut verarbeitete Basics sowie Accessoires und Lifestyle-Artikel in einem Interieur anbietet, das der Atmosphäre nach an Manufactum erinnert und vermutlich auch ein ähnliches Kundenklientel anspricht.

Patrick Munsters vor dem Salle Privée-Showroom in Paris – geklaut auf dem Instagram-Account des Labels

Aber kommen wir zurück zu Salle Privée – der Kopf hinter der Marke war zumindest mir dem Namen nach unbekannt, als ich mir seine Biographie angesehen habe, ändert sich dies aber sofort: Patrick Munsters heißt er, der Eigentümer. Und er ist kein Newbie, was die Bekleidungsbranche angeht – er war jahrelang bei Scotch & Soda involviert. Und zwar als Teilhaber, als Mitinhaber, der mit seinen zwei Partnern das ursprünglich 1985 gegründete Label, das zwischenzeitlich strauchelte, 2001 übernahm und dank designtechnischem Richtungswechsel zu großem Erfolg führte – siehe zum Beispiel hier ein Artikel zum Thema vom Tagesspiegel aus 2014. Scotch & Soda sind ebenfalls bekannt für Männerkleidung, Munsters vollführte allerdings hier einen kompletten Kurswechsel – er verkaufte seine Anteile an Scotch & Soda, um sich Salle Privée widmen zu können, was, bezogen auf das Design, eine 180 Grad-Kurve darstellt, denn Scotch & Soda sind „verspielt“, wenn man das so sagen darf bei Männerklamotten. Im Wallpaper-Magazin gibt es einen netten kurzen Artikel zu Salle Privée und Patrick Munsters – wenn es Euch interessiert, dann bitte hier entlang. Zum Weiterschmökern: hier ein Interview mit Patrick Munsters und noch ein Video:

SALLE PRIVÉE – Patrick (subtitles) from Salle Privee on Vimeo.

„Made for men with a modernist sensibility, Salle Privée presents the ultimate in contemporary menswear.“

Kontemporäre, also zeitgemäße, moderne, minimalistische Männerbekleidung sind das Ziel, exzellente Qualität durch exzellente Verarbeitung (in Italien, by the way) ist der Weg dahin. Vertreten ist man bisher in einigen wenigen, aber durchaus wohlausgewählten Städten – in Amsterdam natürlich mit dem Hauptsitz, einem eigenen Store in Mailand und einem Showroom in Paris, darüber hinaus in Ladengeschäften in Antwerpen, Kopenhagen und Aarhus, in Zürich, München und in Stuttgart (was ich, Asche über mein Haupt, gar nicht wusste) als auch in London (Harrods) und in New York (Bergdorf Goodman).

Falls Ihr Euch die Webseite des Labels anschaut, deren Social Media-Aktivitäten, dann werdet Ihr sehen – man ist auf zack. Und es ist alles optisch eine Freude weil überaus adrett aufbereitet. Man(n) weiß, was man tut. So liegt es auch nicht allzu fern, eine eigene Duftlinie ins Leben zu rufen – das hat Munsters vor nicht allzu langer Zeit getan und seine fünf Düfte werden uns dieser Tage beschäftigen.

„Inspired by the disruptive 70’s – Patrick Munsters’ favourite era of art and design – each of Salle Privée’s five carefully composed fragrances makes reference to elements from this period of reinvention; one greatly recognised for its sharp lines and minimalist aesthetic. Try Salle Privée’s range of exclusive scents and discover how each has been made to evoke a certain mood, suit a specific occasion or even highlight one’s personality.“

Ein Tribut an eine Ikone – Super 8

„Expressive of creativity and innovation. A reference to both a format of motion picture film and a camera that was released in 1965 and greatly popular throughout the 70’s. Today, the Super 8 camera and film is still highly sought after for it’s retro, raw, arty and nostalgic aesthetic.

A fascinating creation, where cool and warm accords are in juxtaposition. The cool freshness of grapefruit and neroli forms an energetic contrast with the spicy warmth of cardamom, ginger and pink pepper. Darkened by smoky incense, precious sandalwood and leather, Super 8 is both a smouldering and intriguing Eau de Parfum.“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Grapefruit, Neroli
Herznote: Kardamom, Ingwer, Rosa Pfeffer
Basisnote: Weihrauch, Sandelholz, Leder

Die Super 8 – gemeint ist selbstredend eine Kamera beziehungsweise ein bestimmtes (Schmalfilm-)Filmformat, das 1965 von Kodak eingeführt wurde. Überwiegend für den privaten Bereich gedacht, war Super 8 samt der dazugehörigen Kameras bis weit in die Achtziger das Medium, um Erinnerungen filmisch festzuhalten, bis es von der Videokamera abgelöst wurde. Es wurden in diesem Format auch Filme gedreht, für Enthusiasten und Liebhaber ist die Optik derselben bis heute noch ein Genuss dank ihrer speziellen Ästhetik, das spricht die Duftbeschreibung bereits an. Kodak hat tatsächlich schon länger angekündigt, eine neue Kamera auf den Markt zu bringen, die die ästhetischen Eigenschaften der Super 8-Kamera mit denen einer modernen Digitalkamera kombiniert. Das Projekt wurde allerdings verschoben und vage für 2018 angekündigt – bis jetzt scheint noch nichts passiert zu sein … Dafür gibt es ein Werbevideo, das die Super 8-Optik gut demonstriert, für diejenigen, denen sie nicht präsent ist und/oder die sie nicht kennen:

Super 8 also ist eine Hommage an die schöne Krissel-Ästhetik, die man eigentlich fast als „Shabby-Chic“ bezeichnen könnte und die deshalb eigentlich, genauso wie die minimalistische Mode von Salle Privée, zeitgeistkonform und hipstertauglich ist, was ich wertneutral bis positiv, keinesfalls aber negativ meine. Ich für meinen Teil liebe diese Optik, Super 8 sowieso, Salle Privées finde ich ebenfalls vollkommen überzeugend.

Wie nun setzt man so etwas um, wie bannt man eine solche Hommage in einen Flakon? Bevor ich Super 8 auf die Haut sprühe, fallen mir selbstredend ein paar Projekte und Düfte ein, bei denen die Voraussetzungen auch schwierig waren oder zu sein schienen … Comme des Garçons‚ Series 6 Synthetic (discontinued) beispielsweise, Diverses von Blood Concept oder Æther, Room 1015 mit Electric Wood, dem Duft, der an die erste (Gibson-)Gitarre erinnert und so weiter und so fort …

Ich hatte es mir schon gedacht – „grey-ish“ muss er sein, der Duft, grau und auf eine Weise irgendwie krisselig im Sinne von … flackernd, ungleichmäßig, meliert würde man bei einem Kleidungsstück sagen, und dennoch durchgängig präsent, fließend, mehr Aura als Parfum. Und genau das ist Super 8 auch: er startet zitrisch-bitzelnd wie der Vorspann eines Films, auf eine Art alkoholisch, und während ich noch versuche, dazwischen „hindurch zu schnuppern“, setzt er sich schon auf meiner Haut. Strahlend, gleichermaßen hell wie „dumpf“ auf eine gute Weise, „verhangen“, eben genau jene Distanz schaffend, die gleichwohl intim wirkt, vertraut – ziemlich genau so, wie ich Super 8-Filme wahrnehme. Ingwer steht, unschwer zu erkennen, im Fokus, und leuchtet, sein typisch trockenfruchtigholzig-eigen- und einzigartiges Naturell zeigend. Pfeffer akzentuiert sacht, kongenial eingesetzt und wie so oft der perfekte Begleiter für Hesperidenfrüchtchen und Geselle Ingwer. Weihrauch hüllt zurückhaltend ein, während der seinem Charakter nach kühle Duft von subtilen Ledernoten getragen wird. Wildleder, das sehr verhalten und versteckt würzig-balsamisch-warme Anklänge offenbart, wenn man genauer hinsieht.

https://www.ausliebezumduft.de/marke-room-1015.html

Ein „smoother“ Duft, der einen ziemlich guten Auftakt darstellt: Für mich trifft er die DNA der Marke, deren Ästhetik, auf den Kopf. Minimalistisch, modern, unisex mit einem Tick in Richtung Mann, ein stylisher Immergeher mit Charakter, der den Spagat vollbring, Vertrautes, Angenehmes mit dem gewissen Extra, etwas Fremdem zu verknüpfen, das einen „aufhorchen“ lässt und zumindest meine Nase immer wieder ans Handgelenk zwingt. Das im übrigen ist oftmals das Rezept für Klassiker, dieser Spagat … wir werden sehen 😉

Morgen geht es weiter mit Salle Privée – bis dahin alles Liebe und viele Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Robert Bittner
    4. Februar 2022
    Antworten

    Ich habe das Super 8 probiert und kann sagen die Beschreibung trifft es gut, ich kann mich noch an die Super 8 Filme erinnern, die unser Vater von uns gemacht hat. Da passt das gut dazu :-). ein guter Duft mit viel Leder zum Schluß…

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