Zwei Holzhelden von Welton London …

… sind heute unser Thema. Am Mittwoch hatte ich die neu bei uns ins Sortiment gekommene Marke bereits vorgestellt, darüber hinaus machte deren Duft Rose Empire den Auftakt unserer Rezensionsreihe zu den Briten oder vielmehr dem, das Haus gehört nämlich einem Mann namens John-Paul Welton.

Gemeckert über das Wetter hatte ich da schon und befunden, dass eine Londoner Marke perfekt zu dem regengetränkten Grau-in-Grau draußen passt. Holzdüfte harmonieren selbstredend genauso exzellent, denn diese passen für gewöhnlich sehr gut in die kühleren Jahreszeiten, darüber hinaus erinnert sich vielleicht der eine oder die andere daran – dank Handwerkernonsens und vielem mehr heize ich momentan ausschließlich mit Holz, weswegen mich dessen Geruch in all seinen Facetten schon seit Wochen begleitet 😉 Trotz Schlepperei – merke: große Häuser mit dicken Mauern wollen viel Holz, um warm zu werden … – bin ich immer noch und immer wieder ein Fan von Holz, genauer: dessen Geruch und natürlich von Holzdüften.

Gretchenfrage: Ihr auch? Wie haltet Ihr es mit dem Holz im Flakon? Wenn ja im Sinne von „sehr gerne, her damit“ – welche Holzdüfte habt Ihr bei Euch im Duftregal stehen?

Einer meiner absoluten Lieblinge ist Micallefs Gaïac, der mich schon sehr lange begleitet, streng genommen ist es einer meiner ersten Nischendüfte gewesen, der meine Duftgarderobe in der xten Auflage bereichert. Kokeliges Holz ist mir am liebsten von Naomi Goodsir – Bois d’Ascèse, meine stylischen Minimalistenhölzlein kommen gerne von Comme des Garçons (Monocle Scent One: Hinoki und Wonderwood). Bowmakers von D.S. & Durga ist für mich auch recht weit vorne dabei, des Weiteren ein Oldie but Goldie von Lutens, Chêne (in Tolkiens Auenland irgendwo bei den Hobbits zu Füßen einer uralten Eiche im wurzeligen Moosbett im goldenen Licht der Sonne dösen). Wenn ich schmerzlich vermisse, der an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll – En Sens de Bois von Miller Harris. Sollte jemand diese Schönheit noch ungeliebt irgendwo herumstehen haben – ich bin ein williger Abnehmer, denn mein Rest ist leider so gut wie leergelutscht …

Kommen wir jetzt aber zu unseren beiden Hölzlein heute – Vorhang auf für Bois de Babylone und Essence de Bois Précieux.

Traumtänzereien in Leder – Bois de Babylone

„Als ich im Boboli-Garten im Schatten der Zypressen ruhte, träumte ich unversehens von den Hängenden Gärten von Babylon. War es die Ähnlichkeit der Namen? Oder der Glanz eines Mythos? Die Pracht der Realität?“ Bois de Babylone ist ein anziehender Duft, eine vollendete Harmonie aus Hölzern und Ledernoten. Ein exklusiver und eleganter Duft, mit dem man die Gedanken schweifen lassen kann …

Kopfnote: Elemiharz, Veilchenblätter, Feigenblüte
Herznote: Weihrauch, Leder, Freesie
Basisnote: Leder, Zedernholz, Kaschmirholz

Reiseerinnerungen sind, wie so oft bei Düften, das Thema von John-Paul Welton. Wir befinden uns, unschwer zu erraten, mit Bois de Babylone, in Florenz – zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Boboli-Gärten noch nie besucht habe, Ihr? Die Bilder im Netz sehen vielversprechend aus, ich hoffe, einer meiner nächsten Städtetrips lässt mir die Zeit, das augenscheinliche Versäumnis nachzuholen.

https://pixabay.com/de/photos/florenz-garten-boboli-tuscany-park-2664605/

https://pixabay.com/de/photos/boboli-g%C3%A4rten-himmel-wolken-florenz-705848/

In den Boboli-Gärten träumt Welton also von Babylon, warum auch immer. Eine Namensähnlichkeit sehe ich eher weniger, zeitlich und räumlich ist da ebenfalls eine kleine Differenz hinsichtlich der florentinischen Gartenanlage und den Hängenden Gärten von Babylon, die zu den Sieben Weltwundern der Antike gehören. Sie fanden sich in Babylon am Euphrat, ergo im heutigen Irak, ungefähr 90 km südlich von Bagdad. Die Gartenanlage ist uns noch ein Begriff dank zahlreicher Geschichtsschreiber und Dichter, die diese als neben dem Palast (mittlerweile wissenschaftlich verworfen) oder auf dessen Dach beziehungsweise besser Dächern verorteten – quadratisch angeordnet und mit einer Seitenlänge von 120 Metern. Die einzelnen Terrassen ragten wohl bis in eine Höhe von 25 bis 30 Metern empor, der Aufbau als auch die Bewässerung war wohldurchdacht, siehe Wiki:

„Die dicken Mauern und Pfeiler des Aufbaugerüstes waren überwiegend aus Brandziegeln hergestellt, unter den einzelnen Stufenabsätzen sollen sich Gänge befunden haben. Die Etagenböden bestanden aus drei Lagen, eine Lage aus Rohr mit viel Asphalt, darüber eine doppelte Lage aus gebrannten Ziegeln, die in Gipsmörtel eingebettet waren, und ganz oben dicke Platten aus Blei. So wurde ein Durchdringen von Feuchtigkeit verhindert. Auf diese Konstruktion hätte man Humus aufbringen und verschiedene Baumsorten einpflanzen können. Eine Bewässerung war aus dem nahegelegenen Euphrat möglich.“

Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass Babylon seine Blütezeit 1800 vor Christus bis circa 100 nach Christus hatte. Die Gärten werden bereits einige Jahrhunderte vor Christus schriftlich erwähnt. Früher schrieb man sie der Herrscherin Semiramis zu, ist mittlerweile aber übereinstimmend mit diversen antiken Quellen der Ansicht, dass sie auf Nebukadnezar II. zurückgehen. Dennoch ist vieles hinsichtlich der Gartenanlage wissenschaftlich umstritten und sorgt noch heute für Diskussionsstoff.

Hanging Gardens of Babylon
Handcolorierter Stich der Hängenden Gärten von Babylon von Maarten van Heemskerck [Public domain], via Wikimedia Commons
Welche Pflanzen wohl damals kultiviert wurden in Ziergärten? Das herauszufinden war mir „auf die Schnelle“ nicht möglich, meine Neugierde ist aber geweckt, ich werde wohl mal in einer ruhigen Minute recherchieren …

Welton jedenfalls sieht viele Bäume dort, denn es geht holzig zu in seinem mächtigen, prächtigen Bois de Babylone. Viel Holz, gehüllt in zivilisierten Rauch, markant und durchaus männlich, aber genauso gut auch von einer geneigten Frau zu tragen, wenn sie „Schmackes“ hat. Denn Bois de Babylone ist kräftig, seine Harzwärme trägt er mit stolzgeschwellter Brust vor sich her – oder besser: sie umfängt ihn. Wir haben also Holz, viel Holz, knarzig, knorrig, kühl und gleichermaßen harzgetränkt warm und von Nebelschwaden begleitet. Gewandet ist unser Mann in Leder, sattes Glattleder, von einem Hauch Puder akzentuiert, der kontrastiert, aber nicht kastriert, ganz im Gegenteil. Feige/n finde ich auf meiner Haut genauso wenig wie deren Blätter, auf dem Teststreifen vermag ich sie auch nicht zu entdecken, dafür rieche ich … Beeren. Himbeeren, um genau zu sein, und geneigte Parfumistas werden an dieser Stelle schon ahnen, welche Brüder im Geiste ich Bois de Babylone an die Seite stelle: Wer Tom Fords Tuscan Leather, Parfum de Marlys Godolphin und Oro 1920 von BOIS 1920 mag, der ist hier komplett richtig.

https://www.pexels.com/photo/grayscale-photo-of-man-in-black-v-neck-shirt-with-black-background-90764/

Bois de Babylone ist ein Vollblutexemplar jener neuen Lederdüfte: maskulin, rauchig und prägnant, charakterstark und von einer gewissen Erotik dank der subtilen Fruchnoten als auch der unterschwelligen Wärme.

Holzheiligtümer – Essence de Bois Précieux

„In der milden Hitze entfalten sich Szenerien zwischen Palmenhainen … Kinder spielen am Ufer. Diese lang erwartete Reise entlang des Nils ist eine Ode an die Kontemplation.“ Ein wunderbarer orientalischer Duft mit wertvollen Holzakkorden. Es ist unmöglich, der intensiven verführerischen Aura von Essence de Bois zu widerstehen …

Kopfnote: Myrrhe, Bergamotte, Labdanum (Zistrose)
Herznote: Zedernholz, Guajakholz, Papyrus
Basisnote: Patchouli, Vetiver, Sandelholz, Ambra

Mit Essence de Bois Précieux sind wir in Ägypten gelandet und bei den Erzählungen John-Paul Weltons muss ich an meine eigenen Reiseerinnerungen denken, an jene Kreuzfahrt auf dem Nil, die ich mit meiner Mutter vor etlichen Jahren im Rahmen einer Studienreise machte. Faszinierend war es, das Land, die Leute, die Geschichte.

https://pixabay.com/de/photos/%C3%A4gypten-nil-felucca-sonnenuntergang-645355/

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Essence de Bois Précieux ist … ein Holzduft? Nein, nicht nur. Und meines Erachtens nach auch nicht primär, obwohl … Guajakholz ist durchaus ein prominenter Protagonist, das, ähnlich wie bei meinem Liebling Gaïac, überaus anziehend präsentiert wird – warm, würzig, samtig und vor allem auch balsamisch. Jene Facetten sind es, die Guajakholz in Düften für mich zu einer der schönsten Ingredienzen machen und zu meiner liebsten Holznote. Hier sieht sich das Hölzlein beleuchtet von einer strahlenden, aber dumpfen Bergamotte, wobei „dumpft“ hier keineswegs negativ gemeint ist, ganz im Gegenteil – seht auch das letzte Bild an, dieses Licht ist für mich auf eine Weise „dumpf“, matt könnte man auch sagen – die Hesperidenfrucht verhält sich ähnlich im Duft, sie ist säuerlich, herb und zitrisch, aber hintergründig und vor allen Dingen nicht spritzig, prickelnd, wie man es von ihr und ihren Kollegen oft gewöhnt ist. Das steht Essence de Bois Précieux sehr gut zu Gesicht, verleiht ihm eine gewisse subtile Frische und Kühle und stellt insofern einen spannenden Kontrast her zu der balsamischen und vor allem auch harzgeschwängerten Holzwärme. Sachter Nebel hüllt ein und Vetiver, ja, das Vetivergras, rundet den Duft gekonnt und ziemlich perfekt ab mit seinem salzig-rauchigen Naturell.

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Gaïac meets Invasion Barbare, zumindest so, wie ich ihn in Erinnerung habe? Ja, irgendwo dort würde ich diesen Schönling ansiedeln, der gleichermaßen klassisch und traditionell als auch modern und minimalistisch wirkt.

Morgen geht es weiter mit … lasst Euch überraschen, in jedem Fall mit Welton London 😉

Bis dahin alles Liebe und kommt gut ins Wochenende, viele Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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