Carons Collection Privé …

… beschäftigt uns noch einige Tage, denn es sind insgesamt elf Düfte, die die Kollektion umfasst. Wie geht man dabei am besten vor? Ich habe mich für das chronologische „Abarbeiten“ entschieden, deshalb machte gestern Violette Précieuse den Auftakt. Ein Iris-Veilchen-Traum sanften Naturells mit watteweichem Moschus unterlegt und von zarten Himbeeren pastellrosa angehaucht. Trotz der Temperaturen draußen, die jenseits von Gut und Böse sind mit gefühlten 50 Grad und sich in meinem Stuttgarter Altbau momentan mit glühenden 32 Grad Innentemperatur festsetzen, die wenig Lust auf Duft und viel Lust auf gar nichts machen, hat mich dieses kostbare Veilchen für sich eingenommen – er geht in den Langzeittest, wenn es mal wieder „normal“ ist vom Wetter her.

Eine Bemerkung hinsichtlich der Caron-Rezensionen schicke ich noch vorweg, die ich bereits in der Rezension des Veilchens vorangestellt hatte:

„Anlässlich der bei uns eingetroffenen Collection Privé möchte ich Euch diese vorstellen, und zwar komplett. Etliche der Düfte sind Klassiker, sie sind im Laufe der langen Geschichte Carons im 20. Jahrhundert entstanden. Viele wurden im Laufe der Zeit reformuliert, behutsam angepasst – alleine aufgrund der IFRA-Reglementierungen, zu denen ich unter anderem hier etwas geschrieben hatte. Selbst mit viel Recherche dürfte es ein Ding der Unmöglichkeit sein, herauszufinden, wie viel tatsächlich an den einzelnen Düften „gedreht“ wurde, wie oft diese Veränderung erfuhren. Ich habe von einigen Düften Carons noch ältere Versionen oder vielmehr: alte, parfumgefüllte Flakons hier stehen, allerdings wäre der Vergleich mit den neuen Düften mitunter auch nicht unbedingt zielführend, wie ihr an obigem Beispiel Coup de Fouet seht. Ist „meine“ alte Variante das Original? Ist sie näher am Original als die heutige Version? Kann ich mir sicher sein, dass nicht im Laufe der Jahre hier bereits Noten verloren gegangen sind, dass sich einzelne Bestandteile verflüchtigt haben? Nein, leider nicht.

Insofern werde ich Euch die Düfte der Collection Privé alleine vorstellen. Ich werde nicht vergleichen mit früheren Variationen, denn streng genommen spielt das für denjenigen, der sie jetzt trägt oder tragen möchte, auch keine Rolle. Dennoch werde ich ihre Historie nicht außer Acht lassen, ihr Alter, die Zeit, in der sie entstanden – das ist anders gar nicht möglich bei Düften, deren Entstehung zum Teil schon Jahrzehnte zurückliegt.“

Narcisse Blanc

Narcisse Blanc ist nach Violette Précieuse die nächste Blume in unserer Reihe, und entstand Anfang der Zwanziger:

„1923 arbeitete Ernest Daltroff an einer großen Sache, eine Zweigstelle in den Vereinigten Staaten in der 389 Fifth Avenue in New York zu eröffnen. Er kreierte in dieser Zeit eine neue Duftvariation des Narzissenthemas. Zwölf Jahre nach seinem Erfolgsduft „Narcisse Noir“ schuf er eine minimalistische, kristalline Interpretation dieser Blüte. Er verkürzte die Struktur des Dufts, die aus einigen der edelsten Blüten besteht – Jasmin, Rose, Flieder und Orangenblüte – und verlieh ihr eine außergewöhnliche Klarheit.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Orangenblüte, Neroli; Herznote: Herznote: Flieder, Petitgrain; Basisnote: Iris, Sandelholz.

Narcisse Noir, den Vorgänger, habe ich in einer älteren Variante in meinem Repertoire – das ist ein „Wummser“, eine Diva, gewandet in Pelz. Ob sie drunter eine Robe trägt, ein Abendkleid, ein opulent besticktes oder „nur“ nackte Haut ist vollkommen egal, in jedem Fall ist Narcisse Noir in seinen älteren Varianten eine echte Wuchtbrumme, ein animalisches Bouquet.

Narcisse Blanc, wie er heute vor mir liegt, ist sicherlich weniger komplex als (der alte) Narcisse Noir – den direkten Vergleich zu einer älteren Variante des Duftes kann ich leider nicht vornehmen, ich kenne und habe ihn nicht. Dennoch merkt man ihm seinen Vintagecharakter an, der vielleicht noch stärker erhalten blieb als im Falle von Violette Précieuse. Narcisse Blanc ist nicht so unschuldig, wie ein erster Blick auf die Zutaten vielleicht vermuten lässt. Orangenblüten und Neroli, die Blüten der Bitterorange, dominieren selbstredend, sie leuchten lebensfroh und heiter in strahlendem Weiß und betören mit ihrem nektarsüßen, sanft zitrisch angehauchten Duft, der von dunkelgrünem Petitgrain (gewonnen aus den Blättern, Zweigen und unreifen bzw. grünen Früchten der Bitterorange) eingerahmt wird. Das liest sich floral-frisch-fruchtig – ist es auch, aber eben nicht nur.

Ich fühle mich an dieser Stelle etwas an Duchaufours Kreation Séville à l’Aube für L’Artisan Parfumeur erinnert – dieser ist sicherlich sehr viel schwerer, opulenter, hitziger, aber dennoch haben wir es bei diesem Duft ebenfalls mit einer „warmen“, orientalischen Orangenblüte zu tun. Narcisse Blanc ist sicherlich tragbarer und weniger ausladend, zeigt aber auf meiner Haut und auch auf dem Teststreifen durchaus eine Art „dumpfe“ Wärme, eine verhaltene Hitze, die auch leise animalische Anklänge hervorblitzen lässt und eine gewisse Würze entwickelt, die mich komischerweise an den Duft von Vaseline-basierter Creme erinnert. Ein paar metallische Akzente gibt es ebenfalls, die wiederum den Missing Link zur Hauptfigur bilden, der Narzisse.

Definitiv ein Duft für uns, liebe Frauen! Ein gelungener Spagat zwischen sonnigem Orangenblütenduft und Diva, das gibt es selten auf dem Markt.

Acaciosa

Zu Acaciosa findet man im Netz verschiedene Entstehungsjahre, 1924, 1926 und 1929 – verlassen wir uns hierbei auf die Angaben von Caron selbst:

„1929 ließ Ernest Daltroff seiner Leidenschaft freien Lauf. Als er eine neue Komposition kreierte, hatte er die originelle Idee, den berauschenden Jasminduft – den König dieses Akkords – mit einer fruchtigen Note herauszustellen, was bis dahin in der Parfümerie nicht bekannt war. Er gab einen Hauch Ananas hinzu, den er mit Rose verband, seiner Lieblingsblume. Wegen seines außergewöhnlichen Know-hows und der ständig arbeitenden Fantasie Daltroffs erreichte Acaciosa schon kurz nach der Lancierung die Höhen der größten Blütendüfte der Parfümerie.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Bulgarische Rose, Ylang-Ylang; Herznote: Ananas, Jasmin; Basisnote: Ambra, Moschus. 

Im Falle von Acaciosa hatte ich früher einmal das Vergnügen, eine Oldie-Variante zu testen, die leider aber nicht mir gehörte – und auf meine Erinnerung kann ich mich hier nicht verlassen, es ist schon zu lange her … Jasmin, ja, Jasmin, das weiß ich noch, hernach aber verließen sie ihn oder vielmehr mich. Sprich: Ich muss mich voll und ganz auf mein Pröbchen stürzen, dass ich von dem Neuen habe.

… und das weiß durchaus für sich einzunehmen, obschon es auf den ersten „Metern“ mit allem anderen, nur nicht mit Jasmin brilliert. Samtige und gleichermaßen pudrige Rosen nehme ich wahr, die zudem fruchtige Anklänge besitzten und eine leichte „Staubigkeit“ ausstrahlen, will sagen eine gewisse Trockenheit. Ylang zaubert exotische Nektarsüße und irgendwo in diesem Blütentraum versteckt sich in der Tat eine klitzekleine, reife Ananas. Und während ich noch in deren tropischer Fruchtnote schwelge, spaziert auch schon der Jasmin herein – cremig zeigt er sich und von erlesener Eleganz. Keinerlei indolische Facetten, nicht über die Maßen betörend, sondern sinnlich. Überhaupt ist Acaciosa ein sinnlicher, ein erotischer Duft, der immer Maß hält und Balance, er ist vorzüglich komponiert mit seinem Vintageherz, das sich in zeitgemäßer „Verpackung“ präsentiert. Der Jasmin gewinnt später an Überhand, bleibt seinem Charakter aber treu und nimmt mich mit seiner unendlich weichen Cremigkeit für sich ein, die von Honigsüße und subtilen Ananasanklängen veredelt wird.

Acaciosa hat mich wirklich verzückt – er leuchtet so gülden im weiteren Verlauf, jene Jasmincremigkeit mit ihrer floral-fruchtigen Honigsüße ist dermaßen verlockend … der toppt sogar meinen Liebling von gestern, Violette Précieuse.

French Cancan

French Cancan hört sich nach Party an – das liest sich auch so:

„Mitte der Dreißiger Jahre, als Musicals der letzte Schrei am New Yorker Broadway waren, erschuf Ernest Daltroff einen neuen Duft für die Vereinigten Staaten. Vor einer Kulisse aus Sandelholz übersetzte French Cancan den wilden Tanz, für den die französischen Kabaretts auch über den großen Teich gut bekannt waren, in ein Bouquet aus Jasmin und Orangenblüte. Das Symbol einer Zeit, als die Kabarettdiven des Moulin Rouge den wunderschönen eleganten Damen der Champs-Elysées die Show stahlen. French Cancan beschwört eine gewisse Befreiung der Sitten, ein Nachhall auf das Ende der Prohibition in den Vereinigten Staaten.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Jasmin, Veilchen; Herznote: Provence-Rose, Orangenblüte; Basisnote: Ambra, Sandelholz.

French Cancan hatte ich vor Jahren einmal getestet und es ist – eine Diva. Eine Chypre-Femme Fatale. Diese neue Variante duftet frischer, etwas „klarer“ als die alte Version oder zumindest das, was ich von ihr in Erinnerung habe – dennoch, ganz klar ein Vintageduft. Ein Vollblutchypre mit einem opulenten, samtig-seidigen Bouquet ausladender Blüten, allen voran Rosen und Jasmin. An Honig erinnernde, liebliche Nektarsüße veredelt, darunter schwelt balsamisch-pudrige Wärme von Harzen und Hölzern sowie Anklängen von Moos und, zumindest auf meiner Haut, eine leise Ahnung von Leder. Einmal mehr überaus gekonnt modernisiert, da bin ich mir sicher – und dennoch den Charakter des Duftes nicht verraten, auch dessen bin ich mir ziemlich sicher.

Ein Duft für uns Frauen, und zwar für die Traditionalisten unter uns: Wer Caron liebt oder die klassischen Guerlains und Chanels genauso wie die „Damendüfte“ unter den Malles … der liegt hiermit ganz bestimmt nicht falsch!

Farnesiana

Farnesiana ist die letzte Blume für heute:

„In den frühen Vierziger Jahren wurde Michel Morsetti Parfümeur bei Caron. Er wollte dem Gründer des Hauses gerne treu bleiben, so tauchte er ein in die kostbaren Notizbücher, die ihm hinterlassen worden waren. Der daraus resultierende Duft war Farnesiana, der 1947 als einzigartige Interpretation der Mimose kreiert wurde. Um ihre federleichte Art nachzubilden, verwendete er die Süße Akazie, eine weniger bekannte Varietät der Mimose mit erstaunlich modernen Akzenten, die ein fast schon gustatorische Süße in den Duft hineinträgt. Der lateinische Name Acacia farnesiana bot ebenfalls Inspiration für den Namen. Er erinnert an den Palazzo Farnese in Rom und die Kunst der sanften und feinen mediterranen Lebensart.“

Die Ingredienzen: Kopfnote: Cassia (Süße Akazie), Bergamotte; Herznote: Iris, Maiglöckchen; Basisnote: Ylang-Ylang, Vanille.

Der Palazzo Farnese in Rom, der heute die französische Botschaft beherbergt (die wissen halt, wie man lebt …), gilt als eines der herausragendsten italienischen Bauwerke des 16. Jahrhunderts sowie als eines der bedeutendsten Renaissancebauwerke. Gebaut hat ihn die Familie Farnese, die damals reich und mächtig war und selbstredend auch beste Verbindungen zur (katholischen) Kirche hatte. Es werkelten, bauten und malten selbstredend etliche bekannte italienische Künstler daran und darin. Die Farnese-Familie vererbte den Palazzo den neapolitanischen Bourbonen-Königen, die ihn wiederum 1911 an Frankreich verkauften. 1936 zurückgekauft durch die italienische Regierung (unter Mussolini), ist der Palazzo heute dennoch in quasi französischer Hand – die Botschaft, oben bereits erwähnt, hat wohl einen 99jährigen Pachtvertrag. Falls jemand einen Nachmieter suchen sollte, ich würde das auf mich nehmen, selbst als Hausmeister 😉

Palazzo Farnese von Giuseppe Vasi (1710-1782)
Palazzo Farnese by Myrabella via Wiki Commons; CC BY-SA 3.0 –> https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Farnesiana durfte ich vor Jahren einmal testen, ich bin mir sehr sicher, dass hier ein Unterschied ist zwischen der modernen Version und der alten. Unser Farnesiana hier startet mit einer goldgelben und strahlenden Mimosennote, die allerdings nicht frisch ist oder fruchtig, wie man sie bisweilen aus den wenigen Mimosendüften kennt, die sich so finden lassen. Es ist eine extrem pudrige Mimose, was von Iris noch untermalt wird und bekräftigt. Ich hätte hier noch ein paar kandierte Veilchen vermutet, das passt auch recht gut zu den marzipanigen, bittermandeligen Anklängen, die Farnesiana im weiteren Verlauf zeigt. Ein floraler Gourmand oder gourmandlastiger Floraler ist es, da besteht kein Zweifel. Ylang-Ylang steuert ebenfalls die gewohnte Nektarsüße und Honigaromen bei, im Fokus stehen aber nach wie vor den kompletten Duftverlauf über jene gelben Blüten, gehüllt in marzipanigen Puder.

Ich muss es nicht erwähnen, oder? Farnesiana ist selbstredend ein Damenduft. Einer mit einem Vintageherz, der gekonnt die Balance zwischen Blumen- und Gourmandduft meistert.

Wie sieht es aus, meine Lieben? Caron-Fans da draußen? Oder solche, die es noch werden wollen? Was steht bei Euch von Caron im Regal, welcher Duft aus der Collection Privée könnte es dorthin schaffen?

Ein schönes Wochenende und viele liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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