Annick Goutal…

… hat vor Kurzem eine neue Edition auf den Markt gebracht, die auf den schlichten Namen Les Colognes hört: Néroli, Vétiver und Eau d’Hadrien heißen sie, die drei Grazien. Die Namen dürften den meisten Goutal-Kennern bekannt vorkommen: Da war doch was? Ja, man kennt sie bereits. Alle drei Colognes sind Variationen von bereits bekannten Goutal-Düften, die auf die exakt gleichen Namen hören. Ich werde Euch deshalb heute nicht nur die neuen Colognes vorstellen, sondern immer auch gleich mit den bereits bekannten Düften vergleichen.

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Vétiver, der Duft, mit dem ich heute beginne, bezieht sich auf einen Klassiker des Hauses, der im Jahre 1981 kreiert wurde. Den originalen Duft hat man wohl gerade aus der Kollektion gestrichen, er ist seit Anfang des Jahres discontinued – vielleicht finden sich ja noch irgendwo Reste, wer ihn liebt, sollte sich aber sputen, um davon noch ein Fläschchen ergattern und/oder bunkern zu können. Vetiverinterpretationen gibt es ja einige, und normalerweise verpackt man das Gräschen klassischerweise erdig, grasig, rauchig, herb mit Zitrusfrüchtchen. Im Falle von Goutals altem Vétiver trifft das nicht zu: In dem Duft wurden dem Vetivergras diverse Gewürze, Sandelholz, Tabak und Tonkabohne an die Seite gestellt, was ihn zu einem salzig-grasigen, maritim anmutenden, trockenen Cremevetiver machte, einem mit einer würzig-balsamischen und rauchigen Ausprägung, der einer der seltenen wärmeren Vetiververtreter war (neben z.B. dem aus der Hèrmessence-Kollektion oder Bal d’Afrique von Byredo).

Summer Nights in Malibu

Le Cologne Vétiver zielt in eine andere Richtung: Zitrone, Rosmarin, Salbei und Iris begleiten das Gräslein und machen das Cologne zu einem helleren Vertreter. Die dunkleren, wärmeren Anklänge des Originals hat man zugunsten einer Sommerlichkeit, einer sommerlichen Tauglichkeit herausgelassen. Dafür bleibt der maritime Charakter erhalten. Ein paar Zitronensprenkler halten Einzug, die die Herbheit des Duftes unterstreichen, während die Kräuter die aromatische Seite untermalen. Und die schöne Iris sorgt für zweierlei: Einerseits weist sie dezent auf die erdige Seite des Vetivergrases hin, während sie andererseits die vom Originalduft bekannte Cremigkeit kreiert. Eine tolle Variation und für den Sommer perfekt geeignet – und zwar für Männlein wie Weiblein!

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"Can We Pretend That Airplanes in the Night Sky Are Like Shooting Stars" - Stewart Wedding - Skull Valley, AZ 7/10/2010 - 3

Néroli hinterlässt mich mit einem Fragezeichen: Gibt es den Originalduft noch? Ich meine schon… Er ist erst von 2003, allerdings finde ich ihn auf der Webseite von Goutal auch schon nicht (mehr?). Egal. Ich vermag mich noch recht gut an das Original zu entsinnen: Blüten der Bitterorange, fruchtig-zart und gleichermaßen ein wenig bitter-grün dank der Blätter, die sie umranden. Ein überaus natürlicher, authentischer Duft, der viel femininer ist als viele Nerolidüfte, die eher in die Unisex-Richtung tendieren und den Fokus auf die Farbe Grün legen. Ein paar Hölzer in der Basis und eine sachte Cremigkeit rundeten das Blumenvergnügen ab. Le Cologne Néroli erinnert mich sehr an das Original, das ich leider nicht (mehr) vorliegen habe, so wie ich es in Erinnerung habe. Leichter, leichtfüßiger aber ist dieser Néroli, zauberhaft honig-blütig und sanft dahingehaucht, aber dennoch mit einer guten Sillage. Das Grün fehlt hier fast gänzlich, was der Schönheit dieses Blütchens aber keinerlei Abbruch tut. Ich weiß, ich zitiere ihn häufiger, aber – das hier ist wirklich ein Sommernachtstraum und ein Must-Try für Liebhaberinnen von Hesperidenblüten.

Italy - Tuscany - Val d'Orcia [2]

Als letzter bleibt noch Eau d’Hadrien, ein absoluter Klassiker des Hauses Goutal. Er stammt, genauso wie Vétiver, aus dem Jahre 1981 und ist sicherlich einer der Düfte, für die Goutal bekannt geworden sind. Das Original, bis heute erhältlich, baut auf eine Kombination, die eigentlich immer funktioniert: Zitrusfrüchte und Holz, hier gerne auch kernig-knarziges in Form von Zypresse. Diese sorgt für balsamisch-trockene, rauchige Holznoten, die auf meiner Haut eine knackige Würze offenbaren, während Zitrone, Zitronatzitrone, Grapefruit und Mandarine sich zum Hesperidenstelldichein versammeln. Prickelnd und herb, saftig und satt zeigt sich das Quartett, vor allem aber zitrisch. Und überdeckt damit die leisen Anklänge von Ylang und ein paar Aldehyden, die in den Hintergrund zurücktreten. Ein toller, charakterstarker und kräftiger Allrounder für beide Geschlechter, der mir persönlich an männlicher Haut aber im Regelfall besser gefällt. Anders die Cologne-Variante, die meiner Meinung nach besser für beiderlei Geschlechter geeignet ist: Obiges Zitrusquartett ist ebenfalls vertreten, saftige, satte, prickelnde und herbe Agrumen, begleitet von zart-fruchtig honiggesüßten Neroliblüten. Die Zypresse würzt hier ebenfalls und knarzt, zeigt sich aber besänftigt durch watteweichen Moschus aus der Basis. Dazu gesellen sich Basilikum und Rosmarin, die der balsamisch-warmen Zypresse aromatisch-grün-kräuterige Akzente hinzufügen. Le Cologne Eau d’Hadrien ist – leichter, und damit meine ich nicht die Sillage. Er ist unbeschwerter und… ja, jünger, womit ich im Umkehrschluss nicht gesagt haben möchte, dass ich Eau d’Hadrien alt finde. Aber Eau d’Hadrien braucht mehr – Standing. Ist würziger, naturnaher. Das Cologne ist zarter, zahmer, versöhnlicher und für mich persönlich auch mein Liebling der Kollektion.

Und wie sieht es aus bei Euch? Lacht Euch etwas an, habt Ihr schon getestet?

Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende Euch,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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