Bois 1920…

… sind wieder auferstanden – und zwar vor einer ganzen Weile schon, nachdem man sowohl diese Marke als auch Odori einstampfen wollte, was ich zugegebenermaßen ziemlich schade gefunden hätte. In Mailand hatte ich sie schon gesichtet, die vier neuen Düfte, die als Limited Art Collection auf den Markt gekommen und jeweils auf 1920 (nummerierte) Exemplare limitiert sind. Heute schauen wir uns das Quartett einmal an, das aus Sensual Tuberose, Vento nel Vento, Dolce di Giorno und Relativamente Rosso besteht.

sensual_tuberoseSensual Tuberose verspricht, eine etwas zurückhaltendere Tuberoseninterpretation zu sein – und das löst der Duft auch ein: Wir haben es hier nicht mit einer männerfressenden Femme Fatale zu sein, sondern mit einer zarteren, aber nicht minder weiblichen Variante der Gattung (Tuberosen)Frau. Und ewig lockt das Weibliche – in diesem Falle mit zwei Weißblühern, denn Jasmin steht seiner Schwester Tuberose fast gleichberechtigt bei. Jene zwei Sirenen erhalten Schützenhilfe von Orangenblüten, tropische Nektarsüße stiftend. Diese weist auf zwei Facetten, die Sensual Tuberose offenbart – einerseits besitzt der Duft einen exotischen Charakter, der umgehend Fernweh erzeugt. Das hier sind keine heimischen Blüten, man fühlt sich durch Sensual Tuberose in die weite Ferne entführt, worin die würzig-süße Kokosnuss einen nur bestätigt. Facette Nummer Zwei ist des Duftes Fruchtigkeit, welche sich von saftig-samtigem Pfirsich verstärkt sieht. Abgerundet hat man, wie man es nicht besser hätte tun können: Mit vanillig-mandeligem Heliotrop, ein bisschen Harz, watteweichem Moschus, pudriger Iris und natürlich Sandelholz und Patchouli, die bei so etwas nie fehlen dürfen. Ein feiner, definitiv femininer Duft, der weniger Solifloraler ist als vielmehr ein exotischer Sommernachtstraum mit üppigem Blütenbouquet.

Vento nel Vento, der Wind inmitten des Windes… Woran hat man bei diesem Titel wohl gedacht? Es gibt ein uraltes gleichnamiges Liebeslied von Lucio Battisti, einem, wie unschwer zu erkennen, italienischen Sänger, der in den 70ern die Hitparaden rockte. Genauso typisch italienisch wie dessen Songs ist Vento nel Vento für einen italienischen Duft: Voluminös, kraftvoll, mit Schmackes und gerne auch ein wenig Schnörkel, aber guut. Ein waschechter Harzer ist es – süße Rauchigkeit, fein-mehliges Glimmen der Hölzer, sich verflüssigende Harztropfen, gebettet in samtige, fein abgestimmt gewürzte Ambrawärme, von Moschus sanft umhüllt. Die tiefschwarze Lakritze finde ich in diesem Zusammenhang genial – sie harmoniert aufs Vorzüglichste mit den zart-harzigen Rauchschwaden, den Hölzern und der patchouli-erdigen Tiefe. Sicherlich kein alltäglicher Duft – Freunde von Weihrauch und Harzen sollten hier dringend mal probeschnuppern und gegebenenfalls kaufen, bevor der limitierte Vento nel Vento buchstäblich vom Winde verweht ist!

tree number 17 - touch me

Dolce di Giorno – schon wieder Lucio Battisti, ok, so langsam ist es kein Zufall mehr… Hier scheint er aber von der Frau nicht begeistert zu sein, wenn ich mir so die englische Übersetzung des Textes ansehe – siehe hier:

Sweet by day,
cold by evening.
Yes, you always
change your mood, but
I’ve already decided
that this is
the last time I go out with you.
You are like
a whipped cream cake
which is all happy
because it hasn’t been eaten, but
I’ve already decided
that this is
the last time I go out with you.
I gave you my heart,
what did you give me?
You made promises only,
and nothing more.
When there’s the sun, you
talk about love,
then when it’s evening,
you are a wax statue, but
I’ve already decided
that this is
the last time I go out with you.
I’ve already decided
that this is
the last time I go out with you.
The last time I go out with you.

Entweder es geht da einem echten Macho zu langsam – oder eine Frau ziert sich zickend und hält den armen Liebestollen absichtlich hin. Vielleicht auch beides, wir werden es nicht lösen. Den Text aber finde ich irgendwie originell: „you are like a whipped cream cake which is all happy because it hasn’t been eaten“ – das muss ich mir merken…

Dolce di Giorno – Süß(e) am Tage, so startet der Duft jetzt nicht unbedingt: Hier tanzen Zitrusfrüchtchen herb und säuerlich mit Zimt und Pfeffer, eine immer interessante Kombination. Würzig, verhalten süß und leicht scharf trifft auf Hesperidenfrische. Und dann ist da noch eine zumindest auf meiner Haut extrem dominante, grün-trockene Kardamomnote, die von einer waschechten Dörrpflaume begleitet wird. Die Basis zeigt sich auf meiner Haut maskulin und oszilliert spannend zwischen kühl und warm – leise harzig, zedersauber und mit vernehmbar samtigem Guajakholz in einen seidigen Vanilleschleier getaucht, von einigen Vetiver-Salzkristallen bestäubt. Elegant und kühn, ein Statement, das gleichermaßen Understatement ist. Solche Düfte sollten mehr Menschen tragen.

Not Just Another Coffee

Relativamente Rosso zeigt sich, nomen est omen, ziemlich feurig: Im Auftakt hätte ich schwören können, dass Kaffee darin ist, was nicht der Fall ist. Trotzdem bestehe ich darauf: Weihrauch, Strohblume, Davana und Zucker verschmelzen für meine Nase hier zu einem Kaffeelikör, der ordentlich Rauch atmet. Beinahe schon an Annick Menardos genialen Patchouli 24, meinen Vanille-Schwarzwaldschinken, erinnern mich diese Schwaden hier, die von einer heuartigen Trockenheit umgeben sind. Ein Röschen hat sich noch mit hineinverirrt – für meine Nase vollkommen unsichtbar. Dafür dominieren Hölzer satt in der Basis, die jene trockene Aura weiterführen, die von dem Heuhaufen, dem olfaktorischen, gestiftet wurde. Relativamente Rosso ist – der Spalter in der Kollektion. Sicher der Duft, an dem sich die meisten reiben werden. Aber unbenommen meiner Meinung nach auch der außergewöhnlichste Kandidat.

Und, neugierig geworden?

Ich wünsche Euch allen ein schönes Wochenende –

viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Angela
    25. Mai 2013
    Antworten

    Ja, liebe Ulrike, sehr neugierig. Den Relativamente Rosso h�¤tte ich wirklich gern getestet. Aber leider war ja ausgerechnet bei meiner Probenbestellung der Tester gerade leer geworden. Schade.

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