Endlich…

… sind sie da, die lang ersehnten Düfte von Arquiste. Vielversprechend sehen sie aus – und wir hier in Deutschland als auch Europa mussten schon viel zu lange warten, bis sie jetzt bei uns gelandet sind. Deshalb möchte ich mich eigentlich sofort ins duftende Getümmel starten – allerdings, ein paar Vorbemerkungen zur noch neuen Marke seien mir gestattet, der Hintergrund ist nämlich durchaus von Interesse.

Der Mann hinter Arquiste ist Carlos Huber, ein gebürtiger Mexikaner, wohnhaft in Ciudad de México, Mexiko-Stadt, der Landeshauptstadt, wo er auch studierte – Architektur. Zu weiteren Studienzwecken zog es ihn allerdings nach Paris, von wo aus er weiter nach Spanien zog, um von dort aus in New York zu landen, wo er einen Studiengang in Denkmalpflege abschloss. Danach entwarf er Interieur für Ralph Lauren, arbeitete bei einer Architektur-Koryphäe an der Columbia University und absolvierte dann noch Studien der Duftentwicklung, da Düfte sich für ihn schon lange zur Leidenschaft entwickelt hatten.

Architektur, Denkmalpflege und Düfte – na, kommt ihr schon drauf, wie das wohl in ein Projekt einfließen könnte, alles zusammen? Und zwar in eine recht ähnliche Richtung, wie sie Ghislain mit Histoires de Parfums sowie Corticchiato mit Parfum d’Empire beschreiten: Carlos Huber führt uns mit seinen Düften jeweils in eine ganz bestimmte Zeit, an einen ganz bestimmten Ort. Und lässt somit Geschichte wahr werden, evoziert längst Vergangenes vor unserem inneren Auge – fremde Reminiszenzen, die zu unseren eigenen werden… Das reizt mich ungemein, Euch auch? Deshalb – lasst Euch diese Woche mit mir von Arquiste entführen!

Den Auftakt macht L’Etrog, der uns ins Kalabrien des 12. Jahrhunderts bringt, genauer in den Oktober des Jahre 1175. Die Szenerie ist folgende: Im mittelalterlichen Kalabrien versammelt sich eine Familie, um ihre großzügig ausgefallene Ernte zu feiern. In ihrer aus Palmzweigen und anderem holzigen Geäst gebauten Hütte entfaltet sich eine wahrhaft aromatische Fülle: Der hesperidische Duft der Etrog-Zitrusfrucht, einer regionalen Spezialität, erhellt die Luft, von Myrte begleitet und mittels einer üppigen Dattel die süße Wärme einer Nacht am Mittelmeer verzaubernd.

Der Hintergrund zu diesem Bild ist historisch betrachtet die Eroberung Süditaliens während des ersten Kreuzzuges durch die Normannen, was die kalabrischen Juden dazu ermutigte, Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu betreiben, was zum Gedeihen der Gemeinden in dieser Region führte. Seit dieser Zeit stellt die Ernte der Diamante Citron oder auch Etrog eine regionale Tradition dar. Es gibt sogar religiöse Auslegungen, die die Etrog-Frucht mit dem Garten Eden in Verbindung bringen: Der Duft gilt als „Duft des Himmels“ und Etrog wird außerdem mit Rechtschaffenheit, Güte und Erwünschtheit assoziiert.

Kanntet Ihr Etrog? Ich musste hier anfänglich passen, bis ich den zweiten Namen gelesen habe – die Zitronatzitrone, jene mich immer ein bisschen an einen verunglückten Kürbis erinnernde Zitrusfrucht. Der Duft, so wie ihn Arquiste präsentieren, dieses Szenario – damit ist ganz klar das jüdische Laubhüttenfest gemeint, an das er sich anlehnt: Sukkot wird es genannt, jenes eine von drei Wallfahrtsfesten, und ähnelt dem christlichen Erntedankfest. Die Etrog-Frucht spielt dabei eine gewichtige Rolle – neben drei Myrtezweigen (Hadasim), einem Palmzweig der Dattelpalme (Lulaw) sowie zwei Bachweidenruten (Arawoth) ist sie die entscheidende Ingredienz für den vorgeschriebenen Feststrauß. Hier wirft man also nicht wie beim christlichen Feld alles, was der Acker so hergibt auf den Altar – es ist alles ein wenig zeremonieller und geordneter 😉 … und wenn ich gerade drüber nachdenke, hätte ich gerne mal einen Erntedankduft, der sich an den christlichen Gaben orientiert – Kürbis, Getreide, ein paar späte Früchte, das könnte ein zweiter Like This! werden, mhhh…

Aber bleiben wir bei L’Etrog: Diese Zitronatzitrone hat es natürlich in sich. Sie gilt laut dem babylonischen Talmud als Frucht des Baumes Hadar – und ist somit besagter Apfel aus dem Paradies, der Adam (und Eva, na klar…) zum Verhängnis wurde. Somit nennt man das Zitrönchen, das bedeutungsschwangere, auch Adams- oder Paradiesapfel. Zusammengenommen stehen die vier Zutaten des Feststraußes für die unterschiedlichen Vegetationen in Israel und symbolisieren darüber hinaus die Einheit des Volkes Israel.

Im Gebet beim Laubhüttenfest, Paula Gans IMG 4724 4725 4726 edit

Arquiste haben sich streng daran gehalten: Es finden sich die Zitronatzitrone, Myrte, Datteln und, da Bachweide nicht duftet, in der Basis ersatzweise Vetiver in dem Duft L’Etrog, den ich mir jetzt zu Gemüte führen werde.

Haaach… der erste Duft ist es, den ich von dieser Serie teste – und bin sogleich erfreut. Trotz der überschaubaren Anzahl der Zutaten ist das ein wirklich schöner Hesperidengeselle, der mir sofort Lust auf mehr macht – mehr von ihm und mehr von der Linie, mehr von Arquiste.

Im Auftakt zeigt er sich zitrisch-gleißend, nicht prickelnd, vielmehr glänzend, und ziemlich säuerlich-herb, von einer leichten Salzigkeit begleitet, die von dem Vetiver herrührt – eine Kombination, die mir immer sehr gut gefällt und mich auch bei L’Etrog in ihren Bann zieht. Auf meiner Haut bleibt diese Salzherbheit, der eine gewisse Frische innewohnt, recht lange – und entwickelt eine interessante Ambivalenz: Je länger ich diesem Duft und seinem Verlauf beiwohne, desto wärmer wird er, obgleich er jene frisch-zitrischen Facetten ebenfalls beibehält. Während auf meiner Haut diese zwei Pole sich sehr viel länger umgarnen, hat sich der Teststreifen schon früh(er) für die wärmende Trockenheit entschieden, die in der Tat Noten getrockneter Datteln offenbart.

Keiko Mecheri ließ sich ja früher, meiner Meinung nach, gerne ein bisschen von Serge Lutens inspirieren. L’Etrog ist für mich das, was ich mir unter einer gelungenen Zusammenarbeit dieser beiden vorstelle unter dem Motto – wir kreieren einen Zitrusduft (was Mecheri ja ziemlich gut kann, siehe ihre Hesperiden-Kollektion). Und, je länger L’Etrog auf meiner Haut tanzt, ruhig, bedächtig und versonnen, desto mehr meine ich wahrzunehmen – Florales, Leuchtendes – ubd fühle mich erinnert: Von Maria Candida Gentiles zartem Gershwin geküsst? Am Werk war allerdings keiner von den genannten, sondern ein anderes Duo: Rodrigo Flores-Roux und mein Liebling, Yann Vasnier – siehe hier.

Ich freue mich, wirklich. Was für ein toller Einstieg in eine neue Kollektion. Macht Lust und Laune auf den Rest – Euch auch?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

7 Kommentare

  1. Dorothea
    27. November 2012
    Antworten

    Ja endlich…auch ich habe diese Düfte sehnsüchtig erwartet, alleine die Namen der Parfumeure – Vasnier & Flores-Roux – lassen mich mit den Hufen scharren…

    Natürlich bin ich vor allem auf Fleur de Louis gespannt, es soll eine wunderschöne Sommer-Iris sein :)))
    Aber auch die anderen Düfte klingen sehr vielversprechend, ich freue mich schon auf die Rezensionen – und das anschließende Testen!

    Liebe Grüße
    Dorothea

  2. Christiane
    29. November 2012
    Antworten

    Ja, die Düfte und die Geschichten dazu klingen spannend. Schade nur, dass der doch recht üppige Pröbchenpreis meine persönliche Schmerzgrenze überschreitet 🙁

  3. Isabelle
    29. November 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    ja, endlich… ich auch habe auf Arquiste gewartet, das ganze Konzept finde ich sehr, sehr interessant.

    Und nun habe ich hier 5 Pröbschen (Etrog ist leider nicht dabei)… Die 5 Düfte teste ich seit ein paar Tage und ich muss zugeben, ich brauche Zeit.
    Flor y Canto: ganz am Anfang habe ich sehr negativ reagiert. Eine Note hat mich „gestört“ und ich konnte nicht verstehen, was es war. Jetzt, dass ich deine Rezension gelesen habe („Magnolie? Ja, verhalten, wässrig im Hintergrund. Frangipani – hätte auch Ylang sein können, ein die Süße, die verruchte, der bisweilen minzig-pilzig anmutenden Tuberose verstärkend“), verstehe ich den Duft viel besser und jedes mal, dass ich ihn rieche, mag ich ihn besser und noch besser.
    Soll das heißen, dass ich irgendwie eine „intellektuelle Unterstützung“ brauche, um einen Duft (oder manche Düfte) schätzen zu wissen? Das wäre aber irgendwie schade – oft wünsche ich mir, in der Lage zu sein, meinem Gehirn mehr Ruhe zu geben. Aber mit Flor y Canto ist es mir ganz klar: seitdem ich die für mich schwierige Noten mit deiner Wörtern assozieren kann (wässrig + minzig-pilzig), geht alles wieder „in Ordnung“. Aber vielleicht ist es bei Düfte ähnlich wie bei Musik, Literatur oder Malerei – da auch braucht man oft „Hilfe“, Unterstützung, um die Meisterwerke besser verstehen zu können.
    Ganz gespannt warte ich auf deine „Infante en Flor“ Rezension… wirst du, genauso wie ich, diesen Duft mit einem weiteren bestimmten Duft – den du, liebe Chef-Anfixerin, sehr magst – assozieren? Mal sehen…

    Vielen Dank für deine wie immer unglaubliche Rezensionen, ich werde sie alle noch mehrmals lesen – und vielleicht, hoffentlich, Geschichte dadurch besser lernen, als damals in die Schule…

    Ganz lieben Gruß,

    Isabelle

  4. Avatar photo
    Ulrike
    6. Dezember 2012
    Antworten

    Huhuu Ihr Lieben,

    @ Dorothea: Wie schon geschrieben, es führt kein Weg dran vorbei, glaube ich 🙂 Und ich bin mir fast sicher, dass Dir das eine oder andere gefällt 🙂

    @ Christiane: Ich kann mich nur wiederholen – wenn Du eine Möglichkeit zu Testen hast – tu es. Oder, wenn Du partout gar nicht kaufen willst – tu es besser nicht. Ich bin mir fast sicher, dass irgendeiner davon Dein Herz erobert. Es geht eigentlich gar nicht anders.

    @ Isabelle:
    L’Etrog musst Du auf jeden Fall noch nachholen – ich finde, es ist ein sehr besonderer Hesperidengeselle, und von denen gibt es ja nicht wie Sand am Meer. Für mich vielleicht ein weiterer Sommerkandidat. Da bin ich ja immer sehr wählerisch und weiter auf der Suche nach schönen Hesperiden. Betreffs der Düfte und der Anleitung: Ich denke, das ist einerseits ein wenig Übungssache. Und andererseits ja aber auch ganz normal – mir geht es auch manchmal so, dass ich eine Note entdecke, die ich partout nicht zuzuordnen vermag – und mich dann vielleicht so lange daran störe, bis ich das Geschehen für mich aufgelöst habe, die Note kenne, den Akkord auflösen konnte etc.. Ich kann das ergo gut verstehen 🙂 Ich bin aber jetzt so richtig neugierig: An WAS hat er Dich jetzt erinnert, Infanta en Flor?

    Viele liebe Grüße,

    Ulrike.

  5. Isabelle
    6. Dezember 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    ja, L’Etrog möchte ich auch testen – und vielleicht werde ich den Hesperiden-Duft meines Lebens finden? –
    Hesperiden sind mir irgendwie immer „zu“ etwas – zu zitronisch, zu leicht, zu dies, zu das 🙁
    Infanta en Flor… hat eine Tiefe, die mich an Maria Candida Gentile / Hanbury erinnert!
    Bis jetzt sind Anima Dulcis, Infanta en Flor und Flor y Canto meine Lieblings von Arquiste. Aber Aleksander kommt auch ganz na dran…
    Anima Dulcis stelle ich mich gerade jetzt im Winter so gut vor, dass mein Portemonnaie Angst hat (und schreit: „Pitié!!!“), jedes Mal, dass mein Probschen etwas leerer wird… Und Infanta en Flor soll wunderbar sein im Frühling.. oder doch auch jetzt? Und Flor y Canto wirkt wie eine Sirene…
    Ich finde die Arquiste Düfte und das Konzept einfach toll, und deine Rezensionen zu lesen ist jeden Tag eine wahre Freude gewesen! Dankeeeeeeeeeeeeeeee Ulrike!!!

    Ganz lieben Gruß von Berlin mit Schnee,

    Isabelle

  6. Isabelle
    6. Dezember 2012
    Antworten

    („stelle ich mir vor“, nicht mich…)

  7. Avatar photo
    Ulrike
    18. Dezember 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Isabelle,

    ich bin mir ganz sicher, dass wir für Dich noch den passenden Hesperidengesellen finden 🙂 L’Etrog könnte in der Tat etwas sein, mir fallen da aber auch noch einige andere besondere Zitrusfrüchtchen ein…
    Und ja, die Arquiste-Düfte sind zu toll für das hauseigene Portemonnaie, auch für meines 😉

    Viele liebe Grüße,

    Deine Uli.

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