Ins Wochenende geht es…

… mit dem dritten Teil meiner Maria Candida Gentile-Rezensionen. Wie Ihr schon unschwer erkennen konntet die letzten Tage – die Italienerin hat mein Herz erobert mit ihren feinen und subtilen Kreationen. Diese sind, ähnlich wie die neulich rezensierte Torre of Tuscany-Cologne-Kollektion – siehe hier –, einerseits typisch italienisch, andererseits aber auch sehr viel komplexer, distinguierter als viele ihrer zum Teil schon recht offensiven Landsmänner. Understatement wird hier gepflegt – eine Attitüde, die mir durchaus sympathisch ist.

Gershwin, Duft Nummer Drei, ist, wie die Parfumeurin verlauten lässt, eine Ode an die Wälder, die Blumen, Pflanzen und Geräusche, an Kultur und kulturelle Unterschiede, die sich am besten durch Reisen erfahren und verstehen lassen, eine Ode an Freiheit und die gemeinsame Zugehörigkeit zum großen Ganzen als Weltenbürger und Erdenbewohner… Auf Englisch hat sich das jetzt weit weniger kitschig angehört. Ein schönes Motiv – und, mal ganz ehrlich, mit was eint man Menschen besser und einfacher als mit Kunst, mit allem, was sinnlich erfasst werden kann, was Emotionen evoziert?

Die Musik von Gershwin ist dazu sicher geeignet: Der Pianist und Komponist hat ein überaus vielfältiges Werk hinterlassen, dessen Bandbreite von Jazz über Broadway- und Filmmusik bis hin zur Klassik reicht, weswegen er unzählige Musiker wie Ella Fitzgerald, Judy Garland, Frank Sinatra, Louis Armstrong und Jannis Joplin inspirierte, um nur einige zu nennen.

Gershwin, der Musiker, vereint mit seiner Kunst. Gershwin, der Duft, tut das auch – ein herausragender Duft, anrührend und beeindruckend in seiner Simplizität, seiner schlichten Schönheit.

„Gershwin is made of citruses and rare incenses. It contains at the same time the vibrations of the the Sicilian sun and the Memphis blues, the Sycomore fragrance vibrating together with the peated scents of the night.“

Hesperiden sind es also, die Gershwins Herz ausmachen – vornehmlich zitrische, Bergamotte, Zitrone und Grapefruit, auf seltsame Art leuchtend, schillernd leuchtend. Hier prickelt nichts, hier kitzelt nichts – in eigenartiger Manier strahlen jene italienischen Vorzeigefrüchtchen, die nebenbei bemerkt, aus den 120 Jahre alten sizilianischen Gärten der Capua-Brüder stammen (wohl ein bekannter Garant für Qualität), und werden einmal mehr von einer Prise Pfeffer akzentuiert, eine klassischer Kniff, den ich sehr gerne mag. Die Herznote ist wohl von Sykomore-, also Maulbeerfeigenholz und Seerosen geprägt – ich vermag hier aber lediglich eine zarte Wässrigkeit unter, neben und hinter den Agrumenfrüchten zu vernehmen, mehr Blümelein erreicht mich nicht. Das Holz versteckt sich ebenfalls gut, vielmehr bildet es das Unterholz zum luftigen, leicht feuchten Weihrauch, der im Duett mit den Hesperiden das Zentrum des Duftes darstellt, von einer hauchzarten Sandelwärme untermalt.

Sunrise Hwy 7

Gershwin ist – ein herrlicher Duft, wie eben schon bemerkt. Er hat aber für mich außer seiner (ver)einenden Wirkung nicht viel gemein mit Gershwin, dem Musiker. Gershwin, der Duft, hat keinen klassischen Jazz und erst recht kein Broadway im Blut, allenfalls „Summertime“ könnte als Song noch zu ihm passen. Er verströmt die immerzu verhalten melancholische Leichtigkeit des Seins in einer schwebenden Form – eine solche finde ich nicht bei Gershwin, zumindest nicht in den Stücken, die ich kenne. Vielleicht kann mir einer von Euch auf die Sprünge helfen?

Bei mir hätte Gershwin… Chopin geheißen. Wegen der Nocturnes. Vielleicht wegen Opus 9 No. 2? Erscheint mir in jedem Fall viel passender. Ich habe Euch aber beide Werke herausgesucht – vergleicht doch mal, falls Ihr demnächst testen werdet:

Eine gewisse Ähnlichkeit sehe ich: Gershwin könnte ein olfaktorischer Bruder von Etros Lemon Sorbet sein, der im Vergleich aber doch eher, und gar nicht negativ gemeint, als Mann fürs Grobe erscheint.

In diesem Sinne – Euch allen, ob Feingeist oder dem Groben zugetan – ein schönes Wochenende und alles Liebe!

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Harmen
    7. August 2012
    Antworten

    Hallo zusammen,

    habe mir gerade mal „Gershwin“ unter den Rüssel gehalten, weil ich neugierig war. Vor allem auf meiner Haut kommen die holzigen Noten und vor allem die Weihrauchnoten ordentlich durch – nach einem zitrischen Auftakt. Durch die gewürzigen Noten hätte mich auch Patchouli als Zutat nicht verwundert. Auf der Haut bei mir also ein hölzernes Weihrauchspektakel, auf dem Duftstreifen ausgewogener. Nicht schlecht, meine Lieben, Freunde des gediegenen Weihrauchs sollte der Duft gefallen, mir drängt sich allerdings eine starke Öko-Assoziation auf – vielleicht weil es sich um rein natürliche Ingredienzen handelt? Was meint Ihr?

    Liebe Grüße
    Harmen

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