Xerjoff Oud Stars – die Zweite.

Wackelig ist mir heute zumute, denn Duft Nummer Drei und Vier aus der neuen Kollektion der Oud Stars aus dem Hause Xerjoff stehen an – und ich weiß, dass auch hier aller Wahrscheinlichkeit nach was für mich dabei ist. Angetan war ich schon vorher, nur wie so oft ist es dann der ausgiebige Test, der mich darniederstreckt, jede Gegenwehr im Keim erstickt und mich dazu bewegt, mein halbes Gehalt wieder dorthin zurück zu tragen, wo es hergekommen ist… Schuld seid – Ihr. Und, streng genommen natürlich mein ständiges Begehren nach einem neuen Holy Grail, insofern lassen wir das mit den Schuldzuweisungen und wenden wir uns in frommer Eintracht den heutigen beiden Kandidaten zu, Najaf und Al Khatt.

Najaf sieht sich benannt nach der gleichnamigen Stadt im Irak: Für den schiitischen Islam als eine der sieben heiligen Städte geltend, wurde Najaf angeblich an der Grabstätte Ali ibn Abi Talib gegründet, seines Zeichens Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed, dessen Tochter Fatima er heiratete (sagt nichts, die alten Ägypter waren da viel nonchalanter…). Die Stadt ist für gläubige Schiiten heilig, die dortige Grabmoschee stellt das wichtigste islamische Heiligtum dar und ist bis heute bedeutendes Pilgerziel, während das Najaf-Seminar selbst als eine der wichtigsten Schulen, eines der wichtigsten Zentren weltweit bezüglich der Vermittlung des Islams gilt. Während der Hussein-Ära wurde Najaf logischerweise von ihm als Sunnit immer misstrauisch beäugt, im letzten Irakkrieg war die Stadt dann eines der Hauptangriffsziele.

Najaf-Iraq 1932

Den Bogen von diesem historischen Hintergrund zum Duft zu spannen ist – schwer. Vielleicht sollte ich es einmal so versuchen: Als Agnostiker, der die Philosophie als Ersatzreligion betreibt, sehe ich ein, dass die Frage nach den letzten Dingen, dem letzten Sinn und das Bedürfnis nach einem großen Ganzen im Menschen auf eine Weise angelegt zu sein scheint. Einem Animal Metaphysicum, einem sich den Fragen der Metaphysik widmenden Menschen, der über diese zum Was-auch-immer-Gläubigen wird, vermag ich im besten Falle zwei Dinge zu attestieren: Demut und Hingabe, die mir beizeiten einen gewissen Respekt abnötigen.

Najaf, der Duft, bewirkt bei mir ähnliches – Demut und Hingabe. Demut, weil er auf eine Art so ein ungekünstelter, reiner Duft ist, einer, der eine solche klare Schönheit ausstrahlt, welche einfach ergreifend ist. Es bleibt also nicht anderes übrig – Demut. Und danach Hingabe.

Osmanthus trees in Hangzhou.

Im Auftakt zeigt sich Najaf eigen und seltsam anmutend, zieht mich aber alsbald in seinen Bann: Kräuter, krautige Bitterkeit und herbe Süße, ein wenig medizinisch anmutend und von Unterholz begleitet. Alsbald zeigt sich das exotische Herz des Duftes: Oud und Osmanthus – ein seltenes Paar, das ich sonst nur von Mona di Orios ebenfalls wunderschönem Oud kenne -, auf kongeniale Art und Weise ineinander verflochten in liebender Umarmung. Der Osmanthus zeigt sich hier weniger floral als sonst, sondern von ledriger Natur und weist statt der üblichen Pfirsichanklänge diesmal Aprikosen und Mirabellen auf, während Oud das Leder tatkräftig unterstützt und ansonsten eher zivilisiert, aber überaus präsent vor sich hin raucht und harzt. Vanille und Tonka aus der Basis zeichnen einen subtil-warmen Hintergrund, ein gemütliches Szenario. Und dann sind da noch Tabakanklänge, die ein wenig Duft und Geschmack jener einen Zigarette suggerieren, nachdem sich Nichtraucher (wie ich, ok, ich gestehe – mittlerweile wieder Gelegenheitsraucher) immer sehnen…

Jasmine

Al Khatt gleicht einem arabischen Gedicht – „Die Sonne lehrt alle Lebewesen die Sehnsucht nach dem Licht. Doch es ist die Nacht, die uns alle zu den Sternen erhebt“ heißt es bei Khalil Gibran, dem libanesischen Dichter und Philosophen. Al Khatt ist eine nächtliche Blüte, so üppig und wollüstig, wie er sich präsentiert, und jede Sünde wert: Jasmin, verschwenderisch blühender, der sich zuerst fruchtig-beerig gibt, um dann im Laufe des Duftes immer sanfter, cremiger, verführerischer zu werden, was dank Cashmeran und Vanille in der Basis noch unterstrichen wird. Weiblichkeit, lockende, holde, verlangende – gekonnt gepaart mit Oud aus Laos, holzig-herb und kräftig, Körperlichkeit ausstrahlend und dank Benzoeharz Ambivalenz atmend, ewig oszillierend zwischen Kühlheit und Wärme. Ein Wechselbad der Gefühle, das mich in seiner fremdartigen Schönheit sofort an eine Dame denken ließ, die mich vor einiger Zeit, als ich sie entdeckte, schwer beeindruckte – Rachel Brice, eine der bekanntesten Bauchtänzerinnen unserer Zeit, genauer: Tänzerin des Tribal Fusion Styles, einer Weiterentwicklung des American Tribal Style Belly Dance. Komplizierter Name und eigentlich auch völlig egal – seht Euch das Video einfach an, meines Erachtens nach drückt Madame Brice gekonnt einen Teil der Erotik und Sinnlichkeit aus, für die Al Khatt für mich steht.

Mit ihr lasse ich Euch jetzt alleine – bis morgen, da folgt nämlich Teil Drei der Oud Stars-Rezensionen.

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. caro
    24. Mai 2012
    Antworten

    Hallo liebe Uli, ich bin Deinem Rat gefolgt und habe das Video angesehen, bis zum Schluss. Für mich ist diese Darbietung befremdlich, nicht von dieser Welt. Was die Dame mit ihrer Halswirbelsäule und – noch schlimmer – ihren Bauchmuskeln aufführt, ist unheimlich und absolut unnatürlich. Mich hat diese Vorführung teils fasziniert, teils abgestoßen. Auf jeden Fall ist der Film eine Entdeckung – wahrscheinlich genauso, wie die Düfte von Xerjoff Oud Stars!

  2. Avatar photo
    Ulrike
    25. Mai 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Caro,

    für mich als „Ich hab Rücken, Schätzeken!“-Betroffene mit Schwerpunkt auf Hals- und Lendenwirbelsäule mutet es auch vollkommen irreal an, was Madame Brice da veranstaltet. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass es mir großen Respekt abnötigt. Und es hat für mich persönlich den Bauchtanz gerettet, nachdem ich vorher immer irgendwelche Klischeebilder *ichgestehe* im Kopf hatte 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

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