Der Nomade, ein Humboldt?

Le Nomade von Parfums d’Orsay — bei Nomaden denke ich sogleich an Orientalen, dabei gibt es nomadisch lebende Völker auf jedem Kontinent, sodass ich jetzt einfach meine Klischeevorstellungen über Bord werfe und nochmal von vorne anfange. Der Hersteller deutet ohnehin in eine ganz andere Richtung:

A unique eau de parfum to carry the travelling gentleman across frontiers, in search of rich experiences and memorable moments.

Also haben wir es hier keineswegs mit Beduinen- oder Wüstenromantik zu tun, sondern eher mit dem reisenden Gentleman des 19. Jahrhunderts, als das Reisen noch zur Grundausstattung jedes gebildeten Menschen gehörte. Damals bereiste man den Süden, um antiken Schauplätzen nachzuspüren oder wagte sich in noch fernere Winkel der Erde. Heute ist man in ein paar Flugstunden beinahe überall, früher hingegen gab es noch wirklich etwas zu entdecken. Weiße Flecken auf der Landkarte lockten mutige Forscher mit Entdeckergeist, sowohl ihr Vermögen als auch ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um als Pioniere in die Geschichtsbücher einzugehen. Entsprechend hatten Reiseberichte, Abenteuerromane und die Mischung daraus, Reiseromane, auch in der breiten Masse Hochkonjunktur. Von wissenschaftlichen Werken wie Alexander von Humboldts Reiseberichten bis hin zu den Fiktionen eines Jules Verne faszinieren Werke wie diese. Das Genre ist übrigens nicht ausgestorben. Da wir auf den Landkarten der Erde keine weiße Flecken mehr haben, mussten wir in die unendlichen Weiten des Weltraums ausweichen, sodass die Reiseliteratur hier im Science-Fiction-Gewand weiterlebt; ganz zu schweigen von Roadmovies…

Zurück zu unserem Nomaden, welcher mit folgenden Duftnoten angegeben wird: Kopfnote: Vetiver, Bergamotte, Limette, Muskatnuß; Herznote: Geranium, Jasmin, Kardamom, Koriander, Kumin, Schwarzer Pfeffer; Basisnote: Salbei, Zedernholz, Sandelholz, Moos

Selten hat es mich derart aus den Socken gehauen, das ist ein Duft ganz nach meinem Geschmack! Frische Hesperiden im Auftakt werden von würzigen Noten unterstützt, und ohne Unterbrechung setzt sich diese frische Würze mit Kardamom, Kumin und Schwarzem Pfeffer fort. Unverzüglich sollte „Le Nomade“ nun auf die Haut. Dort das gleiche Bild, wobei erst hier die holzige Grundlage wahrnehmbar wird, denn nach einer Weile klingt der so furios gestartete Duft mit harmonisch weichem Sandelholz aus.

Ein kühle, nordeuropäische Frische trifft auf würzige, exotische Noten. Das Bild des Reisenden in fremden Ländern finde ich hier hervorragend umgesetzt. Dabei ist „Le Nomade“ aber keineswegs konfrontativ oder ein Abbild des Kolonialisten. Dieser Reisende lässt sich voller Respekt auf das Fremde ein, weiß Differenzen zu überbrücken und wird somit zu einem Humboldtschen Charakter, einem Humanisten und Vordenker der Globalisierung.

Meine Damen und Herren, ein ganz ausgezeichneter Duft, für alle Freunde zitrischer Noten gepaart mit kräftiger Würze.

Es grüßt Euch
Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

2 Kommentare

  1. Margot
    6. September 2011
    Antworten

    Hallo Harmen,

    freut mich, dass Du mit diesem Duft was für Dich gefunden hast in Deiner „Zitronen/Limetten-Reihe“ besonders die „nordeuropäische Frische“ wird es Dir angetan haben 🙂

    Liebe Grüße,
    Margot

  2. Harmen
    15. September 2011
    Antworten

    Hallo Margot,

    wirklich ein toller Duft. Mit nordeuropäischer Frische bin ich nach meinem verregneten Urlaub nun auch ausreichend versorgt 😉

    Liebe Grüße
    Harmen

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