… gibt es eine ganze Menge. Kein Wunder, denn die unter dem Namen Nachthyazinthe bekannte Pflanze, die zu der Gattung der Agaven zählt, ist eine der beliebtesten und auch teuersten Ingredienzen der Parfumindustrie – was nicht zuletzt daran liegt, dass ihre Ernte kein einfaches Unterfangen darstellt. An dieser Stelle lasse ich wie in einem früheren Artikel zur Tuberose nochmals Patrick Süskinds Grenouille zu Wort kommen:
“Ende Juli begann die Zeit des Jasmins, im August die der Nachthyazinthe. Beide Blumen waren von so exquisitem und zugleich fragilem Parfum, daß ihre Blüten nicht nur vor Sonnenaufgang gepflückt werden mussten, sondern auch die speziellste, zarteste Verarbeitung erheischten. Wärme verminderte ihren Duft, das plötzliche Bad im heißen Mazerationsfett hätte ihn völlig zerstört. Diese edelsten aller Blüten ließen sich ihre Seele nicht einfach entreißen, man mußte sie ihnen regelrecht abschmeicheln. In einem besonderen Beduftungsraum wurden sie auf mit kühlem Fett bestrichene Platten gestreut oder locker in ölgetränkte Tücher gehüllt und mussten sich langsam zu Tode schlafen. Erst nach drei oder vier Tagen waren sie verwelkt und hatten ihren Duft an das benachbarte Fett und Öl abgeatmet. Dann zupfte man sie vorsichtig ab und streute frische Blüten aus. Der Vorgang wurde wohl zehn, zwanzig Mal wiederholt, und bis sich die Pomade sattgesogen hatte und das duftende Öl aus den Tüchern abgepreßt werden konnte, war es September geworden. Die Ausbeute war noch um ein Wesentliches geringer als bei der Mazeration. Die Qualität aber einer solchen durch kalte Enfleurage gewonnenen Jasminpaste oder eines Huile Antique de Tubereuse übertraf die jedes anderen Produkts der parfümistischen Kunst an Feinheit und Originaltreue.”
In jenem obigen Artikel habe ich auch beschrieben, wie meine Liebe zur Tuberose geweckt wurde, mit der ich anfangs so gar nichts anzufangen wusste: Herr Lutens war schuld und seine Assoziationen von Baudelaires Fleurs du Mal, von den schwindsüchtigen opiumabhängigen Schönen aus den Gedichten dieses Poète Maudit. Tuberose, die Inkarnation der Fleischlichkeit, der Sinnlichkeit, mit ihrem morbiden weil ach so vergänglichen Charakter. Fragil und üppig genauso wie gefährlich betörend.
Fracas, der Klassiker und Kultduft aus dem Hause Piguet, verdrehte mit seinen rosanen Kaugumminoten neben Madonna noch vielen Frauen (und in der Folge auch Männern) den Kopf, Poison aus dem Hause Dior ist ein geborener Verführern und Chloé verdankte seinen Ruhm ebenfalls jener weißblütig-fleischigen Protagonistin, der Tuberose.
Im Nischenduftbereich gibt es einige wunderschöne Tuberosen: Serge Lutens‘ kriminell gute Tubéreuse Criminelle, Duchaufours sportlich-sinnliche Nuit de Tubéreuse mit gepfefferter Mango, dann Annick Goutals Tuberosenfeld Tubereuse, Creeds ambrierte Interpretation Tubereuse Indiana, by Kilians kinky-exotischer Beyond Love, Parfumerie Generales fruchtig-floral-feminine Tubereuse Couture, Histoires de Parfums Tuberosentrio Les Tubereuses, Delrae Roths grüne Schönheit Amoureuse oder Ropions göttlicher Carnal Flower für Frédéric Malles Kollektion – es fällt wirklich nicht schwer, sich innerhalb kürzester Zeit etliche Kandidaten ins Gedächtnis zu rufen. Augenscheinlich ist auch, das hier bereits eine echte Messlatte hängt: Es existieren schon diverse wunderschöne Tuberosendüfte.
Keiko Mecheri nimmt sich des Themas trotzdem keck an – und kreiert mit „Tuberose“ in der Tat einen sehr eigenständigen Duft, der der Tuberosenthematik Neues abgewinnt, ihr weitere Facetten beschert.
„Radiant, translucent tuberose is blended with a crystalline jasmine for a very modern take on the white floral. This does not read as heavy or creamy, but as cool and transporting and edgy…“
Eine hell leuchtende, strahlende Tuberose mit „kristallinem“ Jasmin gepaart, welche für eine sehr moderne Interpretation eines weißfloralen Duftes sorgen. Weder schwer noch cremig soll sie sein, aber kühl, „transporting“ und kantig.
Ich muss gestehen, dass ich mich dieser „Diagnose“ durchaus anschließen kann: Keine herkömmliche Tuberose, bestimmt nicht. Die Ingredienzen verrate ich Euch gleich – und verrate auch, dass sie für mich absolut Null Aussagekraft haben was den Duft angeht: Kopfnote: Tuberose, Jasmin; Herznote: Rose, Petitgrain; Basisnote: Vanille, Benzoeharz, Hölzer.
Schillernd ambivalent ist der Duft in seiner Tuberoseninterpretation: Ständig oszillierend zwischen einerseits luziden, kühl-minzigen Facetten, die ich nicht wirklich zuordnen kann (die Rose?) und welche fast schon geeist-mentholischen Charakter aufweisen, andererseits aber auch vanillige Weiche mit einem Hauch verdickter Milchcreme, darüber hinaus Spuren von Pfeffer und eine ledergesäumte Bitterkeit, die etwas Pilzhaftes an sich hat.
Mich erinnert das Ganze an eine abstrakte große Lederblütenbrosche in hellem Silbergrau, die von zum Beispiel einem Marni- oder Lanvin-Model auf dem Laufsteg getragen wird. Feminin, irgendwie avantgardistisch und ziemlich eigen, aber auf eigenartige Weise anziehend. Ein besonderes Blümelein, dass muss ich schon sagen. Und auch für jene einen Test wert, die ansonsten mit Tuberosen nicht gleich warm werden.
Liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bildquelle: Polianthes Tuberosa Clean via Wiki Commons, some rights reserved – vielen lieben Dank!
Keiko Mecheris Tuberose erhalten Sie hier in unserem Shop.
Um auch noch meinen Tuberosen-Senf abzugeben, hierzu auch noch ein paar Wörtchen… 🙂
Ich wollte Dir, liebe Uli, nämlich schon länger mal sagen, dass Du es auch warst, die mir die Tuberose nahegebracht hast. Deine Vorstellung des Tuberosen-Trios machte mich so neugierig, dass natürlich Pröbchen herwandern mussten. 😉 Die Nr. 1 und auch die 3, gewannen mein Herz im Fluge und alle beide möchte ich nicht mehr missen in meiner Sammlung. Ich liebeeeee sie!! 🙂 Und Du bist schuld! .-))
Die neue Keiko-Tuberose habe ich letzte Woche nur mal kurz im Vorbeigehen geschnuppert, sie wird noch einem intensiveren Test durchzogen, denn sie war tatsächlich so ganz anders, wie das was ich bisher so kannte. Ob mir das nun gefiel oder eher nicht, das muss ich noch herausfinden. 😉
Herzlichst
Evelyn
Huhuu liebe Evelyn,
ich war also der böse Anfixer 😉
Die Tuberosen von HdP sind aber auch wirklich schön, ich kann es verstehen 🙂
Bin gespannt, ob Dir die Neue hier auch gefällt – ist ein eigenartiges Blümelein, aber sehr interessant!
Liebe Grüße zurück,
die Uli.