Viva la Revolución!

Revoluzzer gibt es dieser Tage wieder zuhauf und sie sind momentan auch in aller Munde: Ob nun in den Medien oder im Kino, Demonstranten, Rebellen, Revolutionäre, Märtyrer und Terroristen haben Hochkonjunktur – ohne jetzt alle zusammen in einen Topf werfen zu wollen, denn auch die Deklaration derer ist immer hoch sensibel und nicht immer ausschließlich objektiv.

Hier in Stuttgart kann ich gerade ein Liedchen davon singen, was Aufstand heißt: Die Stuttgarter als vormals brave, duldsame schwäbische Häuslebauer gehen gegen Stuttgart 21 auf die Barrikaden und werden einerseits als Retter der Demokratie frenetisch gefeiert und andererseits als Untergang des (Schw)Aben(d)landes beschimpft. Dann liest man wieder was von vereitelten Terroranschlägen, postalische Grüße aus dem Jemen. Und cineastisch wird uns auch so einiges geboten: Nach Benicio del Toro als Soderberghs Ché, Eichingers Baader-Meinhof-Komplex und Vincent Cassel als Richets Mesrine, allesamt hochgelobte Filme aber unterschiedlich erfolgreich, folgt nun Carlos – Der Schakal. Jenes im Original fünfstündige Werk über Ilich Ramírez Sánchez, das erstmalig im Frühling diesen Jahres in Cannes lief, gibt uns seit letzten Donnerstag Einblicke in das Leben eines der Topterroristen der letzten Jahrzehnte. Ebenfalls seit letzter Woche im Kino und für Fans von launigem Trashkino im Stil von Tarantino sicher genau das Richtige: Machete, Rodriguez lang ersehnter Film zum ehemaligen Faketrailer mit Danny Trejo in der Hauptrolle:

Diese ganze Ansammlung von Revoluzzern hat mich heute wieder gebündelt medial erreicht und als ich auf dem Rückweg vom Einkaufen an der Ampel stand fiel mir bei einem Blick auf das nette Machete-Filmplakat siedend heiß ein, was ich Euch schon seit Monaten vorstellen wollte: Ulrich Langs Kooperation mit Lisa KirkRevolution.

Ob Revolutionen nun immer ihre Kinder fressen oder nicht sei einmal vollkommen dahingestellt. Genauso wie Werturteile uns hier an dieser Stelle überhaupt nicht tangieren sollten, es geht nämlich mit jener genuin neuen Frage weiter, die mich damals schon so faszinierte, als ich mich mit Ulrich über sein Projekt unterhielt – ihr könnt es Euch wahrscheinlich denken: Wie riecht Revolution?

Am Anfang war – die Frage. Diese stellt die Basis jenes Stücks Konzeptkunst dar, das die New Yorker Künstlerin 2008 schuf: Ihre Revolution Pipe Bomb, eine Nachbildung einer Rohrbombe wahlweise aus Platin, 14 Karat Gold oder Sterling Silber, befüllt mit einem Parfum, das das olfaktorische Abbild des Begriffes Revolution sein soll. Streng limitiert sind sie, die Rohrbomben, und keine Schnäppchen, sind sie doch je nach Ausführung für Preise zwischen 4.000 und knapp 50.000 Dollar zu haben.

Für die Genese des Duftes, ja, des ganzen Projekts hatte Lisa Kirk eigens diverse Interviews mit Menschen geführt, welche mit der Thematik der Revolution vertraut sind, vielleicht gar selbst Revolutionäre waren oder sind: Mit Journalisten, die meist dicht am Puls des Geschehens agieren, mit Aktivisten jeglicher Couleur, mit politischen Radikalen und vielen mehr. Heraus kam so etwas wie eine Vision des Geruches von Revolution: Rauch, Benzin, verbrannter Gummi, Tränengas, Blut und Verwesung. Jene Vision transformierte Kirk mit Hilfe der Parfumeurin Patricia Choux in einen Duft, den sie nun in eben jenen eigens von der Goldschmiedin Jelena Behrend produzierten Rohrbombenflakons präsentiert.

Ein Knaller, im wahrsten Sinne des Wortes. Und leider unbezahlbar für die Allgemeinheit. So überredete Lang, der bereits vorher den Kontakt zwischen Kirk und Choux hergestellt hatte, Kirk dazu, Revolution erneut herauszubringen in einem „normalen“ Flakon. Gesagt getan – das Trio setzte sich zusammen und heraus kam die zweite Version von Revolution in einer schlichten Schraubflasche.

Blut, Schweiß, Tränen und Sperma – einigen wird der krawallige (und im übrigen ziemlich gut gemachte) Konzeptduft von L’État Libre d’Orange in den Sinn kommen, Sécrétions Magnifiques… Aber, weit gefehlt – es besteht hier auch keinerlei Grund, das Gesicht zu verziehen: Die Revolution, die mir hier aus dem Fläschchen entgegenwallt, das ich bei Herrn Lang aufdringlichst erbettelt hatte (vielleicht hat ihn überzeugt, dass wir am selben Tag Geburtstag haben?), ist nicht nur äußerst interessant, sondern auch überaus tragbar – genauso wie die guten alten Ché-T-Shirts, deren moderne Variante vielleicht jetzt die Rocky-T-Shirts von Dolce & Gabbana sind.

Anfänglich detoniert eine Zibetbombe, die sich, an männliche Körper erinnernd, durch den ganzen Duft zieht. Überhaupt ist Revolution, wenn wundert es, sehr maskulin: Das Zibet wird von würzig-salzigen Noten unterstützt, die dessen diesbezügliche Wirkung noch unterstreichen und forcieren. Hinzu gesellen sich metallische Anklänge, kühl-rostig wirkend, von kühlem (abgetragenem Glatt)Leder akzentuiert, das aus einer Rauchwolke herausragt.

Wie sprach schon mein Lieblingsrevoluzzer, der Jahrhundertphilosoph Rambo: „To win war, you gotta become war.“ – Um einen Krieg zu gewinnen, musst Du selbst zum Krieg werden. Jene Leidenschaft hat man auch in Revolution gepackt. Ein charaktervoller, markanter und passionierter Duft. Nichts für Unentschlossene, aber durchaus eine Option für den unkonventionellen individuellen Businesstypen, ob nun männlich oder weiblich. Und natürlich auch für andere wie auch immer geartete (Großstadt?)Rebellen und Künstlertypen…

Ich in jedem Falle trage ihn gerne und mit Stolz und hüte mein Fläschchen wie einen Augapfel – schönen Dank an dieser Stelle erneut an den edlen Spender!

In diesem Sinne: Es lebe die Revolution!

Eure Ulrike.

P.S.: Die Inhaltsstoffe? Ich habe keine Ahnung, tippe auf: Ganz klar Zibet, Vetiver, Birkenteer, Leder, Hölzer, … dann wird es schwierig 😉 Hier noch der eigens von Kirk zum Duft gedrehte Videoclip:

Lisa Kirk’s Revolution Commercial from lisa kirk on Vimeo.

Verweise/Quellen: Che with Cigar, Lisa Kirk Homepage, Ulrich Lang Homepage, Jelena Behrend Homepage.Das Fotos der Pipe Bombs ist von Jelena Behrend.

 

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. juergen
    9. November 2010
    Antworten

    Guten Morgen Ulrike,
    wird der Duft in euer Sortiment aufgenommen bzw. wo kann man den Duft testen?
    ciao
    juergen

  2. Ulrike
    9. November 2010
    Antworten

    Hallo lieber Jürgen,

    … wir sind gerade dran 😉
    Ansonsten ist der Duft soweit ich weiß nur über die Staaten verfügbar.
    Ich würde Dir aber auch ein Probetröpfchen aus meinem Fundus abgeben, wenn Du magst… schreib mir doch einfach unter u.knoell@ausliebezumduft.de

    Liebe Grüße,

    Uli.

  3. margot
    11. November 2010
    Antworten

    Liebe Uli,

    für solch einen Probetropfen wäre ich auch empfänglich.
    Wenn ich an Revolutionen denke, fallen mir dazu der 1969 von HdP sowie der von Nez a Nez ein, und diese sind wohl etwas ganz anderes, als dieser hier.

    LG, Margot

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