Blau, blau, blau …

ist nicht nur der Himmel, sondern auch Gualtieris Duft Nummer zwei für Morgane Le Fay. Die Farbe Blau steht mir wahrscheinlich am nächsten in der ganzen Serie – als Farbe für die Ewigkeit, die Weite, für eine gewisse Harmonie – ähöm – , aber auch für Sehnsucht. Nicht umsonst war die Blume, die Friedrich von Hardenberg, besser bekannt unter seinem Pseudonym Novalis, in seinem unvollendet gebliebenen Fragment Heinrich von Ofterdingen beschreibt, blau.

Jene Blaue Blume, die Heinrich zuallererst in seinen Träumen erscheint, ist zum feststehenden Begriff und einem Leitmotiv der Romantik geworden, jener historisch als Schwellenzeit bezeichneten Epoche. Keine Epoche ist vielfältiger, heterogener, keine läßt sich schwerer eingrenzen und wenn überhaupt werden nur wenige Zeitspannen auf philosophischer, literarischer, musikalischer und künstlerischer Ebene fruchtbarer gewesen sein als jene: Der Mensch im Aufbruch, die Nachwirkungen der Aufklärung, der Enthusiasmus und die nachfolgende Enttäuschung angesichts der napoleonischen Ära, die beginnende Industrialisierung – all das hat tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungen nach sich gezogen und die Romantiker scheinen ein besonderes Gespür dafür gehabt zu haben, besondere Sensoren, scheinen vorausschauend gewesen zu sein und somit quasi die Vorhut des (post)modernen Menschen. Aber genug des Wissenschafttalks, obgleich diese Zeit und die Theorien, die Gedanken (und auch Gefühle) vieler bedeutender Menschen interessant und mitreißend sind – Ich empfehle als anspruchsvolle, aber sehr lesbare Lektüre Safranskis Werk Romantik – wenden wir uns wieder der Blauen Blume zu.

Als Symbol steht sie für das menschliche Streben nach Ganzheit und Erkenntnis, insofern für die Suche nach dem Selbst, nach Vervollkommnung und somit auch – für (die) Liebe. Die Romantiker waren ja ohnehin ein emotionales Grüppchen, auch ganz ohne daß man den heute etwas trivialer gefassten Begriff der Romantik bemühen muß – aber ich möchte mich hier an dieser Stelle nicht allzu sehr in deren komplizierter, aber faszinierender Theorie verlieren.

Eine schöne Motivik auf jeden Fall und durch und durch humanistisch geprägt. Gualtieris Fragranza Blu ist somit auch der ausgeglichenen, der harmonischen Seite gewidmet, der einfühlsamen, als Hommage an die weibliche Sensibilität und Intuition.

Würzig-warm im Auftakt offenbart er sogleich Noten von Pfeffer, die jedoch aufgrund der ihnen zur Seite gestellten Wärme nicht zornig daherkommen. Getragen von warmen Harzen schmeichelt er einem, kitzelt ein wenig die Nase – und gibt den Blick frei auf sein florales Gefolge: Ein zurückhaltender Harem aus Rose, Ylang-Ylang, Jasmin und Galbanum untermalt federleicht und dezent die süße Wärme oder warme Süße, jenes Naturell des Duftes, welches durch die Basis von Sandelholz, Benzoeharz und Moschus nochmals aufgegriffen wird. Ein Tupfer Weihrauch sowie leise (!) animalische Anklänge von dem Harz runden Morgane Le Fay Blue gelungen ab.

Entgegen eventuell gehegter Erwartungen oder auch namentlicher Assoziationen ist Blue nämlich eben kein Tribut an die See, kein aquatischer Zeitgenosse oder gar die Nischenduftvariante von Cool Water – hier ist weit und breit kein Meer zu entdecken und auch kein Tümpel, das war auch gar nicht die Intention.

Gemäß der eher meditativen, auf (zu erreichende innere) Balance angelegten Interpretation der Farbe Blau besitzt Blue einen gewollt kontemplativen Charakter. Als heller Sandelholz-Moschus-Duft mit einer zarten Würze und schüchternem Blütenkranz erinnert er mich persönlich vor allem an die Costes-Düfte sowie an 10 Corso Como. Ein ausgeglichener, weil wohltarierter, aber vor allem auch ausgleichender und ein wenig sehnsuchtsvoller Begleiter – ideal, um abzuschalten und zu sich zu kommen, ob nun beim Yoga, im Garten oder einfach nur auf dem Sofa.

Im Gegensatz zur „alten“ und ausverkauften Blue-Variante ist der Duft meines Erachtens nach sehr viel besser geworden, wobei das natürlich immer ein wenig Geschmackssache ist: Ich habe noch ein altes Pröbchen hervorgekramt und verglichen: Der alte Blue ist ungestümer, würziger, kantiger, riecht bisweilen sehr „gesund“. Wahrlich nicht schlecht, mir persönlich gefällt aber der weiche gefällige Unterton des neuen Blaus besser.

Die Ingredienzen: Kopfnote: rosa Pfeffer, Galbanum, Maiglöckchen; Herznote: weißer Jasmin, Rose, Ylang-Ylang; Basisnote: Sandelholz, Benzoe, Moschus, Weihrauch (nicht angegeben, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in homöopathischer Dosis vorhanden).

Einen schönen Tag wünscht Euch

Eure Ulrike.

Bildquelle: Bud Opening von Robert Michie, Anemone von Makio Kusahara, Reflections von Winterdove, alles via stockxchng, some rights reserved – vielen lieben Dank!

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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