Die Zukunft wird schön!

Man kann von Technik denken, was man will. Aber aufhalten lässt sie sich nicht. Was bedeutet das für unser Leben in 15 Jahren? Ein Gedankenspiel zum Mitdiskutieren.

Kindle, Quelle: http://nedgrace.files.wordpress.comVor ein paar Tagen saß ich abends mit meiner Kollegin Susanne Weiss auf ein paar Bier zusammen und wir diskutierten, ob man sich – wenn es in Deutschland soweit ist – so ein „Kindle“ kaufen muss oder nicht. Ihr wisst schon, diesen elektronischen Buch-Ersatz, mit dem Amazon gerade Furore macht… Nochmal kurz zur Erklärung: die Rede ist von einem „e-book“, einem ungefähr DinA5-großen Taschenbildschirm, auf den man über das www Bücher herunterladen und sie dann auf dem Bildschirm lesen kann.
„Wozu das denn? Bücher lesen ohne Buch. Das ist doch Quatsch. Wo bleibt das Geräusch, wenn man eine Seite umblättert, das Gefühl von Papier, der Geruch der Druckerschwärze?“ protestierte Susanne Weiss auf meinen Enthusiasmus.
Ich lieferte mein Totschlag-Argument, das ich immer dann über den Tisch feuere, wenn es um neue technische Errungenschaften geht und ich es mit einem Ungläubigen zu tun habe: „Das Ding sieht halt wahnsinnig schick aus.“

Vielleicht ist das ein grundlegendes Problem zwischen Männern und Frauen. Kerle haben einen irrationalen, aber tief in der Psyche verwurzelten Drang, sich technisch aufzurüsten. Flachbildschirm, Kino-Beamer, Surround-Stereoanlage, Auto, drahtloses Netzwerk mit Highspeed-wahnsinnsmodem, Playstation 3, was auch immer. Solange es unvernünftig teuer ist, schick aussieht und die Kumpels neidisch macht, wollen wir es haben. Das war im Sandkasten schon so. Als vor gefühlten hundert Jahren einmal ein anderer Junge eine coolere Sandbackform als ich hatte, hab ich ihm meine Schaufel übergehauen und dafür wahnsinnigen Ärger mit meiner Mutter bekommen. Mein Vater hat nur verständnisvoll genickt, mir am nächsten Tag stillschweigend die derzeit angesagteste Sandbackform besorgt und mich wieder zum Spielen geschickt. Ich also wieder ab an den Sandkasten, die neue Form ausgepackt und – wumms, hab ich eine übergezogen bekommen. Männer sind eben Alphatierchen, die gerne angeben mit dem, was sie haben. Deswegen hat sich in manchen Kreisen der Manta so gut verkauft, deswegen fliegen Milliardäre gerne ins All und deswegen gehen Männer eben Flachbildschirme kaufen. Weil sie neiderregende Dinge besitzen möchten, die gut aussehen und was her machen. (Ob das auch das grundlegende System der Partnerwahl sein könnte?)

Das hab ich auch alles meiner verehrten Frau Weiss erklärt. Sie konterte aber ganz trocken: „Schmarrn. Frauen begeistern sich genauso für Technik. Sie muss nur stylish genug aussehen. Autos interessieren uns nicht so sehr, weil man sich beim Angucken des Motors dreckig macht. Aber Handys, Computer und so’n Kram lieben wir genauso. Siehe iPhone, iMac, iPod – oder eigentlich alles Kindle, Quelle: http://gestaltung.fh-wuerzburg.devon Apple. Sieht gut aus, ist leicht zu bedienen und macht Spaß. Da muss man kein Kerl dafür sein.“
Aber bei Büchern höre für Sie der Spaß auf. Gerade als Journalistin lebt sie von dem Gedruckten. Zeitungen, Magazine, Bücher. Das sei eben etwas ganz anderes als ein seelenloser Computer. Ein Buch kann man mit in die Badewanne nehmen, Eselsohren reinmachen und überhaupt – was, wenn so ein e-book runterfällt? Oder die Batterien leer sind? Alles Probleme, die ein normales Buch nicht hätte.

Spätestens an diesem Punkt des Abends hätte ich mir kein Bier mehr bestellen, sondern den Gentleman spielen und ihr einfach Recht geben sollen. Aber da kennt ihr mich schlecht! Wenn in mir eine Grundsatzdiskussion heraufzieht, kenne ich kein Halten mehr. Also erkläre ich Frau Weiss, dass sie an altmodischen Werten festklammere. Den Kampf hat sie nämlich schon verloren, bevor er überhaupt losgeht: „In 15 Jahren sitzt kein Schüler mehr mit einem echten Buch im Unterricht, sondern mit einem Tablet, auf denen alle Infos und das Internet verfügbar sind“ sage ich. Und das glaube ich wirklich! Gerüchten zufolge bastelt Apple ja schon länger an so einem Alleskönner, der Anfang 2010 schon auf den Markt kommen könnte. Dann aber für Schüler sicher noch unerschwinglich. Aber neue Technik ist am Anfang ja immer teuer und wird dann erst ein paar Jahre später zum Mainstream. Siehe Handy. 1997 war es noch etwas ganz besonderes, eines zu haben, und teuer obendrein. Heute besitzt wohl jeder Deutsche eine Sim-Karte. In Schwellenländern wird sogar längst schon mit dem Handy gezahlt, statt mit der EC-Karte. Und überhaupt, apropos EC-Karte. Unsere Großeltern dachten sicher auch am Anfang, es sei eine riesen Katastrophe, den Lohn ihrer Arbeit nicht mehr in Bar ausgezahlt zu bekommen, sondern elektronisch aufs Konto gebeamt zu bekommen (was meiner Meinung nach übrigens der Niedergang aller Hafen-Nutten war, denn auf einmal hatten die Matrosen keine Lohntüte mehr, die sie verprassen konnten, sondern hätten zuhause vor ihren Ehefrauen etwaige ominöse Abbuchungen erklären müssen). Und deren Großeltern wiederum dachten am ende des 19. Jahrhunderts, man würde mit absoluter Sicherheit wahnsinnig werden, wenn man eine Dampflok mit 10 km/h vorbeirasen sieht. Deswegen wurden entlang der Bahngleise Sichtschutzzäune errichtet, um zu verhindern, dass alle Bauern samt ihrer Kühe dem Irrsinn verfallen. Und? Passiert ist nicht viel.

Lok, Karte, Handy

Frau Weiss blieb trotzdem skeptisch: „Wo bitte soll das ganze hinführen? Zeitschriften werden aussterben, denn jeder surft dann nur noch im Internet. Fernsehen? Gibt es nicht mehr, man guckt Livestreams oder DVD. Und Bücher? Werden keine mehr geschrieben, weil es sich keiner mehr leisten kann. Wenn ein Buch für ein paar Cent auf dem e-book erscheinen soll, wer bezahlt dann die Autoren, Verleger, Lektoren und so?“
Ein gutes Argument, das jetzt schon Musiker und Musikschaffende in Zeiten von youtube und itunes beschäftigt, und auf das ich ehrlich gesagt auch keine Antwort parat habe. Dennoch halte ich den Siegeszug der Technik für wahrscheinlicher, als dass sich alle Forscher zurücklehnen, ihre Patente in die Schublade schieben und sich sagen, lieber etwas weniger Fortschritt, aber dafür mehr traditionelle Berufe. Dieser Fortschritt wird vor allem den Alltag und die Unterhaltungselektronik revolutionieren. Sony präsentierte unlängst den ersten Fernseher ganz ohne Kabel. Ohne Kabel, richtig gelesen. Ein Media-Receiver kann Bild und Ton verschlüsseln und über Funkwellen zum Fernsehgerät ausstrahlen. Und der Strom? Wird ebenfalls über die Luft zum Gerät versandt. Also hängt der neue Bravia-Flachbildschirm wirklich kabellos an der Wand. (Ob das gesund für den Menschen ist?) Der nächste Schritt könnte eine Tapete sein, so vermuten Zukunftsforscher, die den Fernseher ganz ablöst. Das Festnetz-Telefon wird vollkommen von Handys ersetzt werden und Roboter immer mehr den Lebensraum des Menschen erobern. Staubsaugende Mini-Robots, medizinische OP-Helfer und Autos, die von alleine einparken oder darauf hinweisen können, wenn man auf der Straße versehentlich die Spur verlässt, gibt es ja schon. „Das ist ja alles schön und gut, aber was bedeutet das für die Zukunft der Beauty?“ Berechtigter Einwand, Kollegin. Alle Beauty-Redakteure, die einmal den Film „Das Fünfte Element“ gesehen haben, dürften nicht schlecht gestaunt haben. Die weibliche Hauptrolle drückt sich eines schönen Morgens ganz selbstverständlich eine kleine Chanel-Box auf die Augen – et voilá, sie ist perfekt geschminkt. Ganz so weit würde selbst ich mit meiner Prognose für die nächsten 15 Jahre nicht gehen. Aber ich denke doch, auch hier wird sich einiges tun.
„Die Zukunft liegt im Airbrush. Make-up aus der Flasche wird abgelöst werden von einer kleinen Spritzpistole, wie sie Auto-Lackierer benutzen, um ein perfektes, ebenmäßiges Finish hinzubekommen.“ Das ist übrigens keineswegs Zukunftsmusik, sondern jetzt schon erhältlich. Die Firma Kryolan, Spezialist für Theater-Schminke, bietet schon seit ein paar Jahren so ein Gerät für zuhause an. Farbe in die Pistole einklicken, Kompressor einschalten und losschminken. Alles noch etwas umständlich, aber erinnern wir uns an die ersten Mobiltelefone, waren die auch noch so groß wie ein Schuhkarton. Oder in Sachen Parfum: denkbar wäre doch eine Tablette, die man schluckt, und dann den ganzen Tag aus den Poren heraus seinen Lieblingsduft verströmt. Auch hier machte die Technik in den letzten Jahren übrigens enorme Fortschritte: Die Münchner Dermatologin Dr. Ogilvie entwickelte bereits eine kleine Pille, mittels derer man ganz von alleine braun wird, ohne Sonne oder Solarium. Und Wissenschaftler prophezeien, es wird sich viel tun auf dem Sektor des „Functional Foods“. Also Nahrungsmittel mit Nebeneffekt. Etwa ein Hamburger, der Fett verbrennt wie zehn Minuten Jogging. Oder ein Getränk, das die Haare färbt, eine Schokolade, die Pickel minimiert. Alles ist möglich, wenn man den Trendforschern glauben mag.

„Mag ich aber nicht glauben.“ sagt Frau Weiss, als wir dann doch endlich unsere Biere bei der Bedienung bezahlen. „Ich glaube eher, man wird irgendwann erkennen, wie ungesund all die chemisch veränderten Dinge sind, die wir essen. Und wie schädlich Strahlung ist, mit der wir uns umgeben, vom normalen Handy-Netz bis zur kabellosen Stromversorgung.“ Vielleicht hat sie ja Recht. Technik bringt nicht nur Nutzen, sondern immer auch Tücken. Unsere Bedienung zum Beispiel, mit dem elektronischen Bestell-Block hatte erstaunliche Schwierigkeiten damit, uns die Rechnung zu präsentieren. Die hat sie dann am Ende doch ganz altmodisch auf ein Stück Papier gekritzelt. Und genauso werde ich auch noch ein bisschen warten, bis ich mir ein e-book leiste. Denn noch im Juli dieses Jahres machte das Kindle damit Schlagzeilen, dass Amazon.com (ausgerechnet) die Bücher „1814“ und „Animal Farm“ von George Orwell via Internet von den e-books seiner Kunden löschte wegen Rechtsstreitigkeiten. Na Bravo. Es ist eben doch nicht alles perfekt, was glänzt. Sinnvoller Fortschritt braucht eben doch manchmal noch ein bisschen Zeit. Oder wie eine andere Kollegin unlängst sagte: die nächste kluge Erfindung, auf die die Welt noch wartet, wären Zigaretten mit hundert Kalorien pro Zug. Was meinst du, wie schnell wären wir alle Nichtraucher…

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Georg R. Wuchsa Verfasst von:

Aus Liebe zum Duft ist für mich sowohl Beruf als auch Berufung: Düfte faszinieren mich, seit ich denken kann und meine eigene, sich manchmal recht schwierig gestaltende Suche nach neuen Duftraritäten brachte mich 1997 auf die Idee, diese zu selbst vertreiben. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat sich viel getan, mein Geschäft ist groß geworden, genauso wie unser Sortiment. Nichtsdestotrotz ist meine Intention immer noch dieselbe geblieben: Ich möchte meinen Kunden dabei helfen, für sie passende Düfte zu finden, die sie glücklich machen, nicht mehr und nicht weniger.

Ein Kommentar

  1. Bettina
    17. November 2009
    Antworten

    Was ich so spontan denke? Bitte keine Tablette die ich schlucken muss um gut zu riechen. Ich möchte das sinnliche Erlebnis mit dem Flacon. Das Aufsprühen oder das Auftupfen. Mir die Flacons anschauen zu können gehört dazu. Ich möchte keine Auswahl von Tabletten. Die krieg ich später mal wenn ich alt oder alt und krank bin oder man mich im Heim ruhig stellen möchte.

    In Bezug auf gadgets: ich steh als Frau auf diese Sachen. Egal ob Handy oder was auch immer. Fully charged muss es sein und jede Menge zum Spielen:) Ob ich es immer brauche was es kann? Egal hautpsache ich kann wenn ich möchte. Ist so wie in NY zu wohnen. Ich kann wenn ich will ins Pralle leben, ich kann es auch sein lassen.

    Na ja und zum Thema Buch: ich mag das Gedruckte. Meine „bessere Hälfte“ würd sich über eine buchlose Zukunft freuen. Eliminiert dies doch Bücherregale und meine Hamsterkäufe in Bezug auf Bücher.

    Just my 2 cents ganz spontan.
    Schönen Tag noch;)

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