Die Verschwörungen des Andreas Wilhelm – ein Gespräch

Andreas Wilhelm ist in der Branche kein unbekannter Name. Nach vielen Jahren in der Duftindustrie ist er mittlerweile mit seiner Zürcher Firma Wilhelm Perfume als unabhängiger Parfümeur unterwegs. Seine Marke PERFUME.SUCKS war bereits Thema hier im Duft-Tagebuch. Nun ist auch die Conspiracy Collection bei Aus Liebe zum Duft angekommen, Grund genug, ein lustiges und nicht immer ganz ernst gemeintes Gespräch zu führen.

Porträt Andreas Wilhelm

Lieber Andreas, magst du uns noch einmal die Idee hinter der Marke PERFUME.SUCKS erläutern?

Die Idee wurde geboren, als ich in der Industrie in einer Firma als Parfümeur arbeitete. Dabei kreierte ich für diverse Marken und stellte fest, dass oft Rohstoffe im Duftbeschrieb ausgelobt werden, die zwar teuer sind, aber nicht wirklich im Rezept. Die Geschichte um die Düfte wurde immer wichtiger als der Inhalt selbst und mich als Parfümeur nervte das irgendwann. So beschloss ich auf volle Transparenz zu setzen und fortan meine eigene Linie zu führen als PERFUME.SUCKS mit meinen verlorenen Versuchen. Die Color-Serie war geboren und ist noch heute die einzige Parfümlinie, bei der das ganze Rezept auf der Flasche steht. Leider fanden es meine B2B-Kunden zu Beginn nicht so lustig und so lancierte ich ein Bonbon, um dem Wort „sucks“ eine neue Wendung zu geben und lud meine Kunden ein mit den Worten: lets suck together.

Du gehst sehr transparent mit den Inhaltsstoffen in deinen Parfums um. Befürchtest du nicht, dass sie nachgebaut und gestohlen werden?

Das passiert in der Industrie sowieso. Ob jetzt Initio – Oud for Happiness wegen der aufgedruckten Rezeptur wie unser GREEN 368C riecht, bezweifle ich. Innert ein paar Stunden hat mal mittels instrumenteller Analytik sowieso alles kopiert.

Hier herrscht also das Gesetz des Dschungels?

Laut Gesetz kann eine Parfümrezeptur respektive der Duft nicht geschützt werden. Dies hat damit zu tun, dass es keine einheitliche Wahrnehmung gibt und zum Beispiel Bergamotte-Öl mit Zitronen-Öl und Linalyl Acetat ersetzt werden kann. Das Rezept ist dann ein anderes, aber der Duft nur marginal anders. Lediglich wenn das Molekül definiert ist (Cis-3-Hexenol, frisch geschnittenes Gras) und der Geruch global als derselbe klassiert wird, bei normalen Probanden, kann man einen solchen patentieren (siehe auch Belle Haleine – der Duft der Kunst, Seite 47ff ‚Schutzmöglichkeiten von Gerüchen und Düften – Sebastian Rengshausen‘ ISBN 978-3-86828-673-1). Generell ist es ja auch so, dass in der Parfümindustrie Produkte immer irgendwie inspiriert sind voneinander und sich so weiterentwickeln. Ein gutes Beispiel wäre da auch Angel von Thierry Mugler und das davon inspirierte Coco Mme von Chanel.

Was hat dich zur Conspiracy Line inspiriert? Bist du etwa selbst ein Anhänger solcher Theorien und bügelst morgens deinen Aluhut?

Lustigerweise ist die Conspiracy-Linie die Umsetzung der Feedbacks vom Retail der letzten Jahre. Mir wurde immer gesagt, dass die Kunden die Linie nicht als qualitativ hochwertig wahrnehmen. Einerseits wegen der relativ beschaulichen Preise (98 € für 50 ml) und andererseits da ich dazu keine Geschichten erzähle. Da ich als Parfümeur aber Geschichtenerzähler bin, ließ ich mich nicht lumpen und so kam es zur neuen Linie. Nachdem ich aber 7 Jahre erzählt hatte, Geschichten seien Scheiße, tönte das etwas nach einer Verschwörung und so kam der Name zustande. Und da die Menschen eher mit der Brieftasche als mit der Nase riechen, kamen auch keine negativen Rückmeldungen zu den Preisen der neuen Linie und alle sind happy.

Inwiefern unterscheiden sich die Düfte der bisherigen Linie von der Conspiracy Line?

Kennst du Fight Club? Die erste Regel lautet da: Wir sprechen nicht über den Fight Club. Genauso ist es mit der Conspiracy-Linie, wenn du nicht zum Zirkel gehörst, dann muss ich schweigen.

Welche Anliegen verfolgst du bei den drei bisherigen Düften FLASH 0021, WEALTH 4181 und FUEL 0987? Bist du ein Weltverbesserer?

Ich dachte mir, wenn schon Geschichten, dann halt richtige. Ob das jetzt alles Verschwörungen sind oder nicht, überlasse ich den Usern. Ich glaube aber Humor hilft in dieser Zeit und ja, ich versuche immer meine Welt ein Stück besser zu machen, sei es, dass ich in der Straßenbahn lächle oder vermehrt mit dem Fahrrad ins Labor fahre. Ich möchte nicht werten, das steht mir nicht zu, aber ich glaube, mit den ersten drei Düften der Linie habe ich schon etwas den Nerv der Zeit getroffen. Drogen, Wohlstandsgefälle und Klimakrise sind reale Probleme in dieser Welt.

Die Ingredienzen sind nach dem goldenen Schnitt bzw. Fibonacci-Zahlen aufgebaut. Wie können wir uns das konkret vorstellen?

Die Rohstoffe im Rezept auf 1000 g gerechnet bestehen nur aus Fibonacci-Zahlen.
1 g, 2 g, 3 g, 5 g, 8 g, 13 g, 21 g, 34 g, 55 g, 89 g, 144 g, 233 g folgend der Zahlenreihe. Das war technisch dann schon eine Herausforderung. Der Sprühkopf versprüht 0,13 ml pro Stoß, damit kann man 233-mal sprühen, die Drehzahl vom Bohrer für die Deckel ist 4181 Umdrehungen pro Minute etc. Die Zahlen finden sich überall wieder, auch im Preis von 144.-

Interessant, aber warum? Glaubst du so den goldenen Schnitt der Parfümerie zu entdecken? Stellst du besondere Ergebnisse fest?

Lustigerweise harmonieren auch Mini Blends viel besser, wenn man diese Zahlenfolgen anwendet und die so kredenzten Düfte riechen einfach etwas natürlicher, harmonischer. Ich habe seit dieser Entdeckung bereits andere Düfte auch für Dritte basierend auf diesen Verhältnissen kreiert, aber darüber möchte ich natürlich nicht sprechen, Fight Club und so …

Es wird in Kürze zwei neue Düfte in der Conspiracy Line geben, die wir diese Woche hier freundlicherweise im Duft-Tagebuch schon vorstellen dürfen, danke dir noch einmal dafür. Welche Pläne hast du sonst, was darfst du verraten?

Ja in diesem Jahr werde ich wieder einen Duft für die Collaboration Series lancieren, diesmal mit einer Graffiti-Crew, Freunde von mir, aus Zürich. Mehr dazu aber dann im Sommer. Die Conspiracy Line wird ebenfalls gegen Ende 2024/Anfang 2025 Zuwachs erhalten. Da bin ich schon länger an FAITH0013 dran, was dann religion.sucks wird. Auf diese Weise sind dann alle angepisst.
Generell werde ich mich dieses Jahr noch mit einem Ausflug in die Körperpflege beschäftigen und arbeite bereits an Produkten wie Solid Showergels und so, so à la packaging.sucks, aber ob das dann im Sommer schon bereit ist, kann ich im Moment noch nicht zu 100 % abschätzen. Last but not least wird dann im Herbst noch eine cheese.sucks-Duftkerze lanciert, welche bei uns Schweizern gegen die lästigen Käsefondue- und Raclette-Gerüche helfen wird. Also eine geruchsvernichtende Duftkerze, um genauer zu sein. Außerdem bin ich mir ja auch im Jahr 2024 noch nicht ganz sicher, ob PERFUME.SUCKS wirklich ein Brand sein soll oder halt eher ein Kunstprojekt.

Herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast.


Morgen und übermorgen steht im Duft-Tagebuch alles im Zeichen vom PERFUME.SUCKS. Ich stelle die drei bisherigen Düfte vor und als Höhepunkt am Freitag die beiden neuen.

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

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