Stylingtipps von Arquiste – Die Gardenie im Knopfloch …

… trägt heute vermutlich fast keiner mehr – schade eigentlich. Aber fangen wir von vorne an: Letzte Woche hatte ich mit der Rezensionsreihe zu Arquiste begonnen, die, unverhofft kommt oft, erfreulicherweise wieder bei uns zu haben sind. Die Marke des gebürtigen Mexikaners Carlos Huber hat sich leider eine ganze Zeit rar gemacht hier, umso mehr freut es mich, die herausragenden Düfte erneut im Shop zu sehen. Grund genug, sich die komplette Kollektion einmal für Euch anzusehen.

Rezensiert wurden bisher: L’Etrog und sein Flanker L’Etrog Acqua im allerersten Artikel, Él und Ella sowie Flor y Canto. In letzterem Artikel hatte ich unser heutiges Schätzchen bereits angekündigt – es handelt sich um Boutonnière No. 7.

Arquiste Boutonnière No. 7

„May 1899, Foyer of the Opéra-Comique, Paris: During the Opera’s intermission, a group of seven young men gather at the Grand Foyer in search of new flirtations. Women of all sorts are lured in by the crisp, green scent of the men’s gardenia boutonnieres, enlivened with the bergamot and lavender colognes they wear. As they draw closer, the “Opera Flower” exudes its elegant masculinity, the last breath of a bloom sacrificed on a black-tie lapel.

A hyper-realistic gardenia in Belle Époque Paris. Inspired by dandies and their conquests, with notes of: Lavender, bergamot, Italian mandarin, gardenia jasminoides/gardenia citriodora duo, genet absolute, vetiver and oakmoss.

A naturalist fragrance declaring the elegance of a single flower worn on a gentleman’s lapel. Crisp, elegant & sophisticated.“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Lavendel, Bergamotte, Mandarine
Herznote: Gardenie, Ginster, Veilchenblätter
Basisnote: Labdanum (Zistrose), Vetiver, Eichenmoos, Castoreum

Boutonnière heißt Knopfloch und bezieht sich im Falle von Arquistes Duft auf die schöne, alte Tradition, eine Blume in eben jenem am Jackett-Revers zu tragen – wohlgemerkt, Ihr werdet es wissen, Männer trugen diese, tragen diese zum Teil noch, wenngleich auch eher selten. Diese Mode kommt ursprünglich aus Frankreich, lässt sich zumindest bis in die Zeit (vor) der französischen Revolution zurückverfolgen, demgemäß bis ins 18. Jahrhundert. Einerseits primär als Zierde gedacht, diente und dient dieser Blumenschmuck auch immer wieder gerne als politisches Statement. So trugen beispielsweise diverse Arbeiterbewegungen rote Blumen, aktuell gab es auch immer wieder AfD-Politiker, die mit Kornblumen auftauchten, scheinbar unwissend hinsichtlich deren Bedeutung in Österreich und Deutschland (in Österreich gilt die Kornblume seit Ende des 19. Jahrhunderts als Zeichen deutschnationaler Bewegungen, später mehr oder weniger als Bekenntnis zum Nationalsozialismus; in Deutschland ist sie nicht ganz so belastet, aber letztendlich genauso geprägt von demselben Hintergrund und tauchte als Zeichen ebenfalls im gleichen Kontext auf, so unter anderem im Wappen einer SS-Division).

https://www.pexels.com/photo/adult-boutonniere-celebration-ceremony-372176/

Politisch Lied, garstig Lied, wie Goethe in seinem Faust in Auerbachs Keller befinden lässt, widmen wir uns deshalb den netteren Gepflogenheiten und vor allem auch Trägern zu. Eine Boutonnière wurde, Ihr vermutet oder wisst es bereits, selbstredend auch von Dandies und Lebemännern getragen. Weiße Blütenarrangements erfreuten sich wohl besonderer Nachfrage, weil sie einen eleganten Kontrast schufen zu den mitternachtsblauen oder auch schwarzen Smokings. Der Gardenie kam hierbei eine besondere Bedeutung zu, denn man sagte ihr nach, dass Frauen ihren Duft besonders betörend finden – so wurde sie zu Zeiten der Belle Époque, der Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert), als „Opera Flower“ bekannt.

Sie gehörte damals zum unverzichtbaren Bestandteil der Garderobe eines (stilsicheren) männlichen Operngehers und ihr Reiz lag in ihrer Schönheit bei ihrer gleichzeitigen Vergänglichkeit: sorgfältig ausgewählt nach Gestalt und Duft trug man sie im Knopfloch – und gab sie damit ihrem „Verfall“ preis. Das erinnert mich selbstredend sofort an jenen Begriff aus der japanischen Ästhetik, den ich Euch schon kurz in dem Artikel zu Flor y Canto dargelegt hatte:

„[…] die Wehmut, die einen überfällt bei dem meist fast zeitgleichen Gedanken, dass Schönheit, egal in was entdeckt, vergänglich ist – die Japaner haben in ihrer Ästhetik dafür den Terminus „Mono no aware“, die Herzzerreißende der Dinge – hochspannend.“

Schönheit und Vergänglichkeit, Endlichkeit – thematisch schwere Kaliber! Kennt jemand die Zeichnungen Tagebuch einer Amaryllis beziehungsweise Vier Tage Amaryllis und Vier Nächte Amaryllis von Horst Janssen? Googelt mal, meine Lieben, sie bringen diesen Aspekt ziemlich genau auf den Punkt.

GarnierOperaParis
L’escalier de l’opéra Garnier (1877) von Louis Béroud (1852-1930) [Public domain], via Wikimedia Commons
Mary Stevenson Cassatt - In the Loge - Google Art Project
In the Loge (1878), und zwar der Pariser Oper Garnier, von Mary Cassatt (1844-1926) [Public domain], via Wikimedia Commons

Zurück nach Paris, zurück in die Oper: diese war zu ihren Hochzeiten natürlich einer der aufregendsten Orte, war ihr Foyer doch Treffpunkt der Pariser Elite, die in dem wunderbaren Ambiente flirtete, parlierte und tratschte – die Inspiration zu Boutonnière No. 7.Eine maskuline Gardenie also, das interessiert mich natürlich mächtig. Ob sie wohl auch Billie Holiday gefallen hätte, die bekannt dafür war, immer Gardenien im Haar zu tragen?

Altmeisterliches Blumenstillleben – Arquiste Boutonnière No. 7

Boutonnière No. 7 präsentiert bereits im Auftakt jene Blume, von der die Rede ist – die Gardenie. Weiß, wächsern und buttrig-süß, bis zu einem gewissen Grad narkotisierend, aber dennoch auch minzig-mentholisch-frisch, von leisen „pilzigen“ Noten, wie es häufig bei Gardeniendüften der Fall ist. Stelle ich mir diese Boutonnière vor, sehe ich ein Bouquet mit einer herrlichen, graziös-fragilen Gardenie im Zentrum, eingerahmt von Weichzeichner-Schleierkraut als auch, wichtig, Grün. Und zwar dunklem, waldigem Grün, schillernd und facettenreich, kühl, moosig, tannennadelig, blättrig, erdig und vetiver-rauchig.

Mich erinnert Boutonnière No. 7 an BeauFort Londons Fathom V. Nicht, weil sich die beiden Düfte an und für sich ähnlich sind, der Stil oder vielmehr die Impression ist aber verwandt. Beide präsentieren (um nicht zu sagen: feiern) eine einzelne weiße Blüte, die zentral im Fokus steht – im Falle von Fathom V ist es die Lilie, bei Boutonnière No. 7 die Gardenie. Beide Blumen wirken auf mich wie Ölgemälde: Alte Meister, ausgestellt in einem der großen Museen unserer Zeit, hell erstrahlende Blüten im Zentrum des großformatigen Bildes, das ansonsten düster ist, in finsterem Grün gehalten sowie in Chiaroscuro- beziehungsweise Clair-obscur-Technik gestaltet, Hell-Dunkel-Malerei.

Elegant, erlesen und – dramatisch. Und genauso wie Fathom V gefällt mir Boutonnière ausnehmend gut. Zudem kann ich mir diese Blüte tatsächlich auch gut an einem Mann vorstellen, obschon sie selbstredend auch von Frauen getragen werden kann.

Neugierig geworden? Welcher Mann, der mitliest, trägt Blumen? Und vor allem – welche?

Herzliche Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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