Das Zitat ist natürlich von Oscar Wilde, der eine oder die andere wird es kennen. Dahinter steckt eine halbe Philosophie, das kann man unter anderem hier in englischer Sprache bei Wiki nachlesen. Daran musste ich umgehend denken, als ich den Namen des neuen Duos von Amouage las – Imitation, einmal für den Mann und und einmal für die Frau, wie gewohnt. Christopher Chong, seines Zeichens Creative Director bei Amouage, hat das laut Fragrantica auch bei der Lancierung seiner Neulinge kundgetan. Das Duftduo ist konzeptionell ein Novum: es ist erstmalig eine Art olfaktorische Autobiographie, und zwar die von Chong.
Once upon a time in … New York
„An interpretation of those rare moments when life mirrors art, Imitation is the highly anticipated fourth chapter of the second cycle of the Amouage narrative by Creative Director, Christopher Chong. An intensely personal exploration of New York City in the 1970s, Imitation is inspired by Chong’s childhood memories and his first experiences of a city filled with graffiti, neon lights and a boiling pot of cultures, shaped the way he sees and understands art today.“
Vorgestellt wurde das Duo in New York, und zwar in der Straße, in der Chong, der mit sechs Jahren nach Amerika kam, jeden Tag zur Schule ging – die heute natürlich nicht mehr die ist, die sie einmal war …
In dem oben genannten Fragrantica-Artikel findet sich ein kurzes Interview mit Chong zu den Düften, in dem er seine Motivation als auch seine Inspiration darlegt:
„Yes, the reason why I am taking an olfactory journey back to the 70s is because I want everyone to understand the way how I perceive the world. It all started in the 70s when I was a child. I was in Hong Kong in a culture that is singular. I didn’t see many foreigners and then all of a sudden I got transported to a city that is multicultural, multiethnic. And I don’t know what hit me. It was a huge, massive shock for me to see snow for the first time in my life. There was no snow in Hong Kong. But the snow in New York’s Lower East Side was dirty. It was rough: new immigrants, graffiti and gangs everywhere. So it was a massive cultural shock. But what changed me was that I had to learn to adapt, it taught me to see the world with open eyes. Since then, I never look at things subjectively but try to see beauty in everything. Even though the Lower East Side in the 70s was dirty and disgusting, there was such kind of a beauty in its rawness that we can never have back, it’s too clean now. So my childhood, my exposure to a multiethnic society has triggered how I perceive the world.“
Wie so oft gibt es einen sehr schönen Clip zum Duftduo, seht hier:
Imitation from Amouage on Vimeo.
Außer dem Fragrantica-Artikel gibt es noch ein paar mehr Rezensionen im Netz zu Imitation, unter anderem von Candyperfumeboy und von Ça Fleure Bon. Bei Candyperfumeboy findet sich zusätzlich noch ein Artikel mit einem weiteren Interview mit Chong zu den beiden Imitation-Düften, lest hier.
Auch hier ist die Rede von den unzähligen Einflüssen des Melting Pots der Lower East Side der damaligen Zeit, der Kindheit Chongs. Er spricht von Prostituierten und Graffitis, von Gangs, von dem Glamour der Kleidung einiger trotz deren Armheit, von ihrer Kreativität und so weiter und so fort … und mir wird es in diesem Interview ein bisschen zu sozialromantisch, wenn ich ehrlich bin. Die Schlauheit derjenigen, die halt situativ flexibel sein müssen, weil sie dazu gezwungen sind aufgrund von fehlenden Finanzen. Ich habe keine Ahnung, wie die Lower East Side damals war und natürlich hört sich das alles „sauspannend“ an, aber Biographien wie die eines Herrn Chong sind Ausnahmen. Für die meisten Leute, die in derlei Verhältnissen leben, bleibt es dabei. Und dann hat Armut eben gar nichts Glitterhaftes an sich. Aber gut, es ist ein Interview, eine verkürzte Darstellung, ich kenne Herrn Chong nicht und dass er viel zu sagen und zu erzählen hat, hat er ja bereits in der Vergangenheit bei Amouage unter Beweis gestellt.
Zurück zu den Düften zu – heute starten wir einmal mit den Männern, morgen folgt dann die Dame 🙂
Imitation Man
„An olfactive imitation of New York City’s subcultures in the 1970s this chypre and leather fragrance represents an era of audacious freedom.“
Die Ingredienzen: Kopfnote: Cedrat (Citrus Medica), Muskatnuss, Schwarzer Pfeffer; Herznote: Türkische Rose, Iris, Veilchen; Basisnote: Myrrhe, Leder, Vetiver, Patchouli, Castoreum
Die Parfumeurin: Leslie Girard (Robertet)
Imitation Man hat zwei ganz besondere Noten, die nicht gelistet sind, weil sie angedeutet, konstruiert sind – sie werden auch in dem Candyperfumeboy-Interview erwähnt – die Rede ist von Vinyl und Samt. … wow, was müssen das für Parties gewesen sein, was für Männer? David Bowie, Freddy Mercury? Chong gesteht auf jeden Fall, ein Vinyl-Fan zu sein und sein letztes Geld für Platten ausgegeben zu haben, deren Geruch, den von frisch gepresstem Vinyl, er liebt(e). Und in der Tat, im weiteren Verlauf drängt sich eine Note in den Vordergrund, die nach Schallplatte/n duftet. Aber von vornherein: Der Auftakt ist … zitrisch-frisch und prickelnd, darüber hinaus frisch und auf eine Art sauber-holzig und während ich mich noch hineinschnuppere, driftet Imitation Man auch schon ab, präsentiert mir sein eindrucksvolles Herz. Das zeigt sich randvoll mit Iris, Veilchen und Rosen, allerdings auf abstrakte, auf besondere Weise. Aus deren Zusammenspiel resultieren die Vinylnoten und Anklänge von Leder, sowohl Glatt- als auch Wildleder, die ungestüm sich zeigen, wild, und animalische Töne offenbaren. Dem gegenüber steht der dichte Samt, der fast „staubig“ wirkt, im Gepäck allerdings jede Menge Cremigkeit mit sich bringt, Irispudrigkeit und jene subtile Fruchtigkeit, die manche Damaszenerrosen auszeichnet.
Kühl ist Imitation Man die meiste Zeit, und dennoch – er kokettiert, er ist ein Spieler, denn die Basis warmwürzt mit Myrrhe, es kokelt auch hin und wieder subtil … es brodelt unter der Oberfläche, wir haben es mit einem leidenschaftlichen Herren zu tun 😉
Ist es denn wirklich ein Herrenduft? Jein. Vermutlich würde man ihn bei einem Blindtest eher als Damenduft deklarieren, wegen seiner Pudrigkeit und seines opulenten Rosenbouquets. Aber Obacht, Imitation Man ist trotzdem keine Unschuld vom Lande, siehe oben – passt ganz gut zum Clubgänger, der tagsüber smart und businesstauglich ist, aber wehe, es wird dunkel und es geht ab in den Club, auf die Tanzfläche …
Ich kann mir Imitation Man recht gut an einem zugegebenermaßen etwas extravaganteren, in jedem Fall aber selbstbewussten Mann vorstellen – und selbstredend auch an Frauen. Morgen geht es weiter mit Imitation Woman, ich bin gespannt!
Viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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