Von Gottheiten und Sirenen erzählen uns Vilhelm Parfumerie …

… heute, und zwar mit Opus Kore und Room Service im dritten Teil der Rezensionsreihe zu der Marke.

Eine Hommage an eine griechische Göttin – Opus Kore

„Spring Lushness – In Greek mythology, Kore, or as she is more commonly called, Persephone, is a goddess associated with spring and fertility. She is the perfect inspiration for this kinetic, blooming scent. Sicilian lemon and acai are responsible for the undeniable freshness. Gradually, these crisp aromas soften and reveal a floral layer. Wear it long enough, and the sultry base of sandalwood, skin musks and amber will reveal itself.“

'Persephone', Carrara marble sculpture by Hiram Powers, 1844
„Persephone“ – Skulptur aus Carrara-Marmor von Hiram Powers (1844)
Einen Frühlingsduft hat man mit Opus Kore also kreiert und dafür als Symbol, als Inspirationsquelle Kore herangezogen. Kore sagt Euch nichts? Macht nichts, die meisten kennen sie unter einem anderen Namen – Persephone. Kurzer Crashkurs: In der Mythologie war sie die Tochter des Göttervaters Zeus und Demeter. Einmal abgesehen davon, dass es eine inzestuöse Nebengeschichte gibt (Zeus verliebt sich in seine eigene Tochter, schwängert diese in Form einer Schlange, woraus Zagreus entsteht), ist die Sage um Kore beziehungsweise Persephone eine frühe und allegorische Darstellung des Jahreszeitenzyklus. Zeus Bruder Hades, der Herrscher der Unterwelt, verliebt sich in Kore, Zeus will seinen Bruder nicht verprellen auf dessen Heiratsanfrage hin und antwortet, typisch Mann, gar nicht darauf. Das nimmt Hades als Einverständnis, schnappt sich Kore und zischt mit ihr in die Unterwelt ab, wo Kore dann ab sofort Persephone heißt. Ihre Mutter Demeter ist darüber so deprimiert, dass sie sämtliche Pflanzen verdorren lässt, was wiederum Zeus auf den Plan ruft: Dieser hat Angst um die Menschen und Tiere, weil nichts mehr wächst, weswegen alles auf einen Kompromiss hinausläuft – Kore bleibt ein halbes Jahr bei ihrer Mutter, während sie Herbst/Winter bei Hades in seinem Reich verbringt, wo sie Persephone genannt wird. Kore/Persephone ist demnach die Göttin des Frühlings, der Fruchtbarkeit und der Unterwelt.

Photo by Alex Iby

Moschus, Sandelholz und Ambra sollen sich in der Basis befinden – vergesst die letzten beiden, nehmt Moschus, und zwar einen watteweichen, skinnigen, kuscheligen und sehr modernen, dem gewisse keksige Anmutungen innewohnen. Sprich: Der Duft hat Noten, die an Madeleines oder anderes weiches Gebäck erinnern, das eine Mischung aus Keks und Kuchen darstellt. Diese locken immer wieder stellen- und streckenweise, ansonsten dominiert allerdings eine Frische, eine, die auf positive Art und Weise unentschlossen ist. Was will ich damit sagen? Ich nehme den Moschus gewahr, der eben jene Frische transportiert. Und eben jene Frische, die in der Tat frühlingshaft wirkt, wie ein Aufbruch, ein Morgen im Frühling, einer jener Tage, an denen man definitiv weiß – der Winter ist vorbei, definitiv. An denen es bereits grünt und blüht, die Sonne sanft vom Himmel scheint. Ich rieche hier nur selten einzelne Ingredienzen heraus, da Opus Kore eher als Ganzes wirkt – grün, floral, frisch, luftig und mit einer Prise Frucht ausgestattet, einer zitrisch-beerigen.

Ich habe das Bedürfnis, Opus Kore so stehen zu lassen. Ich mag ihn so und für mich fängt er exakt jenen Tag, jenen Morgen ein – voller Tatendrang verlässt man das Haus, ist vielleicht für Augenblicke geblendet von der Sonne, die wärmend ihre Strahlen schickt und die man schon lange nicht mehr wahrgenommen hat. Dennoch ist es noch kühl um einen herum, aber die morgendliche Luft atmet bereits die Frühlingsboten – ohne sie zu sehen weiß man: Es keimt und sprießt überall, der Winter ist vorbei.

… und doch … je länger ich an Opus Kore dufte, desto deutlicher wird eine Blume – Magnolie. Eine wunderbare, wässrig-süße Magnolie, von zarten Beerennoten verziert. Sehr sehr fein, gerade auch bei warmen bis heißen Temperaturen!

Das Bouquet einer Sirene – Room Service

„There are many things in your heart you can never tell to another person, Greta Garbo said. Celebrated by her adoring fans, the reclusive siren kept her thoughts and heart private. Alone in her hotel room, attired in a drift of satin, scent and poignant allure, she keeps the world at bay. This elaborate bouquet features violet petals, pink orchid and green bamboo. Fresh mandarin nectar dances atop the sophisticated sandalwood-infused base.“

Die Welt auf Abstand halten – wer genießt das nicht, auch wenn er kein Weltstar ist wie Greta Garbo? Über diese gibt es im übrigen eine sehr schöne Fanseite, seht hier. Sich die Garbo als Vorbild zu nehmen für einen Duft, überhaupt für irgendetwas ist – ambitioniert. „Die Göttliche“ wird sie genannt, womit wir mit Room Service nahtlos an Opus Kore anschließen. Ich mag diese Szenerie der Zurückgezogenheit, der Privatheit, die hier kreiert wird – und doch möchte man gerade deswegen einen Blick durch das Schlüsselloch werfen, hinter den Vorhang schauen, möchte wissen, sehen, erleben …

Greta Garbo hat niemals geheiratet, ihre „Männergeschichten“ waren keine solchen – obschon es Männer in ihrem Leben gab, waren einige davon auch „nur“ gute Freunde, Garbo lebte auf eigenen Wunsch größtenteils sehr zurückgezogen, sagte sogar einmal eine Einladung bei der englischen Königin mit dem lapidaren Hinweis, sie habe nichts anzuziehen, ab – obschon ihr Elisabeth die Zweite einen kleinen Rahmen und Diskretion zusicherte, handschriftlich.

Room Service ist ein eigen- und einzigartiger Duft, der perfekt zu seiner Inspirationsquelle passen möchte: Das Bouquet einer Sirene, und zwar einer mehr oder weniger unantastbaren. Einer starken Schönen, die selbstbestimmt ist und – exklusiv. Die nur soviel preisgibt, wie sie preisgeben möchte. Die sich gerne zurückzieht, das Alleinesein schätzt, ohne jedoch dabei einsam zu sein.

Und Room Service ist noch etwas – ein Avantgarde-Veilchen, ein (post)modernes, genauso wie Geste von Humiecki & Graef, die allerdings dennoch vollkommen unterschiedliche Düfte sind.

Mich fasziniert Room Service sehr, da Epinette einen Divenduft geschaffen hat, der gleichzeitig extrem modern ist und dem trotzdem der Charakter eines Vintageduftes anhaftet, weil er raumgreifend ist, voluminös, üppig – und trotzdem auf seine Weise minimalistisch und kein „Totschläger“.

Seine Ambivalenz, die begeistert und Aufmerksamkeit auf sich zieht, entstammt dem Spiel von Bambus und Veilchen. Der Bambus zeigt sich grün, latent frisch, aber dennoch herb-grasig, von einer gewissen Bitterkeit, fast schon papyrusartig, aber ohne jeglichen Rauch. Dafür cremt es im Hintergrund deutlich, alleine diese Kombination ist selten und ungewöhnlich. Dazu kommt das Veilchen, ein pudriges, samtiges, verhalten erdiges, bisweilen an Make-up und Körperpuder erinnerndes, was an Boudoir-Düfte denken lässt. Dieses unser Veilchen wird von floralen Akzenten üppiger Blüten untermalt, die Süße spenden und die ohnehin schon vorhandene Cremigkeit des Duftes unterstreichen.

Ein spannender und selbstbewusster Damenduft, meine Lieben – und neben Don’t Disturb vermutlich mein bisheriger Liebling von Vilhelm Parfumerie.

Alles Liebe und einen schönen Freitag Euch,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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