Seide und Jeans widmen sich UÈRMÌ …

… selbstredend auch in ihrer Kollektion – zwei Materialien, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, aber dennoch: Beide besitzen Kultcharakter.

UR±SILK  ist eine Kreation von Jean Jacques, der sich folgender Zutaten bediente, um den Charakter von Seide einzufangen: Grapefruit, Dill, Mandarine, Flieder, Neroli, Zypresse, Feige, Moschus, Zedernholz, Iris.

„Silk is such an incredible fabric… so adored by both men and women, across times and cultures. Smooth, soft and sensuous – perhaps THE most sensuous – skin experience. It makes you believe in spring and summer… and everything else.“

Seide – 5000 Jahre Kulturgeschichte, mehr muss man dazu eigentlich fast nicht sagen. Seide ist teuer – und war es auch schon immer, ein Luxusprodukt aufgrund seines Ursprungs, seiner Herstellung.

„Einer der Gründe für den militärischen Erfolg der Mongolen war das Tragen von Seidenkleidung als Schutz. Diese konnte im Zusammenspiel mit Leder und leichten Eisenelementen von Pfeilen nur schwer durchdrungen werden und bildete somit eine leichte und funktionelle Rüstung. Nicht nur Seidenraupen produzieren Seide, sondern auch Muscheln. Die sogenannte Muschelseide wird ebenfalls zu Textilien verarbeitet und galt früher als ausgesprochenes Statussymbol.“ – Wusstet Ihr es? Ich nicht, Wiki hat aber mal wieder auf die Sprünge geholfen 🙂

Wie bei fast allen anderen Düften von UÈRMÌ hat sich Marika Vecchiattini von Bergamotto e Benzoino auch die olfaktorische Seide unter die Nase geklemmt:

“This is a comfortably soft scent, without any conflict, revolving around the embrace between fig and iris. The dusty glow of precious iris envelops and almost transfigures the fig note which, immersed in this translucent powder, loses both the bitter and green connotation of the leaf, and the ripe and juicy pulp: that is, all that makes it “real”. The fig in UR SILK is not the true photograph of a fig, but the creamy, milky, silky representation of an ideal fig, and rather than taste it, you’d feel like rubbing it on the skin, purring with pleasure. The opening contributes a citrusy brightness, while the floral notes (neroli and lilac) bring a deceptively simple elegance. The cedarwood + cypress drydown brings the fragrance in a dry and classical, almost elegant direction. The fig note makes this scent modern and trendy, suitable for a man’s skin as much as a woman’s. The scent remains well perceptible but not intrusive, and remains fairly linear and serene for three to four hours.“

Hin und wieder kommt vor, was mir auch bei UR±SILK passiert, als ich den ersten olfaktorischen Akkorden „lausche“: Wieso ist niemand vorher auf diese gute Idee gekommen? Warum hat noch niemand diese (beiden) Ingredienzen kombiniert? Im Falle unserer Seide hier meine ich die Verpaarung von Feige und Iris. Sicher – es gibt sie, die Feigendüfte, die einen Hauch Iris enthalten, genauso existieren Irisdüfte, die irgendwo eine Feige beherbergen in ihrem Duftverlauf. Einen Duft allerdings auf diesem Pärchen aufzubauen, das hat meines Erachtens nach bisher noch niemand gemacht – sehr verwunderlich, weil es über die Maßen gut funktioniert!

Ein Seelenschmeichler ist sie, diese Seide, ausgleichend, weich umhüllend. Unverkennbar modern weil minimalistisch und zeitgemäß, darüber hinaus für beide Geschlechter geeignet, obschon der Duft doch in den femininen Bereich zielt und somit wahrscheinlich in erster Linie Frauen ansprechen wird. Aber – ich kann ihn mir am geeigneten Mann durchaus vorstellen!

Die Feige sticht mir umgehend ins Auge, wobei ich Vecchiattini hier beipflichten muss: Wir haben es hier weniger mit einer realen Frucht zu tun als vielmehr dem abstrakten, weichgezeichneten Idealbild derselben: Milchig, cremig und seidig, fein-fruchtig und sanft, von zartem violett geaderten Blattgrün von einer leichten Herbheit umrankt. Iris pudert, allerdings auf eine dumpfe, leuchtende Art, und cremt, das allerdings wie ein Weltmeister. Die hellen Blüten strahlen den Duft an, verleihen im eine sachte Süße, vor allem aber eine beschwingte Eleganz. Zeder säubert, verleiht einige seifige Anklänge und holzt natürlich, von der grün-ernsten Zypresse tatkräftig unterstützt. Allerdings halten sich beide eher im Hintergrund, verleihen Bodenhaftung, ohne den Duft zu dominieren.

Es gibt viele Feiglinge da draußen, was ich äußerst begrüßenswert finde, weil ich sie liebe, die Feigendüfte. Des Weiteren gibt es viele gute Feiglinge, es existieren doch etliche sehr gute Düfte dieser speziellen Gattung auf dem Markt. Trotzdem – UR±SILK hat seine Berechtigung, ist er doch von erlesener Qualität und Schönheit und überzeugt durch die innovative Feigen-Iris-Kombination. Ich überlege hier ernsthaft – und habe schon … wie viele Feigen hier stehen, fünf, sechs? Mindestens …

OH±DENIM – auch hier bedarf es nicht vieler Worte, Jeans ist das Thema unseres zweiten Kandidaten:

„Is there anything more everlasting than jeans? Always contemporary,it belongs to everybody… The more it wears out the better it looks. This fragrance boldly celebrates denim with the tuberose, an exuberant, voluptuous flower that blossoms at night. Pink Pepper, Neroli, Musk and Vanilla do not overcome this powerful flower, but enhance it. It could be wrongly perceived as a feminine fragrance, but it’s oh! so perfect on a contemporary dandy.“

Olfaktorisch umgesetzt hat den Kultstoff Philippe Bousseton, Vecchiattini hat Folgendes darüber zu berichten:

„From this fragrance a dazzling clarity springs out; it’s due to a bright and rarefied bouquet of white musks used – wisely- at the service of a green-floral accord of neroli, tuberose and ylang ylang. The opening features a precious note of pink pepper, offering a pleasant bubbly boost to the whole composition. The scent results smiling, relaxed, casual, bathed in spring light, as clear as a cloudless sky, as golden as the first rays of sun. A fragrance evoking white shirts, jeans rolled up to the ankles and bare feet sunk in the sand. In the drydown, woody patchouli and oakmoss support the whole fragrance, prolonging its life to a few hours. The feeling of freshness and cleanliness is ideal on a well-groomed man who does not like to stand out too much, but also on a Lady of simple and refined tastes. If spring is a state of mind, there is no reason not to wear it all year round!“

Der Ursprung der Jeans dürfte klar sein – Wiki fasst nochmal für uns zusammen:

„Der Ursprung waren Hosen aus Baumwolle, die aus der Gegend um die italienische Stadt Genua in die USA kamen. Aus der französischen Form des Städtenamens „Gênes“ machte die amerikanische Umgangssprache den Begriff „Jeans“. Levi Strauss, der in Franken geboren wurde und als Auswanderer 1847 nach San Francisco ging, fertigte für Goldgräber robuste Arbeitsbekleidung, die „Gênes“ aus dem Stoff „Serge de Nîmes“ (Gewebe aus der Stadt Nîmes), kurz Denim Jeans.“

Ich glaube, es gibt wirklich so gut wie kein anderes Stöfflein, das so universell einsetzbar ist und nie und nimmer aus der Mode kommt wie Denim. Jeans sind doch überhaupt gar nicht mehr wegzudenken aus egal welchem Kleiderschrank – und erfreuen sich ständig neuer Formen, der Renaissance alter Schnitte und so weiter. Businesstauglich ist sie in den allermeisten Branchen schon lange, alltagstauglich in jedem Fall – und sexy, ja sexy kann sie auch daherkommen, die Jeans als Hose genauso wie der Stoff an und für sich.

Bousseton hat sie genial umgesetzt – überhaupt etwas, dass ich bemerken muss im Rahmen meiner Rezensionen zu UÈRMÌ: Ich kann bei jedem einzelnen Stoff das namensgebende Material, die Inspirationsquelle entdecken. Es ist eine Kunst, Ihr wisst es selbst, so zwischen den Sinnen zu springen – Olfaktorisches in Worte zu gießen, Stoffliches, ansonsten nur haptisch erfahrbar, in Flakons zu bannen. Bei jedem einzelnen Duft von UÈRMÌ kann ich die Beschaffenheit, die herausragenden Eigenschaften und die Anmutung, die gefühlte, des Stoffes erkennen, der Pate stand für die jeweilige Kreation. Hier ziehe ich wirklich meinen Hut – das ist nicht selbstverständlich und wirklich schwierig umzusetzen.

Für OH±DENIM hat Bousseton folgende Zutaten gewählt: Rosa Pfeffer, Neroli, Tuberose, Ylang-Ylang, Eichenmoos, Ambra, Patchouli, Vanille, Moschus.

Im Gegensatz zu Vecchiattini gelingt es mir ungleich schwieriger, die einzelnen Noten genau zu verfolgen – das liegt bei mir meistens, so auch in diesem Fall, daran, dass ich einen Duft als Ganzes zu prägnant wahrnehme, ihn als so präsent empfinde als Gesamtkunstwerk, dass ich, vielleicht ein bisschen geblendet von der Erscheinung, mich damit schwer tue, ihn in seine Einzelteile zu zerlegen oder den Fokus auf bestimmte Ab- oder Ausschnitte zu legen. Vielleicht ließe sich das mit Gedichtinterpretationen in der Schule vergleichen – bei den meisten hat es geklappt, ziemlich gut sogar. Bei anderen wiederum überhaupt nicht – und das lag meist daran, dass sie einen zu großen Eindruck auf mich gemacht haben und ich mich bisweilen gesträubt habe, ihnen mit „Werkzeug“ analysierend auf die Pelle zu rücken und auf den Grund zu gehen.

Ich möchte es nichtsdestoweniger versuchen … OH±DENIM sollte eigentlich „OoooohDenim“ heißen, denn ziemlich exakt ein solches „Oooooh“ entlockt er mir: Er ist in erster Linie ein Tuberosenduft, allerdings ein moderner und minimalistischer Vertreter eines solchen. Er ist prägnant und charakteristisch, dennoch werden sich wohl einige Tuberosenzögerer auch mit ihm anfreunden können, da er auf indolische Anklänge verzichtet, darüber hinaus trotz der Präsenz der Tuberose, ihrer Kraft, nicht überbordend üppig wirkt und auch keineswegs in einem Maße betörend oder narkotisierend, sodass man hinterrücks vom Sitzmöbel gleitet. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie Bousseton es gemacht hat, die Tuberose gleichzeitig authentisch „abzulichten“, stark und mächtig, aber dennoch auf eine Art und Weise mild – die Ingredienzen geben das nicht her, ich hätte hier auf eine schwierigere, will sagen: sehr viel weniger massenkompatible Interpretation getippt. Ist es … der Moschus? Vielleicht. Ist aber eigentlich auch egal, wichtig ist: OH±DENIM ist, genauso wie die Jeans, unisex – und somit eine der wirklich wenigen Tuberosen, die ein Mann genauso tragen kann wie eine Frau. Mehr noch – ich stelle mir den Duft richtig sexy vor am richtigen Trägertyp.

OH±DENIM braucht einen Moment, bis er sich auf der Haut sortiert hat – und offenbart umgehend Noten von rosa Pfeffer, die sogleich akzentuierend wirken, denn unsere Tuberose bahnt sich bereits ihren Weg. Hier erscheint sie noch „kaugummiartig“, wie wir es beispielsweise vom Klassiker Fracas aus dem Hause Piguet kennen, zeigt sich für wenige Momente auch Femme Fatale-typisch schwer, von minzigen und pilzigen Anklängen begleitet, die ebenfalls in vielen Tuberosendüften auftreten. Im Unterschied zu diesen treten jene Facetten bei OH±DENIM allerdings bald in den Hintergrund – und hinterlassen eine Tuberose, die … ja, was macht sie, wie duftet sie? Skinnig, hautnah, cremig, immer noch ein wenig minzig, dabei aber auch moosig. Die Moosanklänge zeichnen weich, stiften eine gewisse Herbheit, die ebensolche Aspekte der Blüte verstärken. Dunkelgrün ist sie, dieses Herbheit, gleichermaßen kantig wie weich – damit greift der Duft ziemlich genau das Naturell des Jeanstoffes auf: Gleichzeitig robust, widerstandsfähig und langlebig, ist eine Jeans auch überaus angenehm zu tragen und viel anschmiegsamer auf der Haut, als man es dem Material eigentlich zutrauen würde. An dieser Stelle klatsche ich, und zwar laut und lange – Treffer, versenkt, Thema auf den Punkt getroffen, perfekt umgesetzt, Respekt! Und – ich verliebe mich.

Regelmäßige Leser werden es wissen – ich liebe Tuberosen, auch wenn es ein langer Weg war, an dessen Anfang eine heftige Abneigung stand. Ich habe etliche Tuberosen in meinem Duftrepertoire, das hindert mich nicht daran, noch weitere dazu zu stellen. OH±DENIM wird gekauft, das ist klar. Aber nicht nur, weil es eine Tuberose ist, eine wundervolle. Denn, wie schon erwähnt – ich bin mir sicher, dass dieser Duft auch Menschen, Männlein wie Weiblein, erreichen wird, die sich bei Tuberosen eher abwenden oder gar Angst bekommen 😉

Ich bin hier ganz bei Vecchiattini: OH±DENIM ist sonnig, ist leicht, leichtfüßig, unbeschwert und voller Licht, er ist strahlend und sexy, dabei ganz unkompliziert und natürlich, authentisch. Ihm wohnt eine gewisse Frische und „Sauberkeit“ inne, die ich absichtlich in Anführungszeichen setze, weil sie so gar nichts mit cleanen Düften zu tun hat.

James Dean – Rebel Without a Cause

Meiner Meinung nach könnte man den Duft einem Großteil der heutigen Hipster verkaufen, und das meine ich durchweg positiv: Diese jungen Modeaffinen, oftmals auch bloggend, deren Outfits wohlwissend zusammengestellt werden aus Vintage- und Designerstücken, deren Stil ein bunter, mit Geschmack ausgewählter Mix ist, so, wie wir es auch von modernem Wohnen kennen. Das Faszinierende an diesem Stil ist seine Coolness, eine nahbare und natürliche, keine distanzierte oder aufgesetzte. Wenn ich beschreiben soll, was ich damit meine, denke ich immer zuerst an James Dean: Dean, der auf jedem Foto einfach nur lässig aussieht und gleichzeitig Eleganz ausstrahlt, der in Jeans und weißem T-Shirt mit zerzausten Haaren zur (Mode-)Ikone wurde. Diese stilvolle und stilsichere Ungezwungenheit, die den Spagat schafft, gleichzeitig gewollt nachlässig und dennoch elegant zu erscheinen. Ziemlich genau so beschaffen ist OH±DENIM: Ein charakterstarker Statement-Duft, der Geschmack beweist und Stilsicherheit, der auffällt ohne sich aufzudrängen. Der lässig ist, cool und trendy, aber trotzdem auf eine Art zeitlos. Und der auf eine beiläufig-selbstbewusste Weise sexy ist, ohne gewollt zu wirken. 

Für mich ein Must-Have – er wird alsbald einziehen und ist damit der dritte Duft von UÈRMÌ, denn ich dann mein Eigen nennen darf. Ein guter Schnitt, meine Lieben!

Alles Liebe und viele Grüße,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Elke
    20. Januar 2017
    Antworten

    OH±DENIM – klingt extrem cool und verlockend, weil auch ich, liebe Ulrike, ein Tuberose Fan bin.

  2. Avatar photo
    Ulrike Knöll
    24. Januar 2017
    Antworten

    Hallo liebe Elke,

    hast Du ihn schon getestet? Ich bin sehr gespannt auf Deine Meinung, denn unsere Jeansblume hier ist ja keine alltägliche Vertreterin ihrer Gattung … Bei mir steht sie schon ganz fest auf meiner Musthave-Liste und wird sehr bald einziehen, denke ich.

    Viele liebe Grüße,

    Ulrike

  3. Elke
    25. Januar 2017
    Antworten

    Hallo liebe Ulrike, leider habe ich sie noch nicht getestet. Muss ich wohl mal eine Probe bestellen… unbedingt!

  4. Avatar photo
    Ulrike Knöll
    26. Januar 2017
    Antworten

    Mach mal, ich bin wirklich neugierig auf Dein Feedback! 🙂

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