Das Berliner Mädchen und die Hautspiele von Serge Lutens

La fille de BerlinSerge Lutens‘ La fille de Berlin und Jeux de peau stehen heute auf unserem Schnupperprogramm. 2013 stellte Serge Lutens im Berliner Hotel Adlon nicht nur sein drittes Buch „Berlin á Paris“ mit Fotografien aus den Jahren 1967 bis 2008 vor, etwa zeitgleich brachte er auch den Rosenduft La fille de Berlin auf den Markt. Das Mädchen von Berlin, so die deutsche Übersetzung, scheint auf den ersten Blick vom Titel her ein jugendlicher, mädchenhaft-unschuldiger Duft zu sein, doch wenn man sich eingehender mit ihm beschäftigt, merkt man, dass Serge Lutens‘ Inspiration nicht weiter von meiner Assoziation entfernt sein könnte. Lutens meint zu La fille de Berlin:

Sie ist eine Rose mit Dornen, leg dich nicht mit ihr an! Sie ist eine Frau, die zu Extremen neigt. Sie kann in einem Moment sanftmütig sein – wenn sie will … doch schon im nächsten Augenblick präsentiert sie ihre wilde und schockierende Seite.

Das Berliner Mädchen …

… ist also eine Frau und zwar eine mit Kanten und Ecken oder besser: mit Dornen. In folgendem Video aus dem Pressematerial zum Duft zeigt sich ein noch düstereres Bild der Protagonistin und ihres Umfelds.

Beim Anblick dieser verschneiten Metallrose, der bedeutungsschwangeren Worte und der blutroten Farbe des Duftes wird mir ein bisschen mulmig zumute und ich betrachte den kleinen Tester in meiner Hand als wäre es die die Büchse der Pandora. Die zwei Duftnoten, die Serge Lutens zu La fille de Berlin veröffentlicht hat, machen mich aber doch neugierig: Rose und Pfeffer enthält das mir unheimliche Berliner Mädchen. Und so wage ich den ersten Schritt auf sie zu. Direkt nach dem Aufsprühen begrüßt mich freudig eine recht helle und eher frische Rose, sehr natürlich, aquatisch und transparent, aber dennoch intensiv duftend. Nach diesem freundlichen Empfang in das Innerste der Duftkreation bin ich gespannt auf den weiteren Verlauf. La fille de Berlin wird mit der Zeit etwas matter und samtiger. Helle Holznoten meine ich zu erschnuppern, die dem Duft eine gewisse Trockenheit verleihen. Auch fruchtige und pudrig-skinnige Noten zeigen sich auf meiner Haut. Ganz subtil zeigt sich eine gewisse Schärfe, die wohl vom genannten Pfeffer kommt. La fille de Berlin kommt auf meiner Haut sehr viel heller, freundlicher und zahmer zum Vorschein, als es die Story erscheinen lassen möchte. Auf dem Teststreifen zeigt sich La fille de Berlin intensiver und dunkler als auf meiner Epidermis. Die Rose besitzt hier eine kühl-metallische Note, die mich entfernt an Blut erinnert. Die pfeffrige Schärfe kommt hier sehr viel deutlicher zum Tragen, allerdings hält sich das beliebte Küchengewürz auch auf dem Teststreifen insgesamt eher im Hintergrund und lässt der floralen Protagonistin den Vortritt.

serge-lutens-jeux-de-peau-50mlDie Hautspiele

Die Inspiration für Serge Lutens‘ zweiten Duft Jeux de peau stammt aus seiner Kindheit im nordfranzösischen Lille: eine Erinnerung an die Bäckerei vor Ort, an den Duft frisch gebackenen Brotes und anderer Leckereien. Passenderweise besitzt Jeux de peau folgende Duftnoten: Weizen, Gerste, Trockenfrüchte. Wie gewohnt lässt uns Serge Lutens an seinen Gedanken zur Kreation teilhaben:

Als nähme uns der Bäcker an die Hand… Wir verlassen die Kindheit auf verschlungenen Pfaden, gehen immer weiter voran. Wollen wir sie wiedererleben, müssen wir einen klaren Blick auf sie bekommen, die Spreu vom Weizen trennen, erst dann eröffnet sich die Erinnerung. Damit will ich sagen, wie unverkennbar der appetitliche Duft eines Brotes im Backofen ist… vor allem in Verbindung mit der Kindheitserinnerung an das Gefühl von warmem Brot an der Wange.

Serge Lutens Jeux de peauIch liiiebe ja den Duft von frisch Gebackenem, backe selbst oft und regelmäßig Brot, Brötchen, Kuchen und Muffins. Für mich gibt es wenige Dinge, die so entspannend sind wie Backen. Dabei kann ich wunderbar herunterfahren, zu mir kommen und abschalten. Ich erhoffe mir, dass Jeux de peau genau diese kontemplativ-gelassene Atmosphäre widerspiegelt. Frisch aufgesprüht begrüßt mich zwar nicht der Duft eines frisch gebackenen Baguettes, eine Getreidenote kann ich allerdings sehr deutlich wahrnehmen. Hinzu kommen recht schnell herbe Gewürz- und Röstnoten und seeehr deutlich Lakritze. Der Duft ist weich, warm und… lakritzig. Fruchtige und hell-holzige Noten kommen hinzu, doch die Süßholzwurzel lässt sich bei mir einfach nicht unterkriegen. Im Ausklang lässt die schwarze Süßigkeit dann aber doch sinnlichen und kuscheligen Ambra- und Moschusnoten den Vortritt. Auf dem Teststreifen überwiegen bei Jeux de peau dezent teigige Getreidenoten, die auch hier von hellen Hölzern untermalt werden. Zudem zeigt sich eine deutliche kräuterige Süße, die hier allerdings keine wirklichen Lakritzaspekte besitzt. Im Gegensatz zu meiner Haut wirkt Jeux de peau auf dem Teststreifen viel kühler und eindimensionaler. Der ambrierte Duftausklang fehlt hier völlig.

Resümee: La fille de Berlin – Jeux de peau

Die beiden Düfte La fille de Berlin und Jeux de peau von Serge Lutens beweisen wieder einmal, wie unterschiedlich sich Düfte auf Teststreifen und Haut entwickeln können. So ist die Rose aus La fille der Berlin auf beiden Medien sehr schön, natürlich, kaum seifig und glücklicherweise nicht madamig (Rosen können ja mitunter in Düften etwas schwierig sein). Dennoch ist mir das Berliner Mädchen auf meiner Haut zu brav, zu zahm und zu wenig dessen, was Serge Lutens zu der Duftkreation inspiriert haben mag. Da offenbart der Teststreifen schon deutlich düsterere und komplexere Aspekte. Hier zeigt sich im Ansatz eher die Femme fatale, die Lutens im Sinn gehabt haben mag. Auf mir bleibt La fille de Berlin eben doch nur das kleine, süße, unschuldige Mädchen. 🙂 Auch Jeux de peau liefert je nach Testuntergrund unterschiedliche Ergebnisse. Die versprochenen backfrischen Brotnoten habe ich zwar hier wie da vermisst, allerdings ist Getreide eine eindeutige Grundzutat des duftenden Hautspiels. Mir persönlich gefällt bei Jeux de peau die Lakritznote auf meiner Haut besser als die Teststreifenvariante, die auf mich zwar schön gemütlich und entspannt wirkt, der aber irgendwie das gewisse Etwas zu fehlen scheint. So, als ob man eine Prise Salz vergessen hätte. 😉

Liebe Grüße,
Steffi

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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