Serge Lutens‘ Clair de musc und Gris Clair …

… sind zwei gesetztere Herrschaften aus dem Lutensschen Duftkonvolut. Sie stammen aus den Jahren 2003 und 2006, sind also schon unglaubliche 13 und 10 Jahre alt. 😮 Mir drängt sich da ganz jäh und spontan die Frage auf, wo eigentlich die letzten 5, 10, nein 15 Jahre geblieben sind? Waren die Jahrtausendwende, die Euroeinführung und das WM-Sommermärchen nicht erst kürzlich? Wenn ich daran denke, dass ich bereits seit fast 20 Jahren mit der Schule fertig bin, seit 12 Jahren mit der Uni und die 40 mit jedem Geburtstag unnachgiebig ein kleines Stück näher rückt (und so viel zu rücken gibt es da nicht mehr), dann kann ich nur ungläubig mit dem Kopf schütteln. Eine gute Freundin sagte mir vor kurzem: „Wenn ich an die Zeit vor 10 Jahren denke, dann denke ich an die 1990er und nicht an 2006“. Es scheint also nicht nur mir so zu gehen und das ist doch sehr tröstlich. 🙂 Doch genug von meinen herbstlich-trüben Gedanken über scheinbar verlorene Jahre. Widmen wir uns stattdessen lieber den beiden Clairs des Serges.

Lutens Clair de musc Gris clair

Moschus im Mondenschein

3423220122333-clair-de-musc-50mlMeine leider nur noch bruchstückhaft verbliebenen Schulfranzösischkenntnisse lassen mich vermuten, dass es sich bei dem Namen Clair de musc um ein Wortspiel handelt, nämlich um eine Abwandlung von Claire de lune (dt. Mondschein). Vielleicht gibt es unter Euch eine oder einen Französischsprachigen, der mir hier weiterhelfen kann? Ich lasse mich da gerne korrigieren und eines Besseren belehren. Wobei ich gegen ein zustimmendes Nicken auch nichts einzuwenden hätte. 😉 Clair de musc stammt wie schon erwähnt aus dem Jahre 2003 und entspringt wie bei Serge Lutens so üblich der olfaktorischen Feder von Christopher Sheldrake, der folgende Duftnoten auswählte: Orangenblüte, Pudrige Noten, Bergamotte, Iris, Moschus. Laut Lutens ist Claire de musc:

„Ein reiner, transparenter Duft, der das Funkeln der Sterne widerspiegelt … Ein klarer Duft, der den Charakter, die Reinheit und die Transparenz der Moschusblüte in Vollendung entfaltet.“

Auf meiner Haut zeigt sich der Protagonist Moschus sofort nach dem Aufsprühen. Zuerst noch zart und vorsichtig in Begleitung einer luftig-leichten und zitrisch-frischen Bergamotte, doch drängt sich die Orangenblüte mit ihrer cremig-floralen Lieblichkeit schnell in den Mittelpunkt des pudrig-frischen Arrangements. Während sich die Bergamotte höflich aus dem Kreise der drei zurückzieht, lässt sich der Moschus von dem Rampensau-Gehabe der weißen Orangenblütenpracht wenig beeindrucken. Er zeigt recht deutlich, wer im Duftgemenge das Sagen hat und beruhigt den aufgedrehten Weißblüher, ja zähmt ihn fast. Iris trifft zu dem pudrig-floralen Duo und verleiht ihm zusätzliche Wärme, Weichheit und Konstanz. Schließlich lassen sich die drei entspannt und gelassen auf ein kuschelig-sanftes Wohlfühlbett aus pudrigen Noten fallen und genießen ihr unbeschwertes Beisammensein.
Ich muss gestehen, dass ich neuerdings eine Vorliebe für Moschusdüfte entwickelt habe. Eine Tatsache, die ich niemals für möglich hielt bis das Steffi-liebt-Moschus-Fieber bei mir ausbrach. So ist es wenig verwunderlich, dass ich Clair de musc ganz toll finde und zwar insbesondere den Teil vor und nach der aufgedrehten Orangenblüte. Diese kuschelig-warmen Puderdüfte sind für mich genau das Richtige, wenn die Tage kürzer werden, das Wetter grauer und die Temperatur in den Keller geht.

So grau, grau, grau blüht der Lavendel

3700358201001-gris-clair-50mlDie Nummer 2 des heutigen Tages ist das andere Lutenssche Clairchen, das zu deutsch den schlichten Namen „hellgrau“ trägt: Gris clair. Gris clair stammt aus dem Jahre 2006, ist selbstredend auch von Herrn Sheldrake und besitzt folgende Duftnoten: Lavendel, Ambra, Iris, Hölzer, Tonkabohne. Serge Lutens schreibt zu diesem Duft:

„Wie ein einzelnes Staubkorn, das über eine verlassene Stadt geweht wird. Grau wie Asche, die durch einen Himmel voller Sonnenstrahlen schwebt, daraufhin etwas Lavendel, und um dem Grau Klarheit zu schenken, fügte ich Weihrauch hinzu. Ich bin verrückt nach ihm! In jeglichem Sinne, Weihrauch erfüllt meine Sinne mit Sinnlichkeit.“

Gris clair ist frisch aufgesprüht sogleich kräftig, kühl und würzig-lavendelig. Holzige Noten unterstreichen das herb-frische und krautige Lavendelaroma und sorgen für trockene Akzente. Im weiteren Verlauf gesellt sich Iris hinzu, die dem Duo schöne und dezent cremige Pudernoten schenkt, und später auch Ambra, das balsamische Wärme spendet und den Duft mit vanilligen Tonkabohnennoten sanft ausklingen lässt. Auch ein sehr schöner Duft mit einem interessanten Kalt-Warm-Duftverlauf. Weihrauch kann ich zwar keinen finden (weder in den Duftnoten, noch auf meiner Haut), doch Herr Lutens wird sich bei seinem Zitat schon etwas gedacht haben. Definitiv anwesend ist der Lavendel. Aufgrund dessen intensiven herb-krautigen Noten zu Beginn ist Gris clair eher ein Duft für das männliche Geschlecht, dafür ist er meines Erachtens ein Alljahresduft, der ohne Weiteres das ganze Jahr über getragen werden kann. Die namensgebende Farbe Grau passt auf jeden Fall prima zu dieser Duftkreation. Nicht irgendein fieses dumpfes Depri-Grau, sondern ein richtig schönes helles. 🙂

Mein Resümee: Clair de musc – Gris clair

Mit Clair de musc und Gris clair hat Serge Lutens zwei hervorragende Düfte geschaffen. Clair de musc verzaubert durch seine pudrige Transparenz und luftige Leichtigkeit. Er vereint auf wundersame Weise Klarheit und Simplizität mit Tiefe und Komplexität. Ein femininer Wohlfühlduft mit ganz vielen Kuschelmomenten. Gegen den zarten und eher zurückhaltenden Clair de musc wirkt Gris clair anfangs wie ein Partytier. Wild, kühl, unbändig zu Beginn, im Ausklang gezähmter, warm und sinnlich. Ein rauer und männlicher Duft, dem eine gehörige Portion Erotik innewohnt. Da verbleibt mir nur zu sagen: Gut gebrüllt, Serge Lutens! 🙂

Ich wünsche Euch einen schönen und möglichst ungrauen Dienstag!

Liebe Grüße,
Steffi

 

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

4 Kommentare

  1. Kumi
    20. September 2016
    Antworten

    Ich liebe Gris Clair und ich finde ihn gar nicht männlich.
    Er kann auch wunderbar von Frauen getragen werden.
    Ich hab so lange nach exakt so einem Lavendel-Duft gesucht, es hat über 1 Jahr gedauert und ich bin schwer verliebt.
    Jetzt im Winter freue ich mich schon darauf mich in das melancholische Lavendelfeld zu kuscheln.
    Eine wilde Party ist er nicht für mich, eher ein tiefgründiger Verführer.
    Aber an und auf andere Menschen wirken Düfte ja bekanntlich verschieden.

  2. Ute
    22. September 2016
    Antworten

    Liebe Uli,

    hoffe, Du fühlst Dich bald wieder besser. Werde wieder ganz gesund bitte.
    Gönn Dir viel Ruhe, guten Tee, Wärmflasche.

    Wir können warten, bis Du wieder fitt bist und weitere spannende Florenz
    Berichte schreiben kannst, die uns begeistern.

  3. Katharina Wenndorff
    26. September 2016
    Antworten

    Gris Clair ist für meine Nase definitiv kein heiterer Provence-Lavendel-Sommerduft.
    Eher ein Duft für das sehr zeitige Frühjahr, wenn der ganze Gewürz-Pomp nicht mehr so recht zur Jahreszeit paßt, aber die Zeit für die grünen Frühlingsdüfte noch in weiter Ferne ist.
    Ja, der Duft ist grau, aber nicht trist, sondern eher tröstend, leise und bescheiden.
    Ich trage ihn als Frau ebenfalls.

    Gruß Katharina

  4. 27. September 2016
    Antworten

    Liebe Kumi, liebe Katharina,
    vielen Dank für Eure Kommentare. Es stimmt, Düfte wirken bei jedem anders und auf jeden anders. Auf alle Fälle ist es ein toller und ausdrucksvoller Lavendelduft. 🙂
    Viele liebe Grüße,
    Steffi

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