Ein Lavendel, aus den Händen von Mönchen

Auf mehrfache Empfehlung hin bestellte ich mir Anfang Dezember den bekannten „Caldey Island Lavender“. Als er mich vor Weihnachten noch erreichte, öffnete ich den grauen Papierumschlag, welcher, wie so viele Briefe aus dem Königreich, von der Queen geziert wurde. In dem Umschlag befand sich nun das Parfum, verpackt in eine Schutzfolie. Natürlich musste ich hier schon einmal meine Nase hinhalten, und nicht vergebens, denn die Folie roch schon wie eine mittelalterliche Kirche, von denen ich auf einer Bildungsreise in England bereits unzählige besucht hatte. Ich denke, es ist nicht nur eine Unart meinerseits, schon an der Verpackung herumzuschnüffeln, ich sehe es bei anderen immer wieder, und wir sollten einfach einmal festhalten, dass das Dufterlebnis bereits mit dem Geruch der Verpackung beginnt. Ausgewickelt, verstärkte sich dieser Eindruck noch, und wir werden sehen, ob es der Muff der tausend Jahre ist oder ein erster Eindruck, der aus dem Fläschchen entweicht. Übrigens schlage ich vor, die Duftpyramide in ein Quadrat zu setzen und eine, sagen wir Marginalnote oder Verpackungsnote, einzuführen.

20110227-Caldey Island

Caldey Island, oder wie sie auf Walisisch heißt, Ynys B?r, ist eine Insel vor der südlichen Küste von Wales. Dieses kleine Eiland misst gerade einmal 2,4 km in der Länge und 1,6 km in der Breite und beherbergt ein kleines Dorf sowie das bekannte Kloster, von dem hier noch die Rede sein wird.

CaldeyIslandAbbey

Schon seit dem 6. Jahrhundert gibt es dort Mönche, heute sind es Zisterzienser, die in dem 1910 errichteten Klostergebäude wohnen. Von der langen Geschichte zeugt eine normannische Kapelle aus dem 12. Jahrhundert und vor allem der Caldey-Stein aus dem 6. Jahrhundert, der neben einer lateinischen Inschrift auch ein so genanntes Ogam trägt, alte Schriftzeichen aus dieser Zeit.

Liest man in Luca Turins Buch „Perfumes: The Guide“ nach, so schwärmt dieser von dem Caldey Island Lavendelparfum: „simply the best lavender soliflore on earth“. Mit solch einem Lob, darf natürlich auch ein ausgezeichneter Lavendel erwartet werden. Die Idee, ein Parfum auf der Insel herzustellen, entstand aus dem Verkauf von Lavendelsträußen an Tagestouristen in den 1950er Jahren. Die ersten Düfte wurden begeistert aufgenommen und geschäftstüchtig wie die Brüder waren, wurde die Produktion angekurbelt: man gründete die Marke „Caldey Abbey Perfumes“, welche sich ganz der Herstellung hochwertiger und kultivierter Duftschöpfungen verschrieb. Um der Nachfrage gerecht zu werden und auch weil die kleine Insel natürlich nur über begrenzte Ressourcen verfügt, lagerten die Mönche die Produktion in den 70er Jahren aus.

Heute arbeitet der belgische Parfumeur Ivo Jacobs für die Mönche und nimmt Lavendelkissen von Caldey als Vorlage, um die berühmten Düfte sorgfältig zu formulieren. Die Essenzen werden daraufhin nach Caldey gebracht, wo sie von den Mönchen abgefüllt und verpackt werden. Und das machen sie nicht nur, um die Herzen der Parfumfreunde höher schlagen zu lassen. Die Parfums, Colognes, Badezusätze, Handlotionen, Rasierwasser, Seifen, aber auch Schokolade bilden einen Hauptpfeiler der Inselwirtschaft. Darüber hinaus werden die Lavendelsträuße und Lavendelkissen wieder im Parfumgeschäft der Insel verkauft. Übrigens sind die Herren Mönche mit einem Internetshop vertreten, wo man die Produkte (neben Touri-Nippes) zu unschlagbaren Preisen beziehen kann, siehe hier.

Zurück zum Thema „Caldey Island Lavender“. Mit Herrn Turins Zitat war schon klar, dass wir es mit einem „Soliflore“ zu tun haben, einem Parfum, das eine Note zum Hauptthema hat, was wiederum nicht heißt, dass nicht auch andere Noten enthalten sein können. Ganz klar zeigt sich hier ein charakteristischer Lavendel, mit all seinen Eigenschaften: Frisch, sauber und krautig, man fühlt sich leicht an Minze erinnert. Auf der Haut hingegen zeigen sich auch balsamisch-florale Anklänge, sicherlich auch einer der Kandidaten, die sehr individuell mit der Haut reagieren. Also nun ein reiner Blindflug: 95% Lavendel, die restlichen Noten könnten zitrische Noten im Kopf sein, vielleicht ein wenig Zedernholz und sicher Moschus. Die Haltbarkeit lässt deutlich zu wünschen übrig.

Ihr seht schon, ich werde nicht hysterisch vor Begeisterung. Ein Lavendel, der einfach, klar und geradeaus ist, ähnlich wie „Antihéros„, nur dass dieser weitaus holziger und irgendwie auch rauer und moderner daherkommt. Also genug gemeckert. Caldey Island Lavender ist meines Erachtens ein gelungener, traditionell anmutender Lavendel, der denjenigen Männlein und Weiblein gefallen wird, die ihr Herz klassischen Lavendeldüften geschenkt haben. Aus der immer größer werdenden Palette an Lavendeldüften, die ich in letzter Zeit kennenlernen durfte, wird dieser nicht als Sieger meines Herzens hervorgehen. Einen Test rate ich bei fortgeschrittener Lavendelbegeisterung aber unbedingt an. Ganz berührend – das meine ich vollkommen ernst – sind auch die Einträge auf der „Prayer Page“, wo man den Mönchen Gebetsanliegen übermitteln kann, die diese dann in ihre Gebetsliste aufnehmen. Wer das Parfum nicht mag, kann zumindest auf geistliche Zuwendung bauen.

Ganz viele Grüße von
Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

5 Kommentare

  1. Avatar photo
    Katharina W.
    14. Januar 2012
    Antworten

    Lieber Harmen,

    es hat sicher viel mit der Erwartungshaltung zu tun.
    Ich finde, nicht jeder Duft muß einen ultimativen Nervenkitzel bereithalten. Oder Hysterie und Begeisterung erzeugen. Manchmal sehne ich mich nach Düften, die keine Provokation sind und keine Spannung erzeugen – also ich brauche das an manchen Tagen einfach.

    Wenn ich beispielsweise aus der Sauna komme und mir das Sauber-Gefühl möglichst lange bewahren will, dann betupfe ich mir die Haut oft nur mit Lavendel- oder Kamillenöl.
    Oder jetzt nach meiner schweren Grippe: Als ich endlich überhaupt wieder was gerochen habe, hatte ich plötzlich Sehnsucht nach Lavendel. Ohne irgendwelche Sprenzchen, einfach nur den intensiven Duft nach ungefiltertem Lavendel. Die meisten Menschen mögen ja den Geruch des Linalylacetats und Terpentinol nicht, weil das etwas „beißt“. Deswegen wird das meist rausgefiltert. Oder man verwendet gleich Lavandinöl statt Lavendelöl, weil ersteres milder riecht. Dadurch geht aber auch die therapeutische Wirkung zum großen Teil verloren.

    Ich bin ja auch ein größer Fan von Knize oder 4711. Diese Düfte riechen einfach sauber und frisch, in sparsamer Dosierung sind sie an manchen Tagen eine echte Wohltat.
    Und nach einer Weile ist dann auch das Verlangen nach den Knaller-Düften wieder da.
    Alles zu Zeiten in Maßen.

    Viele liebe Grüße
    Katharina

  2. Avatar photo
    Margot
    16. Januar 2012
    Antworten

    Lieber Harmen,
    es freut mich zu lesen, dass es dieser Lavendel über den Kanal zu Dir geschafft hat. Auch wenn er nicht dem entspricht, was Du Dir unter Lavendelduft vorstellst, er hat auf jeden Fall eine entspannende, beruhigende Wirkung. Und so etwas muß ich nicht unbedingt nach außen tragen, sondern so wie Katharina es beschrieben hat, einfach mal für sich selbst.

    Liebe Grüße,
    Margot

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    Ulrike
    16. Januar 2012
    Antworten

    … sehr zu meiner Freude ist nach dieser Rezension Harmens Fläschchen zu mir gewandert und in mein Repertoire übergegangen 😉

  4. Avatar photo
    Harmen
    16. Januar 2012
    Antworten

    Hallo Ihr beiden,
    Konzeptdüfte und hoch anstrengende provokative Düfte müssen wirklich nicht immer sein. Mein Ziel ist es, hier faire Rezensionen zu schreiben, in denen ich zwar meine persönliche Meinung und auch meinen Geschmack zum Ausdruck bringe, aber auch honoriere wenn ein Duft ungeachtet dessen gut gemacht ist oder nicht. Vielleicht kommt das nicht immer ganz klar heraus. Dieser Lavendelduft ist sicherlich sehr gut gemacht, trifft aber meinen Geschmack nicht ganz. Aber es war in jedem Fall spannend, einmal die ganze Geschichte hinter dem Caldey Island Lavender kennenzulernen. 🙂 Viele Grüße
    Harmen

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    Ulrike
    18. Januar 2012
    Antworten

    Ich bin ganz froh, dass er Dir nicht gefällt *giggel*
    Sprach’s und verkroch sich lavendelig duftend samt Miezen ins Bett…

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