Brüder im Geiste

Nach dem schwarzen Wüstenwind Harmatan Noir, den ich letzte Woche rezensiert habe, möchte ich heute zwei weitere Düfte der französischen Duftmanufaktur Parfumerie Générale vorstellen: L’Eau Rare Matale und Hyperessence Matale. Beide gehören zur Numbered Collection, also zur nummerierten Duftkollektion der Parfumschmiede und tragen die Nummern 6 und 12.

Doch zuerst ein paar verspätete Worte zur Manufaktur selbst: Gegründet wurde das Unternehmen im Jahre 2002 von Pierre Guillaume – PG – dessen Initialen sich im Namen der Firma wiederfinden: Parfumerie Générale. Herr Guillaume selbst ist ein junger Hübscher, zur PG-Gründungszeit war er erst Mitte Zwanzig, und studierter Feinchemiker. Die Leidenschaft für Düfte und Gerüche entwickelte sich bei ihm eher zufällig. Sein Vater, ein Weinliebhaber und –sammler, philosophierte zu Pierres Jugendzeiten mit Gleichgesinnten gerne im vinologischen Fachjargon über die Aromen und Charaktere der Weine, was das Interesse des Juniors weckte: so begeisterte er sich bereits von Kindesbeinen an für Düfte, investierte gar sein ganzes Taschengeld in ätherische Öle und Parfums. Ein ungewöhnliches Kind, möchte ich fast sagen! Tja, was dem ein oder anderen damals vielleicht als jugendlicher Spleen erschien, erwies sich doch als wahre Passion. Er blieb bis heute im duftenden Milieu verwurzelt, machte seine Leidenschaft zum Beruf und sich in diesem selbstständig, um seiner Kreativität freien Lauf zu lassen und sich nicht der Doktrin eines Arbeitgebers zu unterjochen. So spiegeln seine Düfte eben jene kreative Freiheit wider: sie sind unkonventionell und nicht gefällig, teilweise gewagt, aber künstlerisch so raffiniert und hochwertig-schön gemacht, dass man ihnen auch dann Tribut zollen muss, wenn man dem ein oder anderen olfaktorisch vielleicht nicht ganz so zugetan ist. Denn: es sind kleine duftende Kunstwerke; jedes für sich genommen ein Unikat, ein Meisterwerk, in dem sich Pierre Guillaumes Leidenschaft für Düfte mit der Virtuosität seines kreativen Könnens vereint. Ich für meinen Teil ziehe meinen Hut vor diesem jungen Künstler: Chapeau!

Herr Guillaume war in den letzten Jahren recht fleißig: neben der bereits erwähnten Numbered Collection, die 24 Düfte umfasst, existieren eine Limited Collection mit (Überraschung!!) limitierten Düften und eine Private Collection, zu der man nur als bei PG registrierter Kunde Zutritt bekommt – zur Wahrung der Exklusivität.

Doch widmen wir uns heute, wie auch schon in meinem letzten Artikel, den nummerierten Düften. L’Eau Rare Matale, die Nummer 6, kam im Jahr 2005 auf den Markt und ist laut Hersteller ein holzig-aromatisches Düftchen, ideal um „die Balance zwischen Frische und langer Anhaftung, Leichtigkeit und Raffinesse zu finden“. Das dominantere Brüderchen des L’Eaus trägt den Namen Hyperessence Matale und die Nummer 12. Lanciert wurde dieser, den Herr Guillaume zu den zitrisch-holzigen Schwarzteedüften zählt, ebenfalls im Jahre 2005. Wir haben es hier also beinahe mit so etwas wie Zwillingen zu tun, drehen sie sich doch beide um das gleiche Sujet: den kräftigen Schwarztee aus Matale, einer Stadt mitten in Zentrum Sri Lankas, die berühmt ist für ihren Gewürz- und eben ihren Teeanbau.

Bei so einer engen Verwandtschaft, verwundert es wenig, dass sich auch die Duftnoten nicht unähnlich sind. L’Eau Rare Matale: Bergamotte, Florale Noten, Schwarztee, Salbei, Pfeffer, Gewürze, Zedernholz, Moschus, Hölzer. Hyperessence Matale: Zitrone, Jasmin, Zedernblätter, Pfeffer, Moschus, Hölzer, Schwarztee.

Schon der erste Vergleichsschnupperer offenbart sofort das bereits Erwartete: Schwarztee in Perfektion, jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt. Das L’Eau beginnt mit herben, ja beinahe bitteren Teenoten; sehr schwarz, sehr dunkel und sehr authentisch. Zum Vergleich habe ich mal an einer meiner vielen Teedosen gerochen (in diesem Fall natürlich an unparfümiertem Assam) und die Ähnlichkeit zwischen Naturprodukt und Teststreifen/Haut war wirklich immens. Die Authentizität des Teegeruchs bleibt auch im weiteren Verlauf erhalten, immer wieder offenbaren sich neue Varianten: mal geht der Duft mehr ins Rauchige, mal bekommt er eindeutige Earl Gray-Züge durch zart-zitrische Bergamottenoten. Eine pfeffrige Schärfe schwingt unterschwellig mit. Im weiteren Verlauf beruhigt sich der Duft, wird insgesamt leichter, transparenter, ja beinahe zart bis er schließlich in einer unbestimmbar-süßlichen Floralität ausklingt.

Die Hyperessence, die als intensivere Variante des L’Eaus lanciert wurde, dagegen beginnt stark zitrisch. Ganz dezent zeigt sich der Schwarztee zu Beginn, bleibt eher im Hintergrund, während die Zitrone all ihre säuerlich-frische Dominanz ausspielt. Während das L’Eau mich an Earl Grey-Tee erinnerte (kräftige Schwarzteenoten mit zarten Bergamotteuntertönen), sehe ich hier eher einen eher leichten Darjeeling mit frisch hineingepresster Zitrone vor mir. Ein ganz anderes Kaliber also, welches für mich nur schwerlich mit der angekündigten intensiveren Version und dem Namen Hyperessence in Verbindung zu bringen ist. Nein, im Auftakt empfinde ich die angeblich intensivere Hypervariante weitaus frischer und leichter. Doch alsbald enthüllt der Duft seine innere Kraft: rau, rauchig und dunkel werden die Schwarzteenoten mit der Zeit. Und, wie beim L’Eau, sind sie auch hier sehr authentisch. Jedoch erscheint mir die Hyperessence insgesamt von weitaus trockenerem Charakter zu sein. Vielleicht liegt das an den holzig-koniferigen Noten, die ich unter all den dunklen Schwarzteebergen wahrzunehmen vermeine. Ich vermute, dass sich hier ganz still und heimlich die Zedernnadeln und die Hölzer olfaktorisch selbst verwirklichen. Unter der allmächtigen Herrschaft des Tees bleibt ihnen leider nur eine subtile Nebenrolle. Wie auch das L’Eau beruhigt sich die Hyperessence im weiteren Duftverlauf, bleibt aber insgesamt dominanter als das seltene Matale-Wässerchen.

Brüder sind sie zwar, die Nummern 6 und 12, aber eine grundlegende Identität nur in verschiedenen Intensitäten kann ich hier nicht feststellen. Von der Art, ihrem gesamten Duftaufbau her sind sie recht verschieden, besitzen aber dennoch übereinstimmende Merkmale. Gemein haben sie zum Beispiel die Vorliebe für starken Schwarztee und die Kombination desselbigen mit Hesperiden. So kann man die beiden vielleicht eher Brüder im Geiste nennen, als wirkliche Zwillinge. Damit aber genug der Definitionshaarspalterei. Definitiv sind es nämlich zwei unglaublich schöne, interessante und ungewöhnliche Schwarzteeinterpretationen. Und darauf trinke ich jetzt erst einmal ein Tässchen! Prost! 🙂

Einen schönen Tag wünscht Euch,

Eure Stephanie.

Bildquelle: Infusion and Leaves of Keemun Tea von Laubrau – some rights reserved. Vielen lieben Dank!

Neueste Kommentare

Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

3 Kommentare

  1. fredi
    5. August 2010
    Antworten

    Sehr schöne Rezension, liebe Steffi, deckt sich genau mit meinen Eindrücken!

    Ich liebe beide Düfte! Hyperessence Matale gefällt mir sehr, weil ich meinen schwarzen Tee GENAU SO geniesse: kräftiger aromatischer Tee mit einem grosszügigen Spritzer Zitrone und etwas Zucker. Ein prägnanter, unverkennbarer Duft, sehr erfrischend und dennoch langanhaltend. L´Eau Rare Matale ist in seinen Herz- und Basisnoten feiner differenziert und nuanciert, dort kann man eine Menge schöner floraler, krautiger und (ge)würziger Akzente wahrnehmen. Für mich ist es im Sommer die Hyperessence und im Herbst/ Winter eher das L´Eau.

    Gute Schwarzteeinterpretationen sind sowieso selten, hier fallen mir ausser dem neulich besprochenen Hamartan Noir nur noch der legendäre „T“ von Takashimaya ein, leider wohl dicontinued, und Tea for Two, die aber beide vom Charakter her wärmer sind und mehr die rauchigen Akzente des Tees betonen.

    LG, fredi

    • Ulrike
      9. August 2010
      Antworten

      Ich schließe mich komplett und in allem der lieben Fredi an, wie häufiger einmal 😉

    • Steffi
      11. August 2010
      Antworten

      Liebe Fredi,

      freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat und dass du die gleichen Assoziationen bei den beiden Schwarzteedüften hast. Ich muss sagen, die Dreierkombi Harmatan Noir, L’Eau Rare Matale und Hyperessence Matale hat mich wirklich sehr beeindruckt. Drei so ungewöhnliche und gleichzeitig unglaublich schöne Düfte. Einfach toll! So wirklich kann ich bisher auch noch keinen wirklichen Favoriten ausmachen… Wobei ich die salzige Meeresnote im Harmatan schon absolut umwerfend finde, genauso wie die rauchigen Earl Grey Noten im L’Eau… nein, es gibt noch keinen Favoriten. Ich finde alle toll! 🙂
      Leider kam ich bisher noch nicht dazu Tea for Two zu testen. Das muss ich aber schleunigst nachholen! Kann mich gerade irgendwie kaum sattriechen an der Duftnote Schwarztee/Tee. Die Rezensionen der drei PG-Düfte waren da wohl ein einschneidendes Erlebnis für mich. Und jetzt will ich mehr! 🙂

      Ganz liebe Grüße,
      Steffi

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